gerissen

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gerissen

Beitragvon sinemetu » Mi 20. Jan 2021, 10:48

In diesem Video spricht der Sprecher über die Füchse und nennt sie "enorm gerissene Tiere" bei Min. 0:42.
https://www.youtube.com/watch?v=jbeuDQ19Ryo

Bei einem gerissenen Tier denkt man normalerweise an das Opfer eines Raubtieres. Gerissen hat aber auch die Bedeutung, schlau, ausgekocht, sehr listig, die hier zur Debatte steht.
Was hat das mit Reissen von Papier reißen zu tun?

DWDS schreibt:
gerissen Part.adj. ‘schlau, durchtrieben, den eigenen Vorteil geschickt wahrnehmend’ wird in der 1. Hälfte des 19. Jhs. als Verstärkung von ↗gerieben (s. d.) gebräuchlich. Es entspricht seiner Form nach dem Part. Prät. von ↗reißen (s. d.), läßt sich aber an keine der Bedeutungen dieses Verbs sicher anschließen. Die Annahme einer (durch Semantik und Lautgestalt des Verbalstamms begünstigten) affektischen Analogiebildung zu synonymen Ausdrücken wie abgebrüht, abgefeimt, ausgekocht, gerieben, gewichst, gewieft, verschmitzt oder (öst.) gehaut liegt daher nahe. Gerissenheit f. ‘Schlauheit, Geschäftstüchtigkeit’ (2. Hälfte 19. Jh.).


Was soll affektische Analogiebildung sein? Jeder dieser eben genannten, zu gerissen synonymen Begriffe hat seinen konkreten Sitz im Leben, von wo er dann übertragen worden ist. Eine affektische Analogiebildung läge dann vor, wenn es zu gerissen diesen Sitz im Leben nicht gäbe. Ich denke schon, daß es das Phänomen affektische Analogiebildung gibt, wie etwa in zahlreichen Geminationen. Allerdings dünkt mich, daß hier keine vorliegt. Ich habe zwei Argumente.
1. Für eine Analogiebildung ist gerissen lautlich zu weit von den hier vorgestellten Vorbildern entfernt. Wenn ein klanglich so gestaltetes Wort wie Gewissen oder verpissen zum Ausgangspunkt einer Analogiebildung zur Verfügung gestanden hätte, wäre die Sache zu überlegen. Dem ist aber nicht so.
2. Es gibt den Sitz im Leben, wo gerissen herstammt. Solange es Menschen gibt, halten sie andere Menschen oder Tiere gefangen. Manchmal reißen diese aus. Sie sind also schlau, und machen von ihrem Naturrecht Gebrauch. Sie sind dann gerissen. Ein zum wiederholten Male thingfest gemachter Übeltäter, ist also eine gerissene Person. Mich dünkt, es liegt eine Übertragung von weglaufen (aus)gerissen auf schlau sein (gerissen) vor.
Quaestor sum, quaerere quaerique possum ...
sinemetu
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Re: gerissen

Beitragvon medicus » Mi 20. Jan 2021, 11:11

Im Herkunftswörterbuch des Duden finde ich:
Der Ausdruck stammt vielleicht aus der Jägersprache und bezog sich auf ein Tier, das oft angefallen und "gerissen" wurde, aber immer wieder entkommen konnte.
:book:
medicus
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