Deine spekulative Rechnung sagt eben nur nichts darüber, wie groß der Anteil der wirklich identischen (und nicht bloß ähnlichen) an den anzunehmenderweise sinnvollen Sätzen, die überhaupt gebildet werden pro Zeiteinheit, nun ist. Davon hängt aber ab, ob man der Behauptung
Fast jeder Satz, den ein Mensch sagt oder schreibt, ist eine komplett neue Kombination von Wörtern, die so noch nie dagewesen ist.
zustimmen kann oder nicht. Die kursierenden Zahlen liegen je nach Studie zwischen
durchschnittlich 2000 und 20000 Wörtern pro Tag (wobei die Fragestellung oft am Geschlechterverhältnis orientiert ist) im Bereich des gesprochenen Wortes, Zahlen, wie viel im Mittel geschrieben wird, überhaupt in Zeiten von SMS, Messengerdiensten, Facebook, Twitter und E-Mail, kenne ich nicht. Auch die durchschnittliche Satzlänge in gesprochener Sprache ist nicht so einfach zu ermitteln, es herrscht aber ziemliche Einigkeit darüber, dass sie unter der von schriftlicher Sprache anzusetzen ist. Man liest etwas von 5 bis 10 Wörtern für sogenannte Einfachsätze, die typische Satzlänge von Gefügen soll bei 14 liegen.
Die Frage könnte also lauten: Mit welcher Wiederholungsquote entnehmen 100 Millionen Deutschsprecher und - schreiber,
deren jeder pro Jahr im Durchschnitt, nehmen wir mal an, 700*365 = 255500 Sätze allein mündlich bildet, Sätze aus dem Pool der möglichen? Ob letzterer nur sehr groß oder unendlich ist, ist eine andere Frage. Die vorangehende Behauptung
Der Mensch kann mit einem endlichen Wortschatz durch die Aneinanderreihung der Worte im Prinzip unendlich viele Sätze generieren.
sagt nur etwas über das prinzipielle Vermögen natürlicher sprachlicher Systeme aus und ist so vage formuliert, dass sie nicht zu widerlegen ist, da der Verfasser an dieser Stelle keinerlei Einschränkung akzeptabler Ergebnisse durch Sinnhaftigkeit, Satzlänge, Stellung der Numeralia usf. vornimmt. Sie befriedigt daher nicht recht. Ob der Pool unter diversen Restriktionen also wirklich unendlich ist, muss offen bleiben, dass die Zahl der tatsächlich in einer Sprache gebildeteten Sätze sehr groß, aber endlich ist, ist hingegen einigermaßen trivial.
Da sich erstere Behauptung im Übrigen auch auf die historische Gesamtproduktion der schriftlichen Bildungen bezieht, könnte man diesen Teilaspekt herauslösen und nur untersuchen, wie hoch die Wiederholungsrate im Bereich gedruckter Texte ist. Man wird schnell feststellen, wie selten solche identischen Kombinationen (die nicht Zitate sind) über die Millionen von Digitalisaten über die Zeit hinweg vorkommen. Auch bei Online-Texten und E-Books erwarte ich kein anderes Bild.
Was die Butter angeht, ist nicht nachzuvollziehen, warum hier ausgerechnet hundert Varianten irgendeine Grenze in der Beurteilung der diskutierten Frage markieren sollten. Eine realitätsnahe Modellierung der Frühstückstischsituation zeigt aber m.E. schnell, dass die Einbeziehung synonymer Ausdrücke, von Satzellipsen, die Möglichkeit, Aufforderungen in der Syntax der Frage zu formulieren, der Einsatz der Modalverben und des Konjunktivs bzw. der würde-Konstruktion im Dienste der Höflichkeit, deren völliges Entfallen, die explizite Nennung des Adressaten, die Aufhebung der Beschränkung auf standardsprachliche Lexik und Artikulation, die Zulassung von transitorischen Sondersprachen, usf. in Kombination untereinander die Variantenzahl schnell vervielfachen, ohne dass es dich dabei um eine
quantité négligeable handelte.
Reichst du mir die Butter? Reichst du mir bitte die Butter? Reich mir bitte die Butter! Wärst du so freundlich, mir die Butter zu reichen? Kannst du mir mal die Butter reichen? Könntest du mir mal die Butter reichen! Würdest du mir bitte die Butter reichen? Papa, Butter, bitte! Kann ich die Butter haben? Kann ich mal die Butter ...! Buuuutttterrrr, please! Gibst du mir bitte die Butter? Gib Butter! Darf ich bitte die Butter haben? Dürfte ich mal die Butter haben. Sei so gut, Fabian, gib mir doch bitte die Butter. Gibst du der Mama bitte die Butter, Aurelia? Schatz, würdest du mir die Butter geben? Lass mal die Butter rüberwachsen, Uwe. Hey, gib mal die Butter rüber! Schmeiß mir die Butter rüber. ...