Marcus03

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Re: Marcus03

Beitragvon cometes » Mo 26. Aug 2019, 14:08

So nebenbei: Bei der Frage, wie viele Sätze Sprachteilnehmer eigentlich so generieren pro Zeiteinheit und wie oft sie sich dabei wiederholen, könnte man neben den mündlich geäußerten und verschriftlichten noch das bisher offensichtlich unberücksichtigte Reich der bloß gedachten (und geträumten) Sätze einbeziehen - es ist vielleicht das allergrößte (und mit der stärksten repetitiven Neigung).
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Re: Marcus03

Beitragvon sinemetu » Mo 26. Aug 2019, 17:04

cometes hat geschrieben:Erstens wirst du begründen müssen, warum du auch Namen ausschließen willst, eine im Gegensatz zu den Numeralia große, doch wohl begrenzte Menge im Wörterbuch, zweitens wird durch einen solchen Ausschluss in dem Punkt gar nichts erreicht.


Wir hatten als Ausgangspunkt meine Behauptung,
...daß unheimlichviel gesproche Sprache feste Wendungen, bzw. unendlich oft wiederholte Sätze sind.

Dagegen stand die Behauptung jenes Buches
Fast jeder Satz, den ein Mensch sagt, ist eine komplett neue Kombination von Wörtern, die so noch nie dagewesen ist.

Ich will meine Behauptung jetzt noch qualifizieren, wobei es mir auf das eine oder andere Prozent nicht ankommt. Ich würde mich aber widerlegt glauben, wenn herauskäme, daß genau 50 % der gesprochenen Sprache Sätze, die eine komplett neue Kombination von Wörtern, die so noch nie dagewesen ist, darstellen. Ich behaupte dagegen quantifizierend, daß das Verhältnis von schon mal gesagten Sätzen zu Sätzen, die eine komplett neue Kombination von Wörtern, die so noch nie dagewesen sind, 95 : 5 beträgt.
1. Ich rede ausdrücklich nur von gesprochener Sprache.
2. Ich begrenze die Satzlänge auf eine gewisse, vernünftig gewählte Wortanzahl.
3. Zahlworte größer 1000 (Willkürlich) schließe ich aus, indem ich sie einfach als 1000 zähle. Sätze, die Mathematik zum Thema haben, müssen grammatisch richtig sein, nicht mathematisch.
4. Namen schließe ich ebenfalls aus, indem ich sie alle als Wiederholung werte. Also: "Monika ruft Peter" gilt als Widerholung von "Uwe ruft Ines". Ortsnamen werden ebenfalls als ein Ort gezählt: "Ich fahre nach Berlin" = "Ich fahre nach München."
Ich halte es nicht für sinnvoll in diesem numerischen Zusammenhang, bei den beiden onomatophoren Sätze von einem komplett neuen bzw. anderen Satz zu sprechen. Ich möchte doch nicht die Familien, Orts- oder Vornamen gezählt haben.

Auf jeden Fall fallen Deine arbiträr formulierten möglichen Sätze bei mir in die 5 %, die zugegebenermaßen selten bis nie wiederholt werden. Im Übrigen will ich nicht theoretisch mögliche grammatisch richtige Sätze gezählt wissen, sondern die gesprochene Sprache messen.

Zu der Formel "grammatisch korrekt". Die möchte ich auch noch präzisiert haben. Ich meine damit für diese Untersuchung nicht die Schul- oder Fernsehsprachgrammatik, sondern ich fasse "grammatisch korrekten Satz" viel weiter als "verstandene Äußerung". Denn das mit den korrekten Sätzen - wie oft kommen die in der Umgangssprache vor? Die Leute sprechen aber Umgangssprache und nicht Standarddeutsch. Kuck doch mal in Whats app - was da so los ist. Da findet man sowas wie einen Satz richtig selten. Ein ganzer gesprochen Satz ist doch eine Abstraktion, zu der leider viel Leute überhaupt nicht fähig sind. Misch Dich mal unters Volk upp'n Dörp!
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Re: Marcus03

Beitragvon cometes » Mo 26. Aug 2019, 18:40

Dass der Ausschluss von Namen nichts an dem Punkt ändere, bezog sich, wie aus dem im Folgenden Ausgeführten hervorgeht, auf die Erzeugung von grammatischen Sätzen durch Rekursion als Ausgangspunkt für die Frage, ob sich im Prinzip unendlich viele endlich lange Sätze formulieren lassen.

