Steckt in dis-cip-ulus capere? Wieso aber dis? Etwas zer-kriegen? Ist analysieren gemeint? Und warum -ulus? Weil es ein Kind ist? Ich kriege das Wort nicht gedacht!
Ich vermute discipulus ist primär und disciplina sekundär. Was denkt Ihr? Das Wort kommt sich mit discere in's Gehege, eventuell durch das kreisförmige Sitzen der Schüler um den (griech.) Lehrer? Ist die Scheibe Diskos eigentlich unbedingt kreisförmig, wie es uns die Schallplatte suggeriert?
Oder ist discere eine Verkürzung von einem nicht mehr vorhandenen *discipere?
Eine andere Variante, die ich anzubieten hätte, ist Digitus, docere:dicere und Dogma, die mir alle selbstradical zu sein scheinen. Zwischen Digitus und docere ist nur eine Konsonantenerweichung und eine wegen der Bedeutungsverengung semantisch bedingte Vokalumfärbung zu sehen. Zu den Bedeutungen: Lehren ist ein spezielles Sagen. Und der Charakter des Zeigefingers, des schlimmen Fingers an sich, ist bekannt. Das der, oft mit einem Stock verlängert (paedagogia atra), zum Lehren dazugehört, ist offensichtlich. Aber kann in diesem Falle eines *didicere (etwas zerreden, zersagen - was schon mal nicht zum Sem Lehren passt) ein s vor das di wachsen? Wohl kaum. Diese zweite Konstruktion erscheint mir eher eine gelehrte Phantasie.
Oder ist discere ein einfaches Intensivum zu dicere, und hat mit der Vorsilbe dis überhaupt nichts zu tun? Dann erhebt sich die Frage, ob sich discipulus von discere ableitet? Dazu muß man wissen, das der Schüler in der antiken Schulpraxis wirklich viel stur auswendig lernen und damit hersagen mußte. Insofern gewinnt die Intensivum-These an Plausibilität. Und dann könnte discere primär, Discipulus sekundär und Disziplin tertiär sein. Zu erklären wäre die Lautkette -ipul, wo man das ip als Anlehnung an capere deuten könnte (denn der Schüler erhält was! Auch im Span. apprender - etwas nehmen - gibt es den Gedanken.) und ul als Verkleinerungsform, sind doch Schüler meistens kleiner als Lehrer. wideant professores!
Einer Verwanz zu Decor und decet kann nicht geleugnet werden, scheint mir jedoch semantisch in der Zeit, in der wir uns bewegen imho keine Rolle mehr zu spielen. Natürlich ziert Bildung den Menschen und es kann sogar sein, daß der Unterschied vom Analphabeten zum Aphabeten mehr Schmuck ausmacht, als der von Hauptschulabschluss zum Hochschulabschluss. Aber dieser Gedanke ist nicht wortbildungskräftig. Die Römer waren Soldaten und keine humanistischen Bildungsbürger!