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Beitragvon medicus » So 19. Mai 2019, 10:40

Hallo sinemetu,
ich habe nun ein ernstgemeinte Frage zur Herkunft und Bedeutung des Verbs "aufbrechen" und zwar intransitiv, z.B. "Wir brechen nach Ungarn auf" Heute gibt es ja dort keinen Grenzzaun mehr, den man aufbrechen muss. Das Beispiel Ungarn habe ich nur gewählt, weil ich weiß, dass du dich im Ungarischen auskennst.
Hat das Aufbrechen etwas mit einem Lager oder Zelt zu tun, dass man abbrechen musste, um weiterzuziehen als römischer Soldat? :help:
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Re: aufbrechen

Beitragvon marcus03 » So 19. Mai 2019, 10:58

Meine Vermutung:

Es kommt aus dem Knastjargon: für nicht genehmigte Urlaubsreisen :lol:
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Re: aufbrechen

Beitragvon iurisconsultus » So 19. Mai 2019, 14:35

Im Grimm‘schen Wörterbuch heißt es:
intransitiv, mit weglassung des acc. von der transitivbedeutung. statt das lager aufbrechen hiesz es blosz aufbrechen, abreisen
Qui statuit aliquid parte inaudita altera,
aequum licet statuerit, haud aequus fuit.
(Sen. Med. 199-200)
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Re: aufbrechen

Beitragvon sinemetu » So 19. Mai 2019, 16:31

marcus03 hat geschrieben:Meine Vermutung:
Es kommt aus dem Knastjargon: für nicht genehmigte Urlaubsreisen :lol:

Aus dem Knast bricht man aus, nicht auf.
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Re: aufbrechen

Beitragvon sinemetu » So 19. Mai 2019, 16:34

Ein Lager wird ja auch aufgeschlagen. Gibt es das im Latein "castrum frangere"?

Vllt auch, der Tag bricht an, danach brechen wir auf. Die Frage ist wirklich eine Frage, aber eine Antwort hab ich noch nicht. Im Übrigen: Nachdem man das Lager abgebrochen, bricht man auf. Aber warum "brechen"?

Im Ungarn lautet das Wort "brechen" törni. Aufbrechen, im Sinne von sich auf den Weg machen, eine Reise beginnen, da nimmt man indulás, indulni. Törni in unserem Zusammenhang wird benutzt für den Pionier. Er heißt Ut-törö, wortwörtlich: der Weg-Brecher, az Ut=der Weg. Der Einbrecher ist ev. eine direkte Übersetzung, ung.: Betörö. Vielleicht wird im Deutschen das "Sich auf den Weg machen" als ein "Brechen in die Zeit" verstanden, man spricht ja auch vom "Brechen der Feiertagsruhe", engl: Breakfast, aber das klingt mir schon zu philosophisch. Das Brechen als Gedanke muß noch einen anderen Hintergrund haben.
Eine Sache beenden - da sagt man auch abbrechen. An und ab (zeitlich) und auf und ab (räumlich) Anbrechen geht auch für Beginnen.
Zuletzt geändert von sinemetu am Di 11. Jun 2019, 14:27, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: aufbrechen

Beitragvon Tiberis » Di 21. Mai 2019, 00:45

nach meinem Verständnis bezeichnet "brechen" , im weitesten Sinne, einen mehr oder weniger abrupten Übergang a)von einem Ruhezustand in ein Geschehen (oder umgekehrt) bzw. b) von einem intakten Zustand ins Gegenteil.
Beispiele:
ad a) aufbrechen (zu einer Reise) ad b) ein Türschloss aufbrechen
ad a) der Tag bricht an; die Zelte (=den Aufenthalt) abbrechen, ad b) ein Ast bricht ab
ad a + b) die Rede/ die Stromzufuhr unterbrechen
ad b) die Fensterscheibe zerbricht

usw
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Re: aufbrechen

Beitragvon marcus03 » Di 21. Mai 2019, 06:04

sinemetu hat geschrieben:Aus dem Knast bricht man aus, nicht auf.

Nachdem man die Zellentür aufgebrochen hat. Der Aufbruch geht dem Ausbruch voraus. (Pars pro toto). ;-)
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Re: aufbrechen

Beitragvon sinemetu » Di 21. Mai 2019, 06:27

Tiberis hat geschrieben:nach meinem Verständnis bezeichnet "brechen" , im weitesten Sinne, einen mehr oder weniger abrupten Übergang a)von einem Ruhezustand in ein Geschehen (oder umgekehrt) bzw. b) von einem intakten Zustand ins Gegenteil.
Beispiele:
ad a) aufbrechen (zu einer Reise) ad b) ein Türschloss aufbrechen
ad a) der Tag bricht an; die Zelte (=den Aufenthalt) abbrechen, ad b) ein Ast bricht ab
ad a + b) die Rede/ die Stromzufuhr unterbrechen
ad b) die Fensterscheibe zerbricht

usw


Die Vielfalt und Andersartigkeit der Objekte zu einem Verbum zeigen, daß das Tertium Comparationis der einzelnen Bedeutungen des Wortes einen ziemlichen Abstraktionsgrad erreichen kann.
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Re: aufbrechen

Beitragvon medicus » Di 21. Mai 2019, 10:24

sinemetu hat geschrieben: Gibt es das im Latein "castrum frangere"?

-->castra movere= aufbrechen, weitermarschieren
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Re: aufbrechen

Beitragvon Tiberis » Di 21. Mai 2019, 11:26

medicus hat geschrieben:Hat das Aufbrechen etwas mit einem Lager oder Zelt zu tun, dass man abbrechen musste, um weiterzuziehen


castra movere entspricht dem Inhalt nach tatsächlich etwa unserem "die Zelte abbrechen", wobei allerdings die Metapher im Deutschen stärker ausgeprägt ist: "Die Zelte" bezeichnen den "Ruhezustand", "abbrechen" die Beendigung desselben, d.h. die dem Ruhezustand folgende Bewegung wird, anders als im Lateinischen, nicht explizit ausgedrückt.
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