Bei der Frage hingegen, wie viele der Sätze, die Menschen pro Zeiteinheit bilden, schon einmal genau so gesagt oder gesprochen wurden, sollte der Ausschluss von Namen bei der Beurteilung doch gar nicht in deinem Interesse sein, sind sie doch wenigstens Kandidaten für besonders oft wiederholte Elemente. Das gilt noch mehr für mathematische Sätze vom Typ "A plus B ist C", die besonders repetitiv sind, weil hier eine Abänderung der meisten Elemente nicht den Sinn ergibt, den der Sprecher anstrebt. Warum also gerade die Begrenzung dieser Elemente in deiner semantischen Subsumptionstheorie bzw. Satztypologie eine so vorrangige Rolle zu spielen scheint, ist mir schleierhaft.

Was die behaupteten zahlenmäßigen Verhältnisse zwischen neuen und schon dagewesenen Sätzen angeht, kannst du beliebig fabulieren, am Ende wirst du empirisch untersuchen müssen, wie viele Sätze Menschen nun pro Zeiteinheit sprechen und/oder schreiben, vielleicht auch denken und träumen (was, wie wir gesehen haben, so einfach nicht ist) und wie viele davon meinetwegen in Abhängigkeit deiner Kriterien als einzigartig gelten dürfen. Ob diese Kriterien sinnvoll sind und nicht nur dazu dienen sollen, am Ende die Wahrheit des Terenzschen Diktums denique nullumst iam dictum quod non dictum sit prius zu belegen, steht auf einem anderen Blatt. Wenn du schon einmal beim Aufräumen mit der Vielfalt bist, sehe ich jedenfalls keinen Grund, nicht einen Typ zu etablieren, der z.B. gleich alle Bewegungsarten von Ich-Sagenden auf ein bestimmtes Ziel hin einschließlich der Höllenfahrt erfasst, wie du umgekehrt wirst zeigen müssen, dass die deiner Ansicht nach wirklich neuen Sätze sich dieser Typologie entziehen. Wo dieses Verfahren ein vernünftiges Maß finden soll und was der Erkenntnisgewinn dabei ist, entzieht sich jedenfalls mir.


Für die zweite Frage sehe auch kein großes Problem darin, die Bewertung der Grammatizität, also die Beurteilung, ob der gebildete Satz den grammatischen Regeln in den Augen kompetenter Sprachteilnehmer entspricht, die ja bekanntlich noch nicht zwingend Akzeptabilität nach sich zieht, nicht auf standardsprachliche Rigidität zu verpflichten, ich bin guter Dinge, dass sich die Variationsbreite auch bei grammatisch Fragwürdigem hier durchhält, wie du guter Hoffnung sein kannst, diese in deiner Typologie auszulöschen.
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Re: Marcus03

Beitragvon sinemetu » Mo 26. Aug 2019, 19:39

cometes hat geschrieben:Dass der Ausschluss von Namen nichts an dem Punkt ändere, bezog sich, wie aus dem im Folgenden Ausgeführten hervorgeht, auf die Erzeugung von grammatischen Sätzen durch Rekursion als Ausgangspunkt für die Frage, ob sich im Prinzip unendlich viele endlich lange Sätze formulieren lassen.


Nach deinem Prinzip ja, nach meinem nicht! Ich mach ja die Untersuchung.

cometes hat geschrieben:Bei der Frage hingegen, wie viele der Sätze, die Menschen pro Zeiteinheit bilden, schon einmal genau so gesagt oder gesprochen wurden, sollte der Ausschluss von Namen bei der Beurteilung doch gar nicht in deinem Interesse sein, sind sie doch wenigstens Kandidaten für besonders oft wiederholte Elemente.

