Genera

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Beitragvon Odinus Thorus » Di 30. Mär 2021, 21:14

Die Zuordnung der sprachlichen Genera zu den sexuellen Geschlechtern ist eine Erfindung von Lehrern der Neuzeit, um den Kindern das Erlernen zu erleichtern. Das als maskulinum und femininum zu bezeichnen war nur eine Lerneselsbrücke, aber entspricht nicht der Sprache.


Können die Lateinlehrer unter Euch das bestätigen?
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Re: Genera

Beitragvon marcus03 » Mi 31. Mär 2021, 06:29

Wissenswertes zum Genus findest du hier, darunter auch Historisches:
https://de.wikipedia.org/wiki/Genus
https://www.grin.com/document/274061
https://www.geschichtsforum.de/thema/wa ... nus.53862/

aber entspricht nicht der Sprache.

Du solltest besser sagen: dem Wesen der Begriffe

Die Frage ist: Gäbe es auch eine treffendere Klassifizierung? Anscheinend nicht.
Hier scheint der menschl. Klassifizierungsdrang an Grenzen zu geraten.
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Re: Genera

Beitragvon Odinus Thorus » Mi 31. Mär 2021, 09:13

Die oben dargestellet Ansicht, daß die zuordnung von Sexus zu genus eine "Erfindung der Neuzeit" sei, ist also klar widerlegt:

Einerseits wurde behauptet, dass der Sexusunterschied die primäre Ursache der Genus- Differenzierung sei, also dass das Genus-System dank der schon vorhandenen Sexus- Unterscheidung entstand. Durch Personifizierung waren alle Nomen weiblich oder männlich, das Genus-System entstand erst später, auf das Sexus-System bezogen. Als Urvater dieser Theorie gilt Protagoras; er soll wohl als erster die Kategorien maskulin, feminin und unbelebt als „Kennzeichnungen für Substantive verwendet und Genus mit Sexus gleichgesetzt haben“.3

3 Leiss, E.: Genus und Sexus. Kritische Anmerkungen zur Sexualisierung von Grammatik. In: Sprache - Genus/Sexus. Hrsg. von Heinz Sieburg. Frankfurt/Main u. a., Lang 1997, S. 339.


Die 2. Quelle von Dir.
Allerdings: da steht:
Als Urvater dieser Theorie gilt Protagoras; er soll

Vermutlich stammt dieses Wissen also aus dem plat. Dialog "Protagoras", da derselbe ja keine Schriften hinterlassen hat.

Alledings, ich hab mal im Georges die Bedeutungen von Genus durchgelesen. Unter II b findet sich: t. t. genus masculinum Paul. ex Fest.
Ich vermute damit ist Paulus Diaconus gemeint - ergo Karolingische Renaissance. Nunja, zwischen Protagoras und Paul. Diac. liegen etwas über anderthalb tausend Jahre. Eine Aussage zur spätrepublikanischen / augustäischen Zeit wäre schon sinnvoll.
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Re: Genera

Beitragvon marcus03 » Mi 31. Mär 2021, 11:52

Odinus Thorus hat geschrieben:Ich vermute damit ist Paulus Diaconus gemeint -

Dazu finde ich:
8th C. C.E., Paulus Diaconus (author), Karl Otfried Müller (editor), Excerpta ex libris Pompeii Festi De significatione verborum (1839),
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Re: Genera

Beitragvon Odinus Thorus » Mi 31. Mär 2021, 14:23

marcus03 hat geschrieben:
Odinus Thorus hat geschrieben:Ich vermute damit ist Paulus Diaconus gemeint -

Dazu finde ich:
8th C. C.E., Paulus Diaconus (author), Karl Otfried Müller (editor), Excerpta ex libris Pompeii Festi De significatione verborum (1839),

Die Antwort passt nicht auf die gestellte Frage:

"Eine Aussage zur spätrepublikanischen / augustäischen Zeit wäre schon sinnvoll."
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Re: Genera

Beitragvon marcus03 » Mi 31. Mär 2021, 17:10

Odinus Thorus hat geschrieben:Die Antwort passt nicht auf die gestellte Frage:

Meine Antwort bezieht sich hierauf:
Odinus Thorus hat geschrieben: genus masculinum Paul. ex Fest.
Ich vermute damit ist Paulus Diaconus gemeint -
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Re: Genera

Beitragvon medicus » Mi 31. Mär 2021, 17:45

Schade, dass sinemetu nicht mehr im Forum erscheint. Der wüsste sicher eine Antwort. :roll:
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Re: Genera

Beitragvon Sapientius » Mi 31. Mär 2021, 19:20

"Die Männer, Völker, Wind
und Flüsse masculina sind"...

