Ovids Specht

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Ovids Specht

Beitragvon Zythophilus » Sa 5. Dez 2020, 14:33

In den Metamorphosen finden wir die Geschichte von Picus; dass er in einen Specht verwandelt wird, ist offenkundig, aber in welche Art? Die Farben, die Ovid erwähnt
Met. XIV 393ss. hat geschrieben:purpureum chlamydis pennae traxere colorem;
fibula quod fuerat vestemque momorderat aurum,
pluma fit, et fulvo cervix praecingitur auro,
passen nicht zum Buntspecht, dessen Federkleid auch viel Weiß und Schwarz enthält. Irgendwo habe ich gelesen, es sei der Grünspecht, doch da müsste man das Gold aus den Versen mit dem gelblichen Grün, nach dem dieser Vogel heißt, identifizieren. Gibt's genauere Erklärungen?
Danke für eure Mühe.
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Re: Ovids Specht

Beitragvon marcus03 » Sa 5. Dez 2020, 14:57

Vlt. ist diese Bedeutung gemeint:
B) hellglänzend, schön, olores, Hor.: lux, Ov.: lumen, Verg.: Amor, Ov.: ver, Verg.

His wings took the colour of his bright red mantle, and what had been a brooch of gold stuck through his robe was changed to feathers, and his neck was circled with a golden-yellow band; and naught of his former self remained to Picus except his name.
(loebclassics)

https://books.google.de/books?id=jklhAA ... nae&source
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Re: Ovids Specht

Beitragvon Zythophilus » Sa 5. Dez 2020, 23:59

Wenn die Übersetzung nicht in einer Art metaphorisch ist und "wing" für Feder verwendet wird, ist sie falsch. Ovid hatte keinen Phantasiespecht vor Augen. Durch Zufall bin ich auf ein Bild eine Spechts mit roten Flügeln gestoßen, der allerdings in Sri Lanka heimisch ist https://media-cdn.tripadvisor.com/media ... e-tuin.jpg und somit für unseren Dichter, der doch ein seinen Lesern bekanntes Tier beschrieb, nicht in Frage kommt. Der Ovid-Specht scheint der Grünspecht zu sein, auch wenn Ovid das relativ markante Grün nicht erwähnt: Dass die Art erst in den letzten 2000 Jahren ergrünt ist, nehme ich nicht an.http://www.altovastese.it/fauna-2/il-pi ... ri-boschi/
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Re: Ovids Specht

Beitragvon medicus » So 6. Dez 2020, 07:49

Zythophilus hat geschrieben:. Der Ovid-Specht scheint der Grünspecht zu sein


Kupferstich von Stöber. Picus wird in einen Grünspecht verwandelt.

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Re: Ovids Specht

Beitragvon iurisconsultus » So 6. Dez 2020, 16:30

Die Beschreibung könnte auf einen Buntspecht hindeuten, weil dieser, soweit ich das laienhaft beurteilen kann, von allen Spechtarten am meisten Rot im Gefieder zeigt, aber wohl noch mehr auf einen Phönix (Plin. nat. X, 3 [aurifulgore circa colla, cetero purpureus, caeruleam roseis caudam pinnis distinguentibus, eqs.]). :D

Die Sache lässt sich wohl nicht klären. Letztlich aber glaube ich an einen Phantasie-Specht, wie ja auch die Gestalt des Königs „Picus“ eine Phantasie-Gestalt ist.
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Re: Ovids Specht

Beitragvon Zythophilus » So 6. Dez 2020, 17:51

Im Italienischen heißt der Buntspecht (konkret die Buntspechte, denn es gibt mit einem großen, mittleren und kleinen drei Arten) tatsächlich "Picchio Rosso", doch ist der Rotanteil am Gefieder nicht groß. Am Kopf kann man das nur mit sehr viel gutem Willen als Rest der chlamys deuten; auch beim Grünspecht ist das nur mit viel Bemühen als "Mantel" verstehen, eher als Mütze. Einen gelben Anteil gibt es beim Buntspecht jedenfalls nicht, während der Grünspecht den sehr wohl besitzt; stutzig macht mich freilich noch immer, wieso der Dichter die markanten grünen Federn ignoriert.
Andererseits ist das so typische Spechtverhalten, das Klopfen auf Holz, beim Grünspecht gar nicht so ausgeprägt.
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Re: Ovids Specht

Beitragvon iurisconsultus » So 6. Dez 2020, 18:18

Zythophilus hat geschrieben:stutzig macht mich freilich noch immer, wieso der Dichter die markanten grünen Federn ignoriert.

Ich denke eben, weil Ovid keinen bestimmten Specht vor Augen hatte, einfach zu wenig Ornithologe war oder es ihm mehr um das Poetische als um das Zoologische ging. Letztlich aber wird der Fall eine Glaubensfrage bleiben (müssen.
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Re: Ovids Specht

Beitragvon Zythophilus » So 6. Dez 2020, 23:38

Ornithologe war er natürlich nicht, aber die Spechte Altitaliens muss Ovid aus eigener Erfahrung gekannt haben. Dass er wohl nicht zwischen den teilweise sehr ähnlichen Buntspechtarten und dem Weißrückenspecht unterschied, ist anzunehmen, aber Grünspecht und Buntspecht sehen einander so wenig ähnlich, dass man sie kaum zu einer einzigen Art rechnen kann.
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Re: Ovids Specht

Beitragvon cometes » Mo 7. Dez 2020, 19:35

Die Frage wird in folgendem kleinen Aufsatz von Theodora Stillwell Mackay behandelt: Three Poets Observe Picus. The American Journal of Philology, vol. 96, no. 3, 1975, pp. 272–275. Frei zugänglich nach Registrierung via http://www.jstor.org/stable/293840

Mackay diskutiert für Ovid angesichts der auf keine Spechtart genau zutreffenden Beschreibung eine ornithologische Verwechslung mit Merops apiaster, fälschlich auch Bienenspecht, und eine Identifikation mit phantastischem Federvieh (Phoenix, Greif), deren Motiv im Kontext aber fragwürdig bleibt. Fazit: The questions why and how he made his mistake remain.

Da der Verwandelte recht jung war (nec adhuc spectasse per annos quinquennem poterat Graia quater Elide pugnam) könnte man der Überlegung nachgehen, ob Ovids Beobachtungen sich vielleicht auf einen Jungvogel beziehen, dessen Zeichnung mitunter von der erwachsener Exemplare abweicht.
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Re: Ovids Specht

Beitragvon Zythophilus » Mo 7. Dez 2020, 22:54

Wenn Ovid den Bienenfresser vor Augen hatte, was mir schon ein wenig plausibel vorkommt, dann muss er diesem Vogel irrtümlich ein spechtartiges Verhalten zugeordnet haben, das der Bienenfresser, selbst wenn man ihn für einen Specht hält, nicht an den Tag legt. Die Motivation für eine aitiologische Sage ist ja eine Erklärung für etwas zu liefern, das man kennt. Ein Fabelwesen namens "Picus" kommt mir unlogisch vor.
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