Auslagerung der Diskussion zu Thomas von Aquin

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Auslagerung der Diskussion zu Thomas von Aquin

Beitragvon marcus03 » So 22. Aug 2021, 10:33

mystica hat geschrieben: Jedoch sind viele Mönche an der strengen Lebensweise im Kloster Citeaux physisch zerbrochen, weil die harte körperliche Arbeit, die langen Nachtwachen und die karge Kost ihre Körper sehr geschwächt hatten, sodass sie nicht sehr alt geworden sind

Das nennt man gelebtes Christentum! Unmenschlichkeit bis zum Lebensende!

mystica hat geschrieben:in diesem Jammertal einen Vorgeschmack der ewigen himmlischen Freuden in der mystischen Schau Christi zu erfahren und öffnete die Pforten der Himmel weit.

Was für ein Zynismus! Marx musste darauf reagieren. Eine Steilvorlage für die Opiumtheorie!
Einfach nur pervers aus heutiger Sicht.
"Der Mensch muss gepeinigt werden, damit er Lust zum Sterben bekommt."
Diesen Satz kenne ich noch aus der Kindheit. :( :( :(


ClaudiaK hat geschrieben:Kann man das Verhalten von Thomas von Aquin, der sicherlich um seine Leibesfülle und das fehlende Training im Fußmarsch wusste, als unbewussten Selbstmord interpretieren, nachdem er seine Schriften als Stroh abgekanzelt hat?


Der heilige Thomas von Aquin hatte sicherlich ein Unbehagen, weil er sich sehr wohl über die körperlichen Anstrengungen bewusst war, die ihm große Mühen abverlangen und auch seiner Gesundheit schaden. Seine mystische Erfahrung, dass alle Theologie letztlich "Stroh/Spreu" sei, bedeutet nicht, dass er resigniert hat oder Gott behüte, ein Apostat geworden sei, sondern dass er nun den mystischen Weg zu einer tieferen Christusbeziehung im Glauben zu gehen versuchte, die jedoch nicht mehr intersubjektiv anderen mitteilbar ist, sondern nur selbst in Gebet und Meditation erfahren werden kann. Es ist das heilige Schweigen, das uns zu uns selbst führt und letztlich uns in einsamer Zwiesprache mit Gott führt, die eigentlich keinerlei Worte mehr bedarf, sondern ein liebendes Verweilen vor Gott ist, einfach da zu sein und Gottes Atem zu lauschen ... Aber alle Worte über diese mystischen Erfahrungen bleiben nur Stroh bzw. Spreu und sind nur ein Gestammel vor dem Ewigen ...


Lieber Markus,

ich bin mir sicher, wenn Du dem heiligen Bernhard persönlich begegnet wärest und seinen glühenden Eifer der Gottesliebe und seine honigfließenden Predigten gehört hättest, dann hättest Du Dich bei ihm sofort als Novize gemeldet und nur allzu gerne das Joch Christi auf Dich genommen und allen weltlichen schalen Freuden dieses Lebens bereitwillig entsagt. Bedenke gut die Worte des Völkerapostels Paulus aus dem Galaterbrief 2,20: "Vivo autem iam non ego vivit vero in me Christus!" Denn was könne es Größeres im Leben geben als sein ganzes Leben Gott in der heiligen Mönchprofess zu weihen! :D Auch ist es überliefert, dass viele Menschen aus allen Ständen dem strengen Ideal der Zisterziensermönche nachgeeifert sind, um als Mönche und Nonnen im ewigen Lobpreis mit den Engel und Heiligen Gott zu verherrlichen.. Deo gratias! :D

mystica hat geschrieben:nn. Es ist das heilige Schweigen, das uns zu uns selbst führt und letztlich uns in einsamer Zwiesprache mit Gott führt, die eigentlich keinerlei Worte mehr bedarf, sondern ein liebendes Verweilen vor Gott ist, einfach da zu sein und Gottes Atem zu lauschen ... A

WIe fühlt sich das an? "Liebendes Verweilen", was ist das?
Welcher Mensch von heute kann damit etwas anfangen?

mystica hat geschrieben:letztlich uns in einsamer Zwiesprