taube Tauben

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taube Tauben

Beitragvon sinemetu » Sa 3. Aug 2019, 15:13

Die Autorhizität von Taube, Dove, doof, Duve, taub, dumm, tumb ist nicht nur mir aufgefallen:

Taube · Tauber · Täuber · Tauberich · Täuberich
Taube f. Die Herkunft des gemeingerm. Vogelnamens ist nicht sicher geklärt. Ahd. tūba (8. Jh.), mhd. tūbe, asächs. dūƀa, mnd. mnl. dūve, nl. duif, mengl. (aus dem Anord.) d(o)uve, dofe, engl. dove, anord. dūfa, schwed. duva, got. in hraiwadūbō ‘Turteltaube’, eigentlich ‘Leichentaube’, führen auf germ. *dūƀōn, das im allgemeinen mit air. dub (aus *dhubhu-) ‘schwarz’, gleichbed. akymr. dub (aus *dheubh-) zur Labialerweiterung ie. *dheubh-, *dhūbh- ‘stieben, rauchen; neblig, verdunkelt’ der Wurzel ie. *dheu-, *dheu̯ə- (s. ↗taub) gestellt wird, so daß Taube nach dem rauchfarbenen Gefieder als ‘die Dunkle’ gedeutet wird. Gestützt wird dieses Benennungsmotiv durch griech. péleia (πέλεια) ‘wilde Taube’, zu griech. peliós (πελιός) ‘dunkelfarbig, blauschwarz, fahl’. Da das betreffende Farbadjektiv allein im Kelt., nicht aber in den germ. Sprachen nachzuweisen ist, hält Suolahti Vogelnamen (1909) 206 ff. eine lautnachahmende Bildung für wahrscheinlicher; allerdings läßt diese Deutung den Konsonantismus des Wortes ungeklärt, da bei Schallbildungen gewöhnlich Liquiden und Velare auftreten. de Vries Nl. 142 schließt daher die Möglichkeit eines Substratwortes nicht aus.


Es geht um die Tatsache, daß taub im erweiterten Sinne gefühllos meint, und nur im engeren Sinne als ohne Gehör begriffen wird. Die Deutung der Taube als "die Dunkle" überzeugt mich nicht. 1. sind die in Europa heimischen Tauben (Gattung Columba: Hohl, Ringel und Felsentaube, Gattung: Streptopelia: Türken und Turteltaube) nicht dunkel. Bei den Columbaarten könnte man gut von glaukos sprechen. Bei streptopelia ist turtur regelrecht als bunt zu bezeichnen. Gerade die Taube, auf die das Adjektiv pelios einen gewissen Anspruch haben könnte, ist erst seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts im gemeingermanischen Sprachgebiet anzutreffen. Sieh in Wiki unter Türkentaube. Die Eigenschaft, taub und gefühllos kann also nicht auf diese Art zurückgehen. Ausserdem wird der Typos Taube durch die Gattung Columba repräsentiert.

Es muß eine Eigenschaft des Vogels geben, wo die Vögel sich taub oder "blöde" verhalten, so daß das TC zwischen beiden Begriffen gemeint ist. Lautmalerei kann ich ebenfalls nicht erkennen.

Es gibt den Spruch:
ecce ego mitto vos sicut oves in medio luporum estote ergo prudentes sicut serpentes et simplices sicut columbae

Könnte es heißen: Seid klug, wie die Schlangen, aber gefühllos (doof), wie die Tauben? Aber, der heilige Geist (weiße Taube) kann nicht mit doof bezeichnet werden. Oder ist mit gefühllos gemeint, wenn man die zweite Wange auch hinhält? Also ein "der Welt doof sein"? Oder eventuell das "Nicht-Hinhören" (taub) auf die böse Rede? Als Eigenschaft steht da simplex, was einfach einfach heißt. Aber die Taube als Tier ist gemeint. Insgesamt halte ich den hier von mir dargestellten Gedanken als zu abstrakt für ein TC. Es muß aber ein griffiges Tertium comparationis geben.

Wer weiss was besseres?
Zuletzt geändert von sinemetu am So 4. Aug 2019, 15:40, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: taube Tauben

Beitragvon medicus » Sa 3. Aug 2019, 16:05

Das Substantiv Taube hat keine gemeinsame Sprachwurzel mit dem Adjektiv taub. Ihre scheinbare Übereinstimmung in beiden Begriffe speist sich aus unterschiedlichen sprachgeschichtlichen Quellen, dem niederdeutschen dov für taub, leer und dem indogermanischen Gemeinbegriff für die Taube, charakterisiert durch ihr blauschwarzes Federkleid.
http://gsimon.de/steintauben-und-taubes ... aube-doof/
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Re: taube Tauben

