Compiler

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Re: Compiler

Beitragvon Tiberis » Mi 18. Mär 2020, 23:02

medicus hat geschrieben:Bei Georges find ich dies und bin verwirrt.

kein Wunder. pilus (Haar) hat kurzes i (im Ggs. zu pilus=Pfeiler); aber compilare (enthaaren ?) langes. Irgendwas stimmt da nicht. Werde der Sache noch später nachgehen, jetzt hab ich keine Zeit.
:-o
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Re: Compiler

Beitragvon Tiberis » Do 19. Mär 2020, 01:43

Verwirrung, Teil 2:

Fest steht bisher nur, dass das i in pilus (Haar) kurz ist. Nun wäre anzunehmen, dass dieses i auch in den von pilus abgeleiteten Verben kurz ist. Seltsamerweise liest man aber in diversen Wörterbüchern (z.B. Klotz , Georges, Pons - beim Forcellini kann man sich auf Quantitätsangaben ohnehin nicht verlassen -) folgendes:
pilare (kurzes i): enthaaren; plündern, berauben
depilare (kurz) : enthaaren
; dazu das Adj. dépilis
compilare (1) (langes i): ausplündern,ausbeuten, zusammenraffen (von daher > Kompilation!)
compilare (2) (ebenfalls langes i) durchprügeln (>pilum!)
Die Bedeutung "enthaaren" findet sich, auf (1) bezogen, ausschließlich bei Georges, der dazu den spätlat. Autor Nonius Marcellus zitiert.
Forcellini hingegen leitet compilare (2) von pilus (Haar) ab, und zwar unter Bezug auf Apul.Met.7,18, wo der Esel von seinem Treiber durchgeprügelt wird, und erklärt compilare (2) so: ita fuste caedere et convellere, ut ne pilus quidem in toto corpore relinquatur. Ob diese Erklärung stichhaltig ist, sei dahingestellt. Wenn ja, muss das i natürlich lang sein. Das Quantitätszeichen ist in der Online-Version leider nicht eindeutig lesbar.
Die Frage ist, ob wir jetzt schlauer sind...
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Re: Compiler

Beitragvon sinemetu » Do 19. Mär 2020, 05:50

Liebor Tibor,

mir ist nicht ganz verständlich, warum die so an den Längen hängst. Längen sind schon Bedeutungsunterscheidend, ja wir beobachten oft, wie die Vokallänge zur Bedeutungsunterscheidung eingesetzt wird. Ich erinner nur an die beiden Worte im Deutschen, Tenor und Hochzeit, wo die Bedeutung des Wortes mit der unterschiedlichen Länge des 1. Vokales bestimmt wird, oder etwa an Beet und Bett, die durchaus homoiorhiz sind, wo diese Unterscheidung schon orthografisch fixiert ist. Ich könnte jetzt auch noch ung. örül und őrül anfügen, wo die Bedeutungen auch so dicht beieinander stehen. In einer Sprache passiert so viel, auch Vokallängen ändern sich.

Ich kann mir eine Grundbedeutung von *p-vokal-l aus "Längliches" durchaus vorstellen, denn Haar und Pfeil, Lanze sind vor allem lang. Daher mag die Länge ursprünglicher sein. Parallel dazu stelle Dir die Form von Blumen - Strauss und Strauch vor, eine formbedingte Assimilation, die sich parallel auch in den heterorhizen und. Formen Csokor und Bokor wiederfindet. Wir hatten das Thema auch bei Elch und Kelch.

Es mag aber auch ein Einfluss der Wurzel von gr. βαλλο vorliegen, ich denke hier nicht nur an obeliskos, sondern auch an gr. βελóνα (Nadel), die ja auch lang ist. Ich dt. Pillle könnte hierher gehören -> DWDS
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Re: Compiler

Beitragvon Tiberis » Do 19. Mär 2020, 13:34

sinemetu hat geschrieben:mir ist nicht ganz verständlich, warum die so an den Längen hängst

weil gerade im Lateinischen die Quantitäten enorm wichtig sind, wie du vermutlich weißt. Als jemand, der (im Gegensatz zu mir :sad: ) des Ungarischen mächtig ist, sollten dir Bedeutungsunterschiede aufgrund unterschiedlicher Quantitäten ja nicht allzu fremd sein, vgl. kérek, kerek, kerék, meg - még usw.
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Re: Compiler

Beitragvon sinemetu » Do 19. Mär 2020, 13:50

Tiberis hat geschrieben:
sinemetu hat geschrieben:mir ist nicht ganz verständlich, warum die so an den Längen hängst

weil gerade im Lateinischen die Quantitäten enorm wichtig sind, wie du vermutlich weißt. Als jemand, der (im Gegensatz zu mir :sad: ) des Ungarischen mächtig ist, sollten dir Bedeutungsunterschiede aufgrund unterschiedlicher Quantitäten ja nicht allzu fremd sein, vgl. kérek, kerek, kerék, meg - még usw.

Mir ist eben gerade von dorther aufgegangen, wie sehr die Sprache Längenunterschiede zur Wortbildung benutzt. Die Wort kerék (Rad) und kerek (rund) sind aufgrund der Bedeutungen offensichtlich homoiorhiz.
kérek (ich bitte) dagegen ein anderer Stamm, den ich noch zu keres (er sucht) und kérés (die Bitte) stellen würde, aber nicht mehr zu dem Erstgenannten, denn ich sehe keine Bezogenheit.
Im Unterschied zu den beiden Formen im lat. von Pil, die ich mir zusammendenken kann, kann ich dies bei den beiden ung. Stämmen nicht.

