Grenzfragen der deutschen Sprache

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Grenzfragen der deutschen Sprache

Beitragvon Christophorus » Do 28. Mär 2019, 21:21

Servus, Grüezi und hallo,

um nicht jedes Mal einen neuen Thread aufzumachen, würde ich hier ein paar Sachen sammeln und später eventuell könnte noch das eine oder andere ergänzt werden.

Mir fällt in letzter Zeit immer häufiger auf, dass z.B. die Wörter "nutzen" und "nützen" nicht konsequent verwendet werden. Ebenso werden oft "gewohnt sein, etwas zu tun" und "an etwas gewöhnt sein" vertauscht.

Auch bei der Fortsetzung von Präpositionalausdrücken und bei Appositionen gibt es häufig Probleme mit dem Kasusgebrauch. Man liest öfter Sätze wie "Durch die häufige Verwendung und dem Gebrauch".

Oder eine merkwürdige klingende Fortsetzung von am, zum, zur etc., z.B. "Zum Thema und den Zielen".

Solche Dinge liest und hört man zunehmend auch bei seriösen Quellen wie Fachzeitschriftenartikeln, Nachrichtenreportagen etc.

Aber es gibt sicher noch mehr Beispiele ...
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Re: Grenzfragen der deutschen Sprache

Beitragvon Christophorus » Fr 29. Mär 2019, 13:03

... auch wenn das Thema jetzt keinen vom Hocker zu hauen scheint, erlaube ich mir noch eine Ergänzung:

Die korrekte Verwendung und Konjugation der beiden Varianten von "erschrecken", intransitiv und transitiv, scheint ein regelrechtes Mysterium zu sein.
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Re: Grenzfragen der deutschen Sprache

Beitragvon Tiberis » Fr 29. Mär 2019, 15:33

Christophorus hat geschrieben:liest und hört man zunehmend auch bei seriösen Quellen wie ... Nachrichtenreportagen

sind denn Nachrichtenreportagen immer "seriöse Quellen" ? :-o :D
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Re: Grenzfragen der deutschen Sprache

Beitragvon Christophorus » Fr 29. Mär 2019, 17:58

Sagen wir mal so, die Tagesschau bzw. die Tagesthemen hatten in Deutschland lange Zeit schon den Ruf einer sprachlichen Instanz.
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Re: Grenzfragen der deutschen Sprache

Beitragvon Zythophilus » So 31. Mär 2019, 09:14

In Bezug auf "seriöse Quellen" spielt die korrekte Verwendung der Sprache keine große Rolle. Das Adjektiv zielt auf den Inhalt ab.
Über bundesdeutsche Medien kann ich mich kaum äußern, aber über den in Österreich dominierenden ORF sehr wohl: Man kann als Grundregel annehmen, dass das Futur praktisch nicht mehr verwendet wird und das Präteritum nur dann, wenn man das Perfekt nehmen sollte. Dabei will man - und glaubt das wahrscheinlich sogar - Hochdeutsch und nicht Dialekte verwenden.
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Re: Grenzfragen der deutschen Sprache

Beitragvon medicus » So 31. Mär 2019, 10:59

….und wie sieht es mit dem Genitiv in Österreich aus :? Im gesprochenen Deutsch ist er hier ausgestorben. :roll:
" Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod"
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Re: Grenzfragen der deutschen Sprache

Beitragvon Zythophilus » So 31. Mär 2019, 11:08

Den Genitiv verwendet man auch noch in der Umgangssprache, wobei der Ersatz durch "von" + Dativ zunimmt.
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Re: Grenzfragen der deutschen Sprache

Beitragvon medicus » So 31. Mär 2019, 12:38

Zythophilus hat geschrieben:Den Genitiv verwendet man auch noch in der Umgangssprache, wobei der Ersatz durch "von" + Dativ zunimmt.

Wird in deutschen Übersetzungen oder Aufsätzen im Gymnasium die Verwendung von von+Dat als Ausdrucksfehler gewertet? :prof2:
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Re: Grenzfragen der deutschen Sprache

Beitragvon Zythophilus » So 31. Mär 2019, 17:04

Bei der Korrektur von Schularbeiten, also dem Pendant zu den "Klassenarbeiten", kann seit einiger Zeit tatsächlich der "Stil" bewertet werden, wobei null, drei oder sechs Punkte von insgesamt 36 beim Übersetzungstext dafür zu vergeben sind. Eine genauere Differenzierung wird vielleicht kommen. Vor dem aktuellen Schularbeitsmodell wurden Ausdrucksfehler (wie auch Grammatik- und Rechtschreibfehler), solange sie den Sinn nicht störten, nicht berücksichtigt.
Es gibt aber m.W. keine genaue Spezifizierung, welche Fehler in welchem Ausmaß zu werten sind; Rechtschreibfehler fallen jedenfalls weiterhin nicht darunter. Die gelegentliche Verwendung von "von" + Dat. statt des Genitivs wird vermutlich im Normalfall alleine noch keinen Punkteabzug bringen.
Wie die "kompetenzorientierte" SA aussehen soll und noch viel mehr, kannst du hier nachlesen https://www.schule.at/fileadmin/DAM/Geg ... n_2017.pdf
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Re: Grenzfragen der deutschen Sprache

Beitragvon medicus » So 31. Mär 2019, 17:41

Danke für deine ausführliche Antwort. Zu meiner Schulzeit gab es nur halbe und ganze Fehler, fertig! :prof2:
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Re: Grenzfragen der deutschen Sprache

Beitragvon Christophorus » So 31. Mär 2019, 22:58

Christophorus hat geschrieben:Auch bei der Fortsetzung von Präpositionalausdrücken und bei Appositionen gibt es häufig Probleme mit dem Kasusgebrauch. Man liest öfter Sätze wie "Durch die häufige Verwendung und dem Gebrauch".


Schönes Beispiel im Abspann des ARD-Thrillers "Das Programm":

"Mit freundlicher Genehmigung der Dreharbeiten durch die Gemeinde Sabaudia und der Nationalparkverwaltung Circeo"

Das kommt davon, wenn man einen langen Satz anfängt und hinterher nicht mehr weiß, wie er begonnen hat.
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Re: Grenzfragen der deutschen Sprache

Beitragvon Zythophilus » Mo 1. Apr 2019, 14:27

medicus hat geschrieben:Wird in deutschen Übersetzungen oder Aufsätzen im Gymnasium die Verwendung von von+Dat als Ausdrucksfehler gewertet?

Generell kann es noch als fehlerhaft angestrichen werden, wird aber auf keinen Fall mehr als Fehler gezählt. Der Deutschkollege, den ich danach fragte, meinte, dass er dem Genitiv noch fünf Jahre gebe.
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Re: Grenzfragen der deutschen Sprache

Beitragvon mystica » Mo 1. Apr 2019, 16:21

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Zuletzt geändert von mystica am Do 14. Jul 2022, 09:52, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Grenzfragen der deutschen Sprache

Beitragvon Tiberis » Di 2. Apr 2019, 00:20

Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod, genauso wie der Akkusativ dem Dativ seiner ist und umgekehrt. Niemand beweist das anschaulicher als die österreichische "Fußballerlegende" Herbert Prohaska alias Professor Schneckerl. Für seinen kreativen und zeitgemäßen Umgang mit der deutschen Sprache soll er demnächst sogar mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet werden:

http://www.der-sportprophet.at/artikel/ich-hab-ihm-mir-so-verdient-herbert-prohaska-erhaelt-nachtraeglich-literaturnobelpreis/4ed34ede25688e5ece91b61847c4f559/
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Re: Grenzfragen der deutschen Sprache

Beitragvon MusaClaudicans » Di 2. Apr 2019, 10:17

"mein/dein/sein/ein..." wird oftmals im Akk. Sg. m. auch nicht mehr gebildet...

Immer öfter hört/liest man Dinge wie "Er hielt sein Stift fest"/"Gib mir mein Schuh wieder" u.ä.
Omnia possideat, non possidet aera Minos. (Ov. Met. 8,187)
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