Beitragvon sinemetu » Sa 3. Aug 2019, 16:52

Danke, Medicus, für den Link. Die Aussage widerspricht zwar dem DWDS, wo ich meine Etymologien meistens beziehe. Daß von Geburt an Taube (Gehörlose) meistens auch stumm sind, weshalb man von Taubstummen spricht, war mir so nicht bewußt, daß sie also weder Singen noch Sprechen können, (Woher das Vorbild) aber eingeschränkt lautäußerungsfähig (lallen) könnte das TC von Taube zu taub sein, wenn man also den Gegensatz Taube zu Singvogel setzt, ergibt stimmhaftes Singen und stummes Gurren einen gewissen Gegensatz. Dann müßte taub aber auch die Bedeutung stumm gehabt haben.

stumm wird hier zu doof gestellt. stumm stumpf - dumpf - dumm - doof.
https://www.dwds.de/wb/stumm

Kann sein: Stimme - stumm - stumb - tumb - tub - taub - Taube? Seltsam in jedem Fall die rhizologisch nicht begründete Vokalfarben-Antinomie stimm (stimmhaft) - stumm (stimmlos).
Zuletzt geändert von sinemetu am Sa 3. Aug 2019, 18:17, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: taube Tauben

Beitragvon marcus03 » Sa 3. Aug 2019, 16:58

medicus hat geschrieben: dem niederdeutschen dov für taub, leer

vgl.
dove = Taube (engl.)
Vlt. gibt es da einen Zusammenhang. :nixweiss:
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Re: taube Tauben

Beitragvon sinemetu » Sa 3. Aug 2019, 18:09

Man darf zu stumm auch stammeln stellen, dann käme das mit dem "Nicht gänzlich Verstummten" hin, also und an kann an etwas "in seinen lautlichen Äußerungen stark Eingeschränktes" denken, nämlich an einen Tauben oder eine Taube, die im Gegensatz zum Gelbspöttter immer nur ihr stimmloses Gurren hören lassen kann. Sie verhält sich also wie ein Tauber (Taubstummer), der nur stammeln kann (gurren).

stumpfe Stummheit ist das Gegenteil von scharfem Geist. ung. interessanterweise tompa

Ich denke, daß ist schlüssig und vor allem hat es einen Sitz im Leben. Man muß sich auch vorstellen, daß die Gebrechlichen in der Vormoderne präsent waren, nicht weggesperrt, wie heute.
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Re: taube Tauben

Beitragvon medicus » Sa 3. Aug 2019, 18:55

sinemetu hat geschrieben: Man muß sich auch vorstellen, daß die Gebrechlichen in der Vormoderne präsent waren, nicht weggesperrt, wie heute.


Weggesperrt wurden sie nur in der Zeit von Gröfaz. Man kann heutzutage viel mehr für Gehörlose tun. Bei allen Neugeborenen wird seit vielen Jahren ein Hörtest durchgeführt und im Bedarfsfall mit einem Hörgerät geholfen.
https://www.welt.de/wissenschaft/articl ... enden.html
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Re: taube Tauben

Beitragvon sinemetu » Sa 3. Aug 2019, 19:13

Ich wollte noch auf den notwendig gegebenen Zusammenhang von taub und doof hinweisen. Wer taub ist, bei dem wird in früheren Zeiten auch die Begriffsbildung nur sehr eingeschränkt erfolgt sein. Da das Wissen direkt abhängig von der Anzahl der beherrschten Worte (Begriffe) ist, wird der Taube tendenziell auch doof gewesen sein.

Folge davon: Wer wenig Begriffe hat, hat auch wenig zu sagen. Die Stummheit des Taubstummen ist also doppelt begründet, einmal durch die eingeschränkte Begriffswelt ein andermal durch das Nichtvorhandensein der Lautwahrnahme, wodurch die Begriffe, weil man keine Lautung hat, erst haben gar nicht gespeichert werden können. Durch die eingeschränkte Begrifflichkeit ist natürlich auch das Sehvermögen eingeschränkt, denn der Mensch sieht nur, was er auch weiss. Das Sehzentrum kann als gesehen nur abspeichern, was es als Begriff schon hat, wofür es - computertechnisch gesprochen - schon eine Adresse angelegt hat.

Ich hoffe, die moderne Medizin und hat inzwischen diesen malignen Verkettungen einiges entgegenzusetzen.

Ich möchte hier noch mal gegen die rhizologische Realität etwas sagen. Es ist letztlich hochegal, ob zwei Begriffe hetero- oder homoiorhiz sind. Begriffe, die sachlich miteinander zusammenhängen, werden lautlich immer aufeinander zusteuern. Sie verhalten sich folglich semantisch gravitativ.
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Re: taube Tauben

Beitragvon medicus » Sa 3. Aug 2019, 20:42

sinemetu hat geschrieben:Durch die eingeschränkte Begrifflichkeit ist natürlich auch das Sehvermögen eingeschränkt,


Woher hast du diese Theorie? Die ist mir unbekannt.
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Re: taube Tauben

Beitragvon sinemetu » So 4. Aug 2019, 07:57

5 Minuten Beobachtung einer kleinen Gruppe Haustauben heute morgen haben folgendes Ergebnis gebracht:

Es ist ausschließlich der Täuber, der gurrt. SIE stellt sich taub! ... und da SIE ihn nicht erhört, scheint SIE taub zu sein, wird sie als die TAUBE erlebt. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die Ohrlosigkeit. Daß sie kein Gehör hat, glaub ich nicht. Dieses Verhalten stützt auch die zweite Bedeutung von Taub. SIE verhält sich gefühllos.

So einfach ist die Welt. Es waren Haustauben, also domestizierte Felsentauben (columba livia). Ganz anders beim Spatz. Diese unmoralischen Tiere sieht man schamlos coram publico vögeln. Die Sperlingsfrau ist auch mal zu einer schnellen Nummer zwischendurch bereit. Die gefühllose, "keusche" Taube nie. Hat sie nicht auch den Nebensinn "rein, keusch" im Altertum gehabt? Wer kann eine Quelle angeben?

de surditate columborum.
unter den tauben helt sich par und par zusammen und wirt keins brüchig an dem andern. Heyden Plin. 408

GrimmWB

... und daher dann auch das Symbol für Reinheit und den heiligen Geist in der Kirche. Und weil sie taub und stumm ist, hat man ihr gerne Geheimnisse anvertraut, die sie ob ihrer Stummheit gar nicht verraten kann. So wurde sie zur Brieftaube. Beim verstehenden Lesen dieser Sätze habe man das vormoderne, mittelaltertliche und antike Weltbild im Auge. Ich will nicht alles erklären.
Zuletzt geändert von sinemetu am So 4. Aug 2019, 13:41, insgesamt 4-mal geändert.
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Re: taube Tauben

Beitragvon sinemetu » So 4. Aug 2019, 08:07

medicus hat geschrieben:
sinemetu hat geschrieben:Durch die eingeschränkte Begrifflichkeit ist natürlich auch das Sehvermögen eingeschränkt,

Woher hast du diese Theorie? Die ist mir unbekannt.

Verschiedenen Ortes zusammengelesen und durch Erfahrungen und Experimente bestätigt.
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Re: taube Tauben

Beitragvon medicus » So 4. Aug 2019, 08:17

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Re: taube Tauben

Beitragvon sinemetu » So 4. Aug 2019, 10:33

Was mein ich mit "Seevermögen eingeschränkt"?

Natürlich können Gehörlose Auto fahren. Es geht auch nur um die Wahrnehmung von "Etwas". Um ein Buchfink von einem Spatzen unterscheiden zu können, muß man um die Existenz beider wissen, man muß die Unterscheidungsmerkmale kennen. Und dann sammelt man im Leben Erfahrungen, wie sich Spatzen bewegen und wie Buchfinken, wo sie anzutreffen sind, welche Lautäusserungen sie von sich geben etc. etc. Erst wenn man die Vögel kennt, sieht man sie auch im Leben. Und schließlich fragt man sich: Wie kann man die beiden überhaupt verwechseln?
Ein Normalo sieht aus dem fahrenden Auto vor hellem Hintergrund aus nur einen Vogelschwarm über den Acker fliegen. Ein Ornithologe sagt: Kuck mal, ein Trupp Goldregenpfeifer.
Der Unterschied: Den ins Auge fallenden fliegenden Vogelschwarm sieht jeder. Den Trupp Goldregenpfeifer, der auf der gepflügten Krume rastet, den sieht wirklich nur noch der Ornithologe. Also, der, der sehen will und im Sehen geübt ist. Der Laie nimmt den Goldregenpfeifertrupp im Vorbeifahren gar nicht wahr. Das ist die erlebte Realität.

Es ist ein Unterschied zwischen der optischen Wahrnehmung von "in's Auge fallenden Dingen" und dem aktiven Sehen. Du, Medicus, siehst als Arzt doch die Menschen auch ganz ganz anders als der Normalo.
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Re: taube Tauben

Beitragvon medicus » So 4. Aug 2019, 13:34

Ein Gehörloser kann sich über die verschiedenen Vogelarten durch Bilder, Bücher und Filme genauso kundig machen wie der Hörende. Einen Schwarm Golregenpfeifer erkennt man nicht an den Tönen, die sie von sich geben. Zudem soll man beim Autofahren nicht auf die Vögel sondern auf den Verkehr achten. :roll:
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Re: taube Tauben

Beitragvon sinemetu » So 4. Aug 2019, 13:50

medicus hat geschrieben:Ein Gehörloser kann sich über die verschiedenen Vogelarten durch Bilder, Bücher und Filme genauso kundig machen wie der Hörende.

... mit Ausnahme der Vogelstimmen, und der Präzision: Heutzutage...

medicus hat geschrieben: Zudem soll man beim Autofahren nicht auf die Vögel, sondern auf den Verkehr achten.

Wer "weiß", sieht nebenbei!
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Re: taube Tauben

Beitragvon medicus » So 4. Aug 2019, 14:02

Ich geh jetzt raus und schau mir die Vögel an. Vale! :suche:
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