Ich denke aber, daß grundsätzlich auch im Lateinischen und Indoeuropäischen die Vokallänge zur Wortbildung, bzw. Bedeutungsabspaltung benutzt wird und das man aus rhizologischer Sicht durchaus manche Stämme zusammenlegen kann, die der Lateinlehrer aus lexikalischen Gründen einfach getrennt lassen möchte, wie es im Walde oft geschieht.
Zuletzt geändert von sinemetu am Sa 21. Mär 2020, 07:45, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Compiler

Beitragvon medicus » Do 19. Mär 2020, 14:10

sinemetu hat geschrieben: wie es im Walde oft geschieht

Beim Lesen dieser Zeile fällt mir ein Satz aus meiner Schulzeit ein:
Und er hieß Waldemar,
weil es im Wald geschah.

:lol:
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Re: Compiler

Beitragvon Zythophilus » Fr 20. Mär 2020, 09:22

Georges sieht compilare als Kompositum von pilare, das offensichtlich von pilus hergeleitet wird; inkonsequenterweise hat compilare aber anders als das angebliche Simplex dazu ein langes i.
Horaz bietet mit
Sat. 1, 1, 12 hat geschrieben:ne me Crispini scrinia lippi compilasse putes
ein eindeutiges Zeugnis für die Länge der Silbe. Gehen hier zwei gleich geschriebene Verben durcheinander?
Zuletzt geändert von Zythophilus am So 22. Mär 2020, 11:28, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Compiler

Beitragvon Zythophilus » Fr 20. Mär 2020, 09:34

Ein Beleg für compilare in seiner angeblichen Grundbedeutung in einem metrischen Text wäre schon, aber weder in der Ars noch in De medicamine faciei, wo ich es am ehestens erwartet hätte, wird das Verb verwendet.
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Re: Compiler

Beitragvon Zythophilus » Fr 20. Mär 2020, 10:26

Gehört diese tatsächlich unter die "sonstigen Diskussionen"? Das Thema hat doch mehr als nur am Rande mit Latein zu tun?
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Re: Compiler

Beitragvon sinemetu » Fr 20. Mär 2020, 22:32

@Tiberis

die herkömmliche Bedeutung, d. h. die bei Kunkel überlieferte, ist mir schon bewußt gewesen. Ích bezweifle sie aber.
Ich denke, daß die Kompilatoren den zweiten Sinn des Wortes, nämlich "Plünderer" ironisch nahmen, ursprünglich aber wegen der Pfeile zu den Zitaten so genannt wurden. Es wäre wirklich merkwürdig, wenn die erste Bedeutung eine ironische wäre. Das sich in einem Worte zwei Wurzeln mit zwei Bedeutungen zusammenfinden und kontaminieren, ist an sich nicht so selten. Stichwort: Heterorhizität
Zuletzt geändert von sinemetu am Sa 21. Mär 2020, 07:46, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Compiler

Beitragvon medicus » Fr 20. Mär 2020, 22:47

sinemetu hat geschrieben: Stichwort: Heterorhizität

Google findet das Wort nur in diesem Forum :roll:
https://www.google.de/search?source=hp& ... 4737032883
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Re: Compiler

Beitragvon sinemetu » Sa 21. Mär 2020, 07:42

medicus hat geschrieben:
sinemetu hat geschrieben: Stichwort: Heterorhizität

Google findet das Wort nur in diesem Forum :roll:
https://www.google.de/search?source=hp& ... 4737032883

... es gibt kein besseres!
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Re: Compiler

Beitragvon Zythophilus » Sa 21. Mär 2020, 20:55

Die Verwendung scrinia compilare, wie sie im o.g. Horaz-Text vorkommt, scheint mir gewissermaßen prototypisch. Ein "Plündern" ist es nur bedingt, denn der Kompilator sammelt und stellt zusammen. Eine andere Horazstelle passt sehr gut dazu, weil es auch einen Zusammenhang mit Literatur geht, und legt für mich die Herleitung von pila nahe: Horaz schreibt in den Satiren
c. I,4,71 hat geschrieben:nulla taberna meos habeat neque pila libellos

Buchhändler befestigten die vorhandenen Bücher oder zumindest die Titel an einem Pfeiler, also auch eine compilatio, wobei aus der Bedeutung "(Bücher) sammeln und am Pfeiler befestigen" die Bedeutung "Bücher bzw. Stellen aus Büchern sammeln" geworden wäre.
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Re: Compiler

Beitragvon sinemetu » Sa 21. Mär 2020, 21:32

Danke, Zythophilus. Plündern gliche einem wahllosen Zusammenstellen, compilare ist eben nicht ein wahlloses, sondern ein geordnetes Zusammenstellen. Insofern ist Deine Deutung für mich probabilior.

Ich weiß nicht, wo ich das her habe, aber im Hinterkopf bei mir steht, das Asteriskus und Obeliscos schon in der Antike benutzt wurden. Weiß jemand wo, und gab es dazu schon Regeln oder Konventionen. Wer berichtet darüber? Ich möchte das wissen, um eventuell meine These mit der Compilation ad absurdum zu führen....
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Re: Compiler

Beitragvon marcus03 » So 22. Mär 2020, 08:26

sinemetu hat geschrieben:Ich weiß nicht, wo ich das her habe, aber im Hinterkopf bei mir steht, das Asteriskus und Obeliscos schon in der Antike benutzt wurden.

https://de.qwe.wiki/wiki/Asterisk
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