Im mythischen Weltbild waren die Naturbereiche belebt, personifiziert, "Animismus" sagt man; es gab die Bereichgsgötter, die natürlich ein Genus hatten.
Das war auch kein Zufall, denn nach dem vormodernen physikalischen Weltbild musste jede Bewegung einen Beweger haben, den Blitz musste einer schleudern, den Regen einer fallen lassen, die Sonne über den Himmel fahren lassen, die Sterne über den Nachthimmel kreisen lassen. Es gab noch nicht den Begriff der Fernwirkung, Gravitation war noch nicht entdeckt; nur von einer Seele konnte Bewegung ausgehen (Platon).
Mit dem Verblassen der mythischen Göttergestalten wurde dann der Genusbegiff umfunktioniert zu einer grammatischen Kategorie.
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Re: Genera

Beitragvon Odinus Thorus » Do 1. Apr 2021, 10:44

Daß hieße, um republikanischen Rom (vorchristlich) konnte noch niemand vom Genus masculinum reden, es gab also den t. t. nicht. Was meint denn Cicero dazu, der hat doch sich über vieles ausgelassen?
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Re: Genera

Beitragvon medicus » Do 1. Apr 2021, 11:32

Odinus Thorus hat geschrieben:Was meint denn Cicero dazu,

Bei CICERO lesen wir:
Die Gleichheit der Geschlechter gehört als Grundsubstanz zur liberal verfassten Gesellschaft.

https://www.cicero.de/innenpolitik/frau ... ahlen/plus
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Re: Genera

Beitragvon Sapientius » Fr 2. Apr 2021, 08:03

Odinus Thorus hat geschrieben:Daß hieße, um republikanischen Rom (vorchristlich) konnte noch niemand vom Genus masculinum reden, ...


Das brauchte man auch nicht; das genus masculinum war völlig in die Formenvielfalt der KNG-Kongruenz integriert und spielte dort eine unspektakuläre Rolle.
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Re: Genera

Beitragvon Odinus Thorus » Fr 2. Apr 2021, 12:01

Sapientius hat geschrieben:
Odinus Thorus hat geschrieben:Daß hieße, um republikanischen Rom (vorchristlich) konnte noch niemand vom Genus masculinum reden, ...


Das brauchte man auch nicht; das genus masculinum war völlig in die Formenvielfalt der KNG-Kongruenz integriert und spielte dort eine unspektakuläre Rolle.

Dass es die gramm. Geschlechter gab, ist kein Geheimnis, Sapientius. Entscheidend ist, ob sie schon wahrgenommen wurden. Wenn ja, muß es den, bzw. einen Terminus technikus gegeben haben. Es gibt auch heute viele Phänomene in der äußeren Welt, die noch nicht bemerkt wurden, wofür also auch die Bezeichnungen fehlen.

1825 fomuliert der Entdecker das ohmsche Gesetz, erst in den 40-iger Jahren taucht "elektrischer Widerstand" auf. https://books.google.com/ngrams/graph?c ... moothing=3

Es kann also gut sein, dass zu Ciceros Zeiten vom genus masculinum noch nicht die Rede gewesen sein konnte. Dann gab es entweder einen anderen t. t. oder eben keinen, was darauf verweist, daß das Phänomen noch nicht wahrgenommen wurde, bzw. in der Scholae nicht behandelt wurde.
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Re: Genera

Beitragvon medicus » Fr 2. Apr 2021, 18:21

Odinus Thorus hat geschrieben:in der Scholae
Welche Sprache ist das. :?
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Re: Genera

Beitragvon Zythophilus » Fr 2. Apr 2021, 20:54

Dass zumindest die Bezeichnungen von Lebewesen auch ein Genus haben, klingt zwar plausibel, ist jedoch abgesehen von den meisten europäischen Sprachen keineswegs so selbstverständlich. Das Englische hat dieses Konzept fast vollständig aufgegeben, im Ungarischen gibt es kein Genus.
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Re: Genera

Beitragvon Sapientius » So 4. Apr 2021, 08:26

Odinus Thorus hat geschrieben: ... zu Ciceros Zeiten vom genus masculinum noch nicht die Rede gewesen sein konnte. Dann gab es entweder einen anderen t. t. oder eben keinen, was darauf verweist, daß das Phänomen noch nicht wahrgenommen wurde, ...


Du suchst hier nach einem Phänomen, und ich fürchte, es ist ein Phantom :) ! Versuche es einmal so: frage nicht nach dem "Wesen" des genus masculinums, sondern nach seiner Nutzanwendung: wozu wurde es gebraucht? Die Antwort ist nicht schwer: es wurde zur Kongruenz gebraucht, d.h. zur Syntax, zum Verständnis der Satzarchitektur. Nimm dieses einfache Beispiel: "Arma virumque cano"! "Arma" verrät dir nicht, ob es Subjekt oder Objekt ist, aber aus "virum" kannst du eindeutig Akkusativ und Objekt ablesen. Da siehst du, wozu das Genus masculinum gebraucht wurde.

Das Englische hat dieses Konzept fast vollständig aufgegeben, im Ungarischen gibt es kein Genus.

Man erkennt auch, warum: das Englische hat keine solche KNG-Kongruenz.

Im L. ist der Begriff "genus masculinum" abstrakt zu verstehen, man sieht dabei ab vom sexus masc. und seinen Besonderheiten; das genus wird zu einem Schubladenbegriff für Substantive; man kann von einem "Als ob" sprechen: man tut so, als wären Abstrakta "männlich"; man kann auch sagen, der Begriff wird verfälscht; aber grammatisch funktioniert es so.
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