Deminutiv vrs Diminutiv

[cometes]

Der durch die semantische Nähe begünstigte schwankende Gebrauch bzw. die Vertauschung von de- und di(s)- ist ja gerade für das Spätlatein typisch (und auch in der lateinischen Sprache des Mittelalters anzutreffen), sodass für die Grammatiker der Spätantike, die den terminologischen Gebrauch in für Jahrhunderte einflussreicher Weise verfestigt haben, nicht zwingend von einer unterschiedlichen Herleitung ausgegangen werden muss. Dass spätere Zeiten die Koexistenz dieser Formen genutzt haben, um an den Präfixen begriffliche Unterschiede festzumachen (wie Scaliger etwa), oder manche die Terminologie in der Orientierung am klassischen Sprachideal gereinigt sehen wollten, ist ein anderer Aspekt.

[Prudentius]

Das Präfix de hat, wenn es nicht wörtlich als "(von oben) herab" bedeutet, keine so stark von dis abweichende Bedeutung.

Vergleicht einmal de-cernere und dis-cernere! Das discretum ist etwas ganz anderes als das decretum; es schafft einen Abstand, wo vorher ein Zusammenhang war (disiungere ausspannen, beim Zugtier). de bezeichnet nur eine Bewegung.

[Zythophilus]

Wenn man bedenkt, dass discernere neben "unterscheiden" auch "entscheiden" bedeuten kann, gibt's da durchaus eine Überschneidung.
Das Verb deiungere scheint mir seltener als disiungere, beschreibt aber in seiner Grundbedeutung ebenfalls das Abspannen von Vieh.

[Prudentius]

Ich würde es so erklären: wohl überschneiden sich die Bedeutungen, aber in sachlicher / objektiver Bedeutung; in der Hinsicht aber unterscheiden sie sich; in Hinsicht auf das Gespann heißt es disiungere, weil ein Zusammen aufgelöst wird; aber in Hinsicht auf das Einzeltier heißt es de-iungere, ohne Blick auf das Gespann.
Discernere mit Blick auf das vorher unverstandene Chaotische: zerlegen in erkennbare Bestandteile; decerne vorausblickend auf erstrebte Rechtssicherheit, urteilen, entscheiden.

di-mittere entlassen, eine bestehende Geneinschaft auflösen; de-mittere wegschicken, ohne Blick zurück.

Der Begriff discretum spielt eine große Rolle in der Höheren Mathematik und Philosophie, Gegensatz continuum, das Zusammenhängende; bildet die Zahlenreihe ein discretum oder ein continuum? D.h., gibt es zu zwei Zahlen immer eine dritte dazwischen, oder liegen die Zahlen dicht bei dicht?
Das Begriffspaar geht schon auf Platon zurück, er verwendet es bei der Frage, wie die Idee in der sinnlichen Welt anwesend ist: verstreut oder zusammenhängend.

[sinemetu]

Das Begriffspaar geht schon auf Platon zurück, er verwendet es bei der Frage, wie die Idee in der sinnlichen Welt anwesend ist: verstreut oder zusammenhängend.

Ich wäre hocherfreut Prudentius, wenn Du Deinen Namen ehrend die platonischen Begriffe hoc loco zitieren würdest. Wahrhaftigkeit erfordert Identifikation von Form und Inhalt.

[Prudentius]

Die platonischen Begriffe sind diese: διεσπαρμένον für das discretum, von speiro, säen, streuen, wie bei Diaspora oder Sperma; und διατεταμένον für das continuum, in -τα- steckt ten-, wie bei tenere.
Bei Platon stehen die Begriffe im Zusammenhang der "Dialektik", da geht es um die Problematik der Ideenlehre, nämlich wie das Unwandelbare in den flüchtigen Gegenständen gegenwärtig sein kann.

wenn Du Deinen Namen ehrend ...

Ich verzichte aber lieber auf meine Ehre, als dass ich das alles ausbreiten sollte
Du musst aber bedenken, die platonische Lehre ist nicht abrufbar, es ist ja alles nur in Dialogen und Aporien angedeutet.