Kotthoff, Helga; Nübling, Damaris:
Genderlinguistik. Eine Einführung in Sprache, Gespräch und Geschlecht.
Tübingen:Narr Francke Attempto Verlag 2019
zum Unterstrich bringt eine Darstellung/Skizze des Problem-Feldes, dann eine recht explizite Kritik ohne Demütigungsgestik.
Zur eher hoffnungsvollen Rezeption - so scheint mir - führt das Fazit der zwei Autorinnen. Immerhin von einem Buch, das in die Genderforschung einführt und Grundlage von Seminaren ist. Ein sehr gutes Buch für diese Zwecke. Ich rücke dieses kritische Fazit hier noch einmal ein: Unijargon, aber akzeptabel scheint mir.
Dieser Diskurs zeichnet sich durch ein hohes Maß an Polarisierung und Unterstellungen gegenüber Andersdenkenden aus. So zitiert die AG Feministisch Sprachhandeln (2014/ 15): „Die anmaßende Idee, alle könnten einem, und nur einem Geschlecht zugeteilt werden, ist an Irrsinn nicht zu überbieten! Die Annahme, es gäbe nur zwei Geschlechter, ist absurd und aberwitzig zugleich“ (53).
Ängsal (2011) und andere geben zu bedenken, dass nicht viele Menschen diesen ideologisch-akademischen Diskurs nachvollziehen können, somit die Schreibbesonderheiten nicht zu deuten geschweige denn selbst zu praktizieren wüssten. Sie schließen die meisten aus und führen „eher zu Unverständlichkeit und Leseverdruss“ (Pusch 2014, 62).
Kotthoff (2017b) geht noch einen Schritt weiter, indem sie darin primär die Herstellung von Gruppenzugehörigkeit sieht, diese Schreibpraxen seien „Gruppenindexe“: Ein UnterstrichUnterstrich stellt keine Referenz her, wohl aber einen Bezug zum Wissen einer Diskursgemeinschaft, die sich mit Heteronormativität kritisch auseinandersetzt. […] Der Sinn liegt in einer Identitätspolitik der Schreibenden selbst (91). Textpraktiken verweisen auf ihre Produzent( inn) en und inszenieren deren Identitäten und Zugehörigkeiten (104).
Valete
p.s.
Für Interessierte: Angenehm unaufgeregt ist dieser Aufsatz von Gisela Zifonun zum Gendern-Phänomen. Er scheint in den einschlägigen Seminaren recht bekannt zu sein. Das zeigt ein kurzer Blick in Vorlesungsverzeichnisse des Jahres 2020.
Selbst wenn es jemals eine Empfehlung für den Gebrauch dieser Konstrukte durch
den Rat für Rechtschreibung geben sollte, so wird sich diese nur an diejenigen richten, die gendern wollen.
Eine Pflicht zur „Unterwerfung“ wird es nicht geben.
Auch dies ist eine demokratische Selbstverständlichkeit. Aufgeregtes Gerede von Sprachzensur und Manipulation ist fehl am Platze. Das gilt jedenfalls aus meiner eher kontemplativen Perspektive einer Person im beruflichen Ruhestand. Allerdings werden hier, soscheint es, gerade im universitären Milieu, Kämpfe unterschiedlicher Fraktionen der Bildungseliten auf z. T. auch undemokratische Weise ausgetragen. Da geht es nicht in erster Linie um die Sache, sondern umdas Ringen um (Deutungs-)Macht. Dabei ist die großeMehrheit von Menschen nicht im Blick, für die lebensweltlich andere Fragen drängender sind als die nach‚sprachlicher Gewalt‘ oder ‚Geschlechterkonstruktion‘oder auch die nach der ,Bewahrung der deutschenSprache‘.
https://ids-pub.bsz-bw.de/frontdoor/del ... t_2018.pdf
(aufschlussreich S. 50-54)
p.p.s.
kleiner Test zum Sexismus-Gender-Phänomen in Jokes - weit weg von Binnen-Is und ähnlichem:
Sie war bei der neuen Gynäkologin und schwärmt ihrem Ehemann vor:
„Das ist eine sehr patente und sympathische Frau. Sie hat mir gesagt, ich hätte ja eine Haut wie eine Dreißigjährige.“
Er daraufhin: „Und was hat sie über Deinen fünfzigjährigen Arsch gesagt?“
Sie: „Ach. Über Dich haben wir gar nicht gesprochen.“
Der Mensch denkt, die Menschin (Gott) lenkt.
Gibt es beim Hören dieser Witze markant unterschiedliche Wirkungsintensität je nach Geschlecht, Bildungsgrad . ..?
Was ist halbwegs plausibel?