J Schreibung im Ung.

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J Schreibung im Ung.

Beitragvon sinemetu » Sa 18. Jan 2020, 11:43

Im Ungarischen schreibt man die Lautverbindung dj gy. Das ist die den Westeuropäer fast einzige verwirrende Festlegung im ung. Alphabet. Auf die Frage, wie diese Festlegung entstanden ist, habe ich bisher keine Antwort.
Die Tatsache, daß das y als j gelesen werden kann, kennen wir Deutschen auch vom Englischen her, yes? Im Ungarischen tritt das y regelmäßig als j unmittelbar nach Konsonanten auf, in den Verbindungen ty und ly. Dj ist sehr häufig, wird aber eben gy und nicht dy geschrieben, obwohl alleinstehend, g, d, und j die Lautung wie im Deutschen haben.
Das hat einen Grund.

Nun kann man aber nicht vor jedem j im Ungarischen gleich ein d vermuten, denn es kommen auch andere Konsonanten in Frage.

Sehe ich mir folgendes an:
gyerek (Kind), gyere! (komm), welches hochungarisch djere, platt jere, gesprochen wird, dann muß jönni (inf. kommen) eventuell irgendwann mal *gyerni, illetve gyenni gewesen sein. (Kommen gehört in allen Sprachen zu den häufigen Verba, die meist unregelmäßig, weil am meisten abgeschliffen, jövök, jössz, jön ...) Daß das Kind als das Kommende gedeutet wird, ist mir so noch nicht untergekommen, liegt aber nahe. Kinder sind ja voller Vertrauen wie amerikanische Vögel, die den Menschen noch nicht als Gefahr erkannt haben.

Es könnte also die Reihe
*gyerni -> *gyenni -> *jenni -> jönni gegeben haben. Was in dieser Reihe diachron dargestellt, wird auch synchron verlaufen sein.

Warum lautet dann die 1. Ps. Sing. Präs. nicht *jök, sondern jövök.
Das wird in Anlehnung an andere einsilbige ung. Verba (Szövök) geschehen sein, unter Rücksichtnahme auf die im Ungarischen gewünschte Vokalwürzung.

Es ist schön, im Nachhinein die eigenen Ansichten unterstützt zu sehen...
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was die Eingangsfrage betrifft. Ich weiß nichts, nur eine Ahnung..
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Wenn wir uns die kursive ansehen, merken wir, daß das russische D wie unser kleines g geschrieben wird. Eventuell hängt damit die Tatsache zusammen, daß man in Hu das d vor j gy schreibt. Das ist aber nur eine Idee.
Ich hab was gefunden, werd es hier übersetzen, aber erst geh ich spazieren.
https://m.nyest.hu/hirek/a-gy-torteneterol
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Re: J Schreibung im Ung.

Beitragvon sinemetu » Sa 18. Jan 2020, 16:03

Hier die von mir ergänzte Übertragung: Über die Geschichte des gy im Ungarischen

Zur Geschichte des ungarischen Graphems gy sind zwei wichtige Dinge festzuhalten. Das eine ist, daß die heutige Aussprache höchstwahrscheinlich eine späte, aber schon vor der türk. Eroberung anzusetzende ist. Nach der Theorie war es zwischen [ʒ] und [d͡ʒ]. Man kann dies daraus folgern, daß diejenigen türkischen Lehnworte, welche die ungarische Sprache in einer frühen Zeit übernommen hat, und in welchen man das [d͡ʒ] oder [ʒ] sprach, mit gy übernommen hat, oder eben mit diesem Laut, den wir heute mit gy aussprechen. Heute gyár <- gyárt (Fabrik) <- tr. dzsarat (nicht gefunden im türk! nachfragen)
(Dies bedeutete, daß der Laut am Ort erstarrt verblieben wäre - nicht unmöglich)

Später übernahm man diesen Laut zwischen [ʒ] und [d͡ʒ], der z. B. in zseb (Tasche) erhalten ist, und schrieb ihn zs. Daraus kann man folgern, das die Aussprache des gy in der Zeit schon nicht mehr so sehr der des [d͡ʒ] ähnelte, daß man also unterschied, bzw. daß man mit dem Laut, den wir heute gy schreiben, das türk. [d͡ʒ] ersetzte, und wir beide heute als ein weniger oder mehr palatalisiertes dj aussprechen. Im Ungarischen begann der d͡ʒ-Laut selber spät, erst zur Zeit der türk. Besatzung heimisch zu werden. Zu dieser Zeit notierte man die türk. Wörter schon mit dzs im Ungarischen und behielt auch die Lautung bei, z.B. findzsa (Porzellantasse -> arab.) , aber auch ital. Lancia, ung. landzsa (Lanze)

Von hier aus ist der Zweite Teil der Geschichte zu verstehen. Diesen bestimmten Laut [d͡ʒ] begann man unter Einfluß des Italienischen gy zu schreiben. Warum? (Die Türken schrieben zu dieser Zeit noch mit dem aus dem arabisch herübergekommenen alttürkischen Alphabet)
Wir wissen, daß man in gewissen italienischen Dialekten die Laute aus der [ʒ]-[d͡ʒ] Lautgruppe mit einem g schreibt, dem ein i oder e folgt, z. B. Giro, giorno, gigolo, Giacomo etc. Diese Lautung brachte im Italienischen die Palatisation zustande.
giro -> gyrus
giorno -> diuturnus
An diesen Gleichungen sehen wir, daß [d͡ʒ]-Laut auf ein g oder ein d zurückgeführt werden kann. Das ung. gy ist also kein d, wo die Zungenspitze an den Schneidezähnen, und kein g, wo die Zungenwurzel am hinteren Gaumen, sondern genau in der Mitte: Der Zungenrücken liegt am Gaumendach.
Eine nicht unwichtige Rolle spielte die Tatsache, daß das Ungarische Worte aus der lat. Bibel schon volgare (10. - 11. Jahrh.) übernahm, so. z.B. gyehenna -> gehenna (Hölle), gyömber -> gingiber (Ingwer).
Nach anderen Autoren erfolgte die Palatalisation erst im Ungarischen. Wie auch immer es gewesen ist: Die Wissenschaftler haben Kenntnis davon, daß ein möglicher Ursprung der dzs-artigen und gy-artigen Laute im Ungarischen dieselben Laute erzeugte, welche die Palatalisation des lat. g-Lautes in Italien erzeugte. Dementsprechend finden wir in den Quellen Varianten wie geomber, gember, gÿmber und gyömber. Dies auch deswegen, weil sich eine allgemeinverbindliche Schreibweise erst spät durchsetzte.


Ich hab noch nicht alles abgeprüft, stelle aber schon mal provisorisch hoch. Es ist wenig sinnvoll, den Text zu übersetzen, weil ihn nur jemand verstehen würde, der Ungarisch kann, wegen der Lautbezeichnungen. Deswegen habe ich eine paraphrasierende Übertragung vorgezogen.
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