Rat und Raten

Beiträge zu Themen, die in keine andere Kategorie passen

Moderatoren: Zythophilus, marcus03, Tiberis, ille ego qui, consus, e-latein: Team

Rat und Raten

Beitragvon sinemetu » Fr 18. Sep 2020, 08:59

Merkwürdig, wie es zu der Bedeutungsumkehr kam. Der Rat ist ein vorweggenommene Entscheidung, an die man sich halten solle, weil sie einen ereilt, und man mangels eigener Einsicht in die Sache von guten Motiven des Beraters ausgeht. Mit dem Rat ist vor allem Sicherheit und Wissen verbunden, denn er wird befolgt. Das ist eine richtige fester Verbindung. Darüberhinaus hat raten ja die Bedeutung des Nicht-Wissens. Rätsel raten ist eine Figura etymologika. Liegt hier auch Enantinomie vor? Eine Sache und ihr Gegenteil in einem Wort, ähnlich zu alle und alle, Fenster und finster.
Quaestor sum, quaerere quaerique possum ...
sinemetu
Senator
 
Beiträge: 4476
Registriert: Mo 2. Apr 2012, 18:02

Re: Rat und Raten

Beitragvon marcus03 » Fr 18. Sep 2020, 09:32

raten Vb. ‘jmdn. beraten, jmdm. etw. empfehlen, das Richtige durch Überlegen herauszufinden suchen’. Das gemeingerm., ehemals reduplizierende Verb ahd. rātan ‘(be)raten, überlegen, beistehen’ (um 800), mhd. rāten, asächs. rādan, mnd. mnl. rāden, nl. raden, afries. rēda, aengl. rǣdan, auch ‘lesen’, engl. to read ‘lesen’, anord. rāða, schwed. råda ‘raten’, got. garēdan ‘Vorsorge treffen’, urrēdan ‘urteilen, bestimmen’ (germ. *rēdan) gehört mit (ablautend) got. rōdjan, anord. rœða ‘reden’ (germ. *rōdjan) und den außergerm. Verwandten aind. rādhnṓti ‘bringt zustande, macht zurecht, bereitet, stellt zufrieden, erlangt’, rā́dhyatē ‘kommt zustande, fügt sich’, air. immrādim ‘überlege, überdenke’, akymr. amraud ‘Sinn’, aslaw. raditi ‘Sorge tragen für, sich kümmern um’, russ. (älter) radét’ (радеть) ‘für jmdn. sorgen, jmdn. unterstützen’ zu einer dh-Erweiterung von ie. *rē-, einer Form der Wurzel ie. *ar(ə)- ‘zusammenfügen, passen’ (wozu auch ↗Arm, s. d.). raten bedeutet ursprünglich ‘überlegen, (aus)sinnen’, dann ‘Vorsorge treffen, für etw. sorgen’, weiter ‘vorschlagen, empfehlen’, schließlich ‘deuten, erraten’ (vgl. aengl. rǣdan ‘raten, lesen’, eigentlich ‘Runen deuten’).

Das TC ist wohl (NACH)DENKEN. Auch wenn man rät, überlegt man irgendwie.

Wieviel Einwohner hat die BRD? Keiner würde sagen: 1 Milliarde oder 100 000.
Beim Raten ist immer schätzendes Denken im Spiel, das auf mehr oder wenigen rationalen
Überlegungen beruht. Blindes Raten gibt es nur, wenn man die Materie nicht kennt.
Ein vernünftiger Mensch rät dann aber auch nicht - auch um sich nicht zu blamieren.
marcus03
Pater patriae
 
Beiträge: 11474
Registriert: Mi 30. Mai 2012, 06:57


Zurück zu Sonstige Diskussionen



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 28 Gäste