Ist es nicht leichter, wenn ich 10 mal "Ich fahr nach Berlin" und 10 mal "ich fahr nach München" zu 20 mal "ich fahr nach X" zusammenfasse? Ich wollte meine geschätzten 95 % nicht auf 99 % treiben....:-)

cometes hat geschrieben:Was die behaupteten zahlenmäßigen Verhältnisse zwischen neuen und schon dagewesenen Sätzen angeht, kannst du beliebig fabulieren, am Ende wirst du empirisch untersuchen müssen, wie viele Sätze Menschen nun pro Zeiteinheit sprechen ...

Ja, so ist es, es geht nur um die gesprochene Sprache. WhatsApp Schreiberei ist nicht geeignet, weil künstlich verkürzt, wegen des nervigen Tippen. WhatsApp Gesprochenes könnte eine Grundlage sein, über die man als Quellkorpus zu der Untersuchung nachdenken kann ...

cometes hat geschrieben:sehe ich jedenfalls keinen Grund, nicht einen Typ zu etablieren, der z.B. gleich alle Bewegungsarten von Ich-Sagenden auf ein bestimmtes Ziel hin einschließlich der Höllenfahrt erfasst,

Das hatten wir mit dem Butter-Gedanken schon angedacht, aber verworfen. Wir wollen nicht aktionale Gedanken zählen, sondern gesprochene Sprache.
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Re: Marcus03

Beitragvon cometes » Mo 26. Aug 2019, 20:53

Nach deinem Prinzip ja, nach meinem nicht! Ich mach ja die Untersuchung.


Du hast dich gar nicht mehr mit dem Rekursionsproblem beschäftigt, für das der Ausschluss von Namen keinen Unterschied macht (weil Rekursionsbildungen von Namen nicht abhängen).

Ist es nicht leichter, wenn ich 10 mal "Ich fahr nach Berlin" und 10 mal "ich fahr nach München" zu 20 mal "ich fahr nach X" zusammenfasse?




Unter Ausschluss von Namen im zweiten Fall, den ich zuvor gar nicht behandelt hatte, verstand ich Nichtberücksichtigung überhaupt, nicht Subsumption. Wie auch immer, die Widrigkeiten des Datensammelns scheinen mir bei deiner "Untersuchung", die vorerst nur Zahlenspielerei ist, noch die leichtere Aufgabe zu sein als sich aus dem kriteriologischen Chaos einer solchen Typologie zu befreien, deren Erkenntnisziel mir nach wie vor schleierhaft ist.

Wir wollen nicht aktionale Gedanken zählen, sondern gesprochene Sprache.


Wie willst du ohne semantische Bewertungen auskommen?
Zählt bei dir "Roland geht nach Paris", wenn es kontextuell einen Fußmarsch meint, zum Typ "Jochen geht nach London", wenn er dorthin zieht, um zu studieren, wie verhält es sich mit "Genosse Clauss geht nach Canossa", das ja nichts dergleichen meint? Sagen die dann alle in deiner speziellen Welt dasselbe?
Was ist mit Fällen, in denen "gehen" und "fahren" keinen Unterschied macht? Ist "Ich werde da sein" und "Ich bin da" ein Satztyp, wenn im zweiten Fall der futurische Aspekt des Präsens schlagend wird, sonst aber nicht? ...
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Re: Marcus03

Beitragvon sinemetu » Mo 26. Aug 2019, 21:44

cometes hat geschrieben:Du hast dich gar nicht mehr mit dem Rekursionsproblem beschäftigt, für das der Ausschluss von Namen keinen Unterschied macht (weil Rekursionsbildungen von Namen nicht abhängen).

Wir begrenzen Satzlänge.

cometes hat geschrieben:Wie auch immer, die Widrigkeiten des Datensammelns scheinen mir bei deiner "Untersuchung", die vorerst nur Zahlenspielerei ist, noch die leichtere Aufgabe zu sein als sich aus dem kriteriologischen Chaos einer solchen Typologie zu befreien, deren Erkenntnisziel mir nach wie vor schleierhaft ist.

Erkenntnisziel: Beantwortung der Frage, ob in der gesprochenen Sprache wirklich nur 5 % neue Sätze, die so noch nicht gebildet worden sind, vorkommen, oder mehr.
Dem kriteriologischen Chaos rücken wir evolutiv zu Leibe!

cometes hat geschrieben:Wie willst du ohne semantische Bewertungen auskommen?

