Pluralbildung und ass. Präsenz

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Pluralbildung und ass. Präsenz

Beitragvon sinemetu » Mo 29. Jul 2019, 12:13

Es gibt nur wenige Worte mit langem u am Ende im Deutschen. Sowas kann man hier feststellen: https://de.makeword.info/end/uh

Es gibt:
1. Der Schuh, die Schuhe
2. Die Ruh, die Ruhe
3. die Kuh, die Kühe.

Platt heißte es: de Kau, de Käu, weil sie den ganzen Tag kauen.
Der Hochdeutsche Plural von Kuh - Warum heißt er nicht Kuhe? Grammatisch müßte man doch argumentieren, es gibt einen Stamm auf langem u, dessen Plurals ist regelmäßig uhe. Das h im Singular ist ja nur orthografisch motiviert, während man es im Plural spricht.
Es muß aber einen Grund geben, warum es nicht Kuhe, wie bei Schuhe heißt. Dieser Grund ist die assoziative Präsenz von Mühe. Wir dürfen uns vorstellen, daß zu der Zeit, als unsere hochdeutschen Worte geformt wurden, das Lebensumfeld der Leute zu 90% ein bäurisches war, mit seiner überschaulichen Zahl an Phonemen und Semen. Die allgemeine Erfahrung, daß viele Kühe Mühe machen, reichte, um die Vokalveränderung zu vollziehen. Das Sprichwort hat den Sachverhalt genau erfasst: Eine Kuh macht Muh, viel Kühe machen Mühe!

mühen Vb. ‘sich anstrengen, plagen’, ahd. muoen (8. Jh.), mhd. müejen, müewen, müen ‘beschweren, quälen, bekümmern, verdrießen, sich bemühen’, mnd. mȫyen, mnl. moeyen, mōyen, nl. moeien, afries. mōja ‘belästigen, bemühen’ (germ. *mōjan), vgl. auch got. afmauiþs Part. Prät. ‘ermüdet’. Verwandt sind die unter ↗müde (s. d.) genannten Formen. Außergerm. sind vergleichbar russ. (derb) májat’ ( маять) ‘ermüden, erschöpfen, plagen’ und mit l-Suffix lat. mōlēs ‘Last, Masse’, mōlīrī ‘mit Anstrengung in Bewegung setzen’, wahrscheinlich auch griech. mṓlos (μῶλος) ‘Kampf(getümmel)’ (ursprünglich wohl ‘Mühe, Anstrengung’), so daß von einer Wurzel ie. *mō- ‘sich mühen’ ausgegangen werden kann, die möglicherweise identisch ist mit der unter ↗Mut (s. d.) genannten Wurzel ie. *mē-, *mō-, *mə- ‘heftigen und kräftigen Willens sein, heftig streben’. Mühe f. ‘Anstrengung, Last, Aufwand’, ahd. muo(h)ī (um 1000), mhd. müeje, müe ‘Beschwerde, Last, Not, Bekümmernis, Verdruß’. mühsam Adj. ‘voller Mühe, beschwerlich, anstrengend’ (16. Jh.); vgl. mhd. müelich. Mühsal f. ‘Plage, Anstrengung’, ahd. muosal n. (11. Jh.), mhd. müejesal, müesal f. n., auch ‘Last, Verdruß’; dazu mühselig Adj. ‘beschwerlich, anstrengend’, mhd. müejesalic, müesalic; Mühseligkeit f. (16. Jh.). ... Weniger


Es heißt ja bei Caesar schon:
Germani lacte vescuntur et caseo et carne


Vielleicht hat der ganze indogerm. Wurzel nur lautmalend das Muhen der Kuh zur Ursache!.

Daß im Deutschen die Worte Mühe und Mühle assoziativ aneinandergekettet sind, ist auch deutlich. Hatte die Mühe im Lateinischen noch eine andere Wurzel (onus), wechselte das Ding im Leben (welches die Sache an sich ist, an der sich ein Wort kristallisiert) im Hochdeutschen auf eine andere Wurzel und gesellte sich assoziativ zur Mühle.
Zuletzt geändert von sinemetu am Mo 29. Jul 2019, 12:23, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Pluralbildung und ass. Präsenz

Beitragvon marcus03 » Mo 29. Jul 2019, 12:23

sinemetu hat geschrieben: Die allgemeine Erfahrung, daß viele Kühe Mühe machen, reichte, um die Vokalveränderung zu vollziehen.

Au weia! Imaginatio tua infinita et inconcussa videtur!

Zur Vokalveränderung hatten die Melker m.E. zu wenig Zeit. ;-)
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Re: Pluralbildung und ass. Präsenz

Beitragvon sinemetu » Mo 29. Jul 2019, 12:36

Eine Sprache wird dort geformt, wo sie ausgeübt wird. Und zwar die bewußte Formung, wie die unbewußte.
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Re: Pluralbildung und ass. Präsenz

Beitragvon sinemetu » Mo 29. Jul 2019, 12:43

marcus03 hat geschrieben:
sinemetu hat geschrieben: Die allgemeine Erfahrung, daß viele Kühe Mühe machen, reichte, um die Vokalveränderung zu vollziehen.


Ja, der Vorgang klingt einfach, ist aber differenzierter. Viele Dialekte liefern viele Formen. Die unbewußt wahrgenommen motivierteste setzt sich durch! Das ist ein evolutionärer Vorgang. Ich gehe auch davon aus, daß eine Vokalanpassung (An-KLANG!) zur Neumotivation viel schneller und häufiger stattfindet, als eine Konsonantenveränderung (Metathese o. ä.).

Ein Hinweis auf die Stichhaltigkeit meiner Thesen sind Nachweise zur paralleler Vokalisation bei ähnlichen Sprachbildern in andern Sprachen. Dabei geht es nicht um die jeweilige Färbung der Vokalisation, sondern um dieselbe Färbung derselbe Bilder.
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Re: Pluralbildung und ass. Präsenz

Beitragvon sinemetu » Mo 29. Jul 2019, 13:38

Geht man nach DWDS, kann man unter "Typische Verbindungen" ein Wortfeld sehen. Könnte man dort Kühe eingeben, würde man Mühe nicht finden, weil es sich bei der Satzbildung um eine bewußte Assoziation handelt.

Ich sagte, die Vokalbildung und der Anklang zur Motivation findet unbewußt statt. Es muß also etwas anderes her.

Es wäre jedoch trotzdem schon sinnvoll, wenn ich ein ebensolches Instrument hätte, wo man nicht an den Nom. Singular gebunden ist. Kennt jemand so eine Seite?
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Re: Pluralbildung und ass. Präsenz

Beitragvon marcus03 » Mo 29. Jul 2019, 15:37

sinemetu hat geschrieben:1. Der Schuh, die Schuhe
2. Die Ruh, die Ruhe
3. die Kuh, die Kühe.


Ruh= Ruhe, Ruhe ist kein Plural.

Dass es Kühe und nicht Kuhe heißt, hat sicher etwas mit der deutlicheren Aussprache.
Kuhe klingt zudem komisch.
vgl:
der Mut, die Gemüter
das Blut, das Geblüt
die Glut, die Gluten
der Hut, die Hüte
Spruch--> Sprüche
Die Umlautung ist eine Möglichkeit von vielen der Pluralbildung und hat m.E. auch sprachästhetische Gründe.

PS:
Warum heißt es:
ich kaufe/kaufte, aber ich laufe/ich lief, ich saufe/ich soff?
Die seriöse Sprachwissenschaft kann das mühelos beantworten, denke ich ohne auf "emotionale Spekulation"
zurückgreifen zu müssen.
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Re: Pluralbildung und ass. Präsenz

Beitragvon sinemetu » Mo 29. Jul 2019, 15:47

Ich skizziere das mal....

Es könnte sein, daß sich in dem Bedeutungsfeld eines Hauptwortes dann die Laute des Hauptwortes statistisch signifikant wiederfinden würden ... nach dem Gedanken: Jedes Wort will das Hauptwort/die Hauptidee anklingen lassen, quasi "zitieren" ....

Hauptwort: Kühe, ass. Präs. Mühe
Verbundene häufige Tätigkeiten
1. melken
2. misten
3. füttern
4. hüten
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Re: Pluralbildung und ass. Präsenz

Beitragvon marcus03 » Mo 29. Jul 2019, 16:00

sinemetu hat geschrieben:Jedes Wort will das Hauptwort/die Hauptidee anklingen lassen, quasi "zitieren" ....

Dass auch Wörter einen Willen haben, ist ja ganz was Neues. :-o
Woher kommt dieser Wille? Ob die Wörter Schopenhauer gelesen haben? ;-)

sinemetu hat geschrieben:Es könnte sein

Vieles könnte sein, die Wissenschaft verlangt nachprüfbare Beweise/Belege frei von Spekulation.
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Re: Pluralbildung und ass. Präsenz

Beitragvon sinemetu » Mo 29. Jul 2019, 16:34

marcus03 hat geschrieben:Vieles könnte sein, die Wissenschaft verlangt nachprüfbare Beweise/Belege frei von Spekulation.


richtig, das sollte statistisch überprüft werden, aber nach Aussprachehäufigkeit gewichtet...

fahren - Bahn, Wagen, Rad, Karre,

Die Frage lautet also: Hat "Bahn fahren" einen evolitiven, und daher statistisch nachweisbaren Vorteil gegenüber "Zug fahren".

Das sich an der reinen Worthäufigkeit in geschriebener Sprache orientierende Google sagt das:
https://books.google.com/ngrams/graph?c ... en%3B%2Cc0

Ich halte diese Aussage für einen Hinweis, mehr nicht. Es bedarf umfassenderer Untersuchungen, auch in anderen Sprachen.
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Re: Pluralbildung und ass. Präsenz

Beitragvon sinemetu » Mo 29. Jul 2019, 16:45

marcus03 hat geschrieben:
sinemetu hat geschrieben:Jedes Wort will das Hauptwort/die Hauptidee anklingen lassen, quasi "zitieren" ....

Dass auch Wörter einen Willen haben, ist ja ganz was Neues. :-o

Das ist Unsinn. Die Wörter leben nicht. Es gibt sie nicht mal. Es handelt sich um in unserem Gehirn in Klänge umgesetzte Bilder, die als Assoziationen zehntelsekundenlang in unserem Cerebrum aufblitzen und im Weltkontinuum in Bruchteilen von Sekunden verklingen. Mehr gibt es vom Wort nicht. Buchstaben sind nur Symbole dieses Geschehens.

Ich muß leider in den Urlaub ... Ihr entschuldigt ....
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Re: Pluralbildung und ass. Präsenz

Beitragvon medicus » Mo 29. Jul 2019, 17:07

sinemetu hat geschrieben:Ich muß leider in den Urlaub ... Ihr entschuldigt ....

Komm bald wieder, du wirst uns fehlen und erhol dich gut!
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Re: Pluralbildung und ass. Präsenz

Beitragvon marcus03 » Di 30. Jul 2019, 06:47

Quo vades, o Stomachate, stomachatum sinemetu absente? Quem petes stomachandi causa?
Certe mox iterum habebis, quod stomacheris. Qui quaeret, semper inveniet, quod indignetur. ;-)

Stomacharis, ergo es. :lol:
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Re: Pluralbildung und ass. Präsenz

Beitragvon marcus03 » Di 30. Jul 2019, 10:11

Stomachatus hat geschrieben:Du bist ein Mobber wie auf dem Schulhof

Ich habe deine Intoleranz satt!
Ständig tauchst du in einem Unterforum auf, das dir eigentlich viel zu blöd ist. Warum tust du das?
Für mich bist du ein geistiger Masochist. Anders kann man das nicht mehr deuten.
Dein Dauer-Stomachieren geht hier allen längst auf den Geist. Such dir einen anderen Ort, wo du deinen Frust ablassen und deinen Dünkel austoben kannst. :cry:
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Re: Pluralbildung und ass. Präsenz

Beitragvon marcus03 » Di 30. Jul 2019, 13:39

Stomachatus hat geschrieben:Und pass auf, wie Du Dich ausdruckst.

Gerade du musst das sagen, der sich ständig über andere erhebt und auf sie verächlich hinunterschaut.

Stomachatus hat geschrieben:Was ist das für ein Forum, wo das sog. Unterforum „Sonstige Diskussionen“ 90% der aktiven Themen ausmacht?

Die Hauptgründe sind bekannt ("Anmeldung").
Ansonsten kann es dir völlig egal sein, worüber in "Sonstige Diskussionen" gesprochen wird.

Stomachatus hat geschrieben:Hier stimmt was nicht, mein lieber Freund.

Nenne mich nicht deinen Freund. Du bist eher mein Feind, der mich immer wieder beleidigt (Troll).
Du bist mir absolut unsympathisch mit deinem ganzen besserwisserischen und arroganten, nörgelden Gehabe.
Du glaubst die "lateinische Weisheit" mit Löffeln gefressen zu haben ohne "wirklich zu liefern".
Es gibt mindestens drei Leute hier, denen du das Wasser nicht reichen kannst.

Stomachatus hat geschrieben:Und was Bildung angeht, spielst Du in der selben Liga wie er.

Was deinen Stil angeht, bist du alles andere als ein vir vere humanus, intolerant wie noch keiner jemals zuvor und selbstgefällig und von sich eingenommen bis zur Unerträglichkeit. :cry:
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Re: Pluralbildung und ass. Präsenz

Beitragvon cometes » Di 30. Jul 2019, 14:24

Der Hochdeutsche Plural von Kuh - Warum heißt er nicht Kuhe?


Weil der Kuh als Femininum (welches sich schon aus der Regel ergibt, dass im Deutschen bei geschlechterdifferenzierenden Bezeichnungen für ausgewachsene höhere Lebewesen Genus und sogenanntes natürliches Geschlecht übereinstimmen) die Pluralbildung auf -e ohne Umlautung gar nicht offensteht, die Kuhe bedeutete schon einen Verstoß gegen die Zuordnungsverteilung von Genus und Deklinationsklasse.

Die Frage könnte allenfalls lauten: Warum heißt der Plural nicht die Kuhen (eine Bildung, die Kinder im Prozess des Spracherwerbs offensichtlich gelegentlich hervorbringen - Handbuch Sprache und Bewegung: Alltagsintegrierte Sprachbildung in der Kita, S.61)?

Warum wird das geschlechtsreife weibliche Hausrind also nicht dem schwachen Typ mit Plural auf -en zugeschlagen?

Mit hinterem umlautfähigen Stammvokal allein befindet sich die Kuh nämlich nur am unteren Ende der Prototypikalitätsskala für starke Feminina, die den Plural unter Umlautung auf -e bilden, während das obere Ende von Wörtern belegt wird, die nach dem umlautfähigen Stammvokal noch mehrere Konsonanten aufweisen und auf -t enden (z.B. die Kunst - die Künste), und dadurch in der schwächsten Position innerhalb einer sprachgeschichtlich betrachtet ohnehin schwindenden Deklinationsklasse, zu der nur noch circa 40 Simplizia zählen (siehe dazu Klaus Michael Köpcke: Starkes, Schwaches und Gemischtes in der Substantivflexion des Deutschen. – Was weiß der Sprecher über die Deklinationsparadigmen? in Deutsche Grammatik in Theorie und Praxis. Tübingen, Niemeyer 2000, S. 155–170).

Beispiele für rezente Abbauprozesse dieser Klasse sind etwa die Pluralbildungen Gruften statt Grüfte und Fluchten statt Flüchte (das sich noch in Ausflüchte erhalten hat).
Zuletzt geändert von cometes am Mi 31. Jul 2019, 02:25, insgesamt 1-mal geändert.
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