Wir machen nicht "Lectio difficilior lectio probabilior, sondern lectio simplicilior est l. probabilior. Angenommen, wir habe eine riesige Chats-App Textbasis. Dann sage wir einfach, hier haben sich Leute unterhalten. Es hat alles seinen Sinn. Denn die Leute sagen sich keine Sinnlosigkeiten. Das mein ich jetzt nicht philosophisch. Philosophisch gesehen, reden sie 95 % Unsinn. Vllt gibt es gar keinen Sinn. Über dies Frage wollen wir uns jetzt jedoch nicht den Kopf zerbrechen.

cometes hat geschrieben:Zählt bei dir "Roland geht nach Paris", wenn es kontextuell einen Fußmarsch meint, zum Typ "Jochen geht nach London", wenn er dorthin zieht, um zu studieren, wie verhält es sich mit "Genosse Clauss geht nach Canossa", das ja nichts dergleichen meint? Sagen die dann alle in deiner speziellen Welt dasselbe?

Ja! Wir fragen jetzt nicht was "Der Mond ist aufgegangen" bedeuten kann. Es kann z.B. in einem Code bedeuten, morgen Abend machen wir den (Ein)Bruch! Wir arbeiten semantikfern, fragen nur Ist der Satz Gramm. korrekt und verstehbar!

cometes hat geschrieben:Was ist mit Fällen, in denen "gehen" und "fahren" keinen Unterschied macht? Ist "Ich werde da sein" und "Ich bin da" ein Satztyp, wenn im zweiten Fall der futurische Aspekt des Präsens schlagend wird, sonst aber nicht? ...

"Ich gehe nach London" und "Ich fahre nach London" sind zwei Sätze, dagegen sind "Ich gehe nach London." und "Ich gehe nach Paris." ein und derselbe Satz.

Noch was: Wenn "fast", also 99 %, jeder Satz anders wäre, wären die Möglichkeiten, Butter zu verlangen, längst aufgebraucht. Es gäbe also keine Möglichkeit mehr, Butter zu bekommen. D. h., praktisch gäbe es dann auch das Wort Butter nicht mehr. Außerdem verlangt obiges Postulat nach einem System, wonach die Menschen wüssten, welcher Satz schon weg ist, und welcher noch zu haben, denn es träte die Situation ein, wo, sagen wir 95 der möglichen sagbaren Sätze schon weg sind, und nur noch 5 % verfügbar. Da die Menge der sagbaren Buttersätze begrenzt, muß mit jeder Butter-Gebe-Situation automatisch die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung eines Satzes steigen.
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Re: Marcus03

Beitragvon Willimox » Di 27. Aug 2019, 21:49

Die Geduld mit Bouvard ist stupend und admirabel, o Cometes.

Aside:
Man bedenke auch, dass die ungarische Grossmutter Sinemetus davon spricht, er möge die Tür zumachen, da es warm ist. Entweder ist es draußen warm - sie mag keine Wärme. Oder drinnen - sie mag keinen Wärmeverlust.
Es gibt da noch neben anderen Möglichkeiten die Möglichkeit, dass die Großmutter draußen sitzt. Aber das ist nicht besonders plausibel. Plausibel ist: Die Großmutter (ung.: nagymama) erspart sich für situativ verschiedene Kontexte verschiedene Sätze.

Ein weiterer Beleg für die Falschheit der These des Fischertaschenbuchs aus dem Antiquariat in der Stadt mit dem Lidl und seinen Romatomaten und dem, der da furchtlos schreibt.

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Re: Marcus03

Beitragvon sinemetu » Di 27. Aug 2019, 22:42

Willimox hat geschrieben:Ein weiterer Beleg für die Falschheit der These des Buches

Es ist ja keine These, sondern eine Aussage, Billibaldus! Wollen wir diese beiden Formen der sprachlichen Kommunikation doch auseinanderhalten.
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Re: Marcus03

Beitragvon Willimox » Di 27. Aug 2019, 23:36

Nun, das ist deine These, Furchtferner.
Es knirscht mit seinen perligen Schneidezähnen in der Hoffnung auf keine Antwort.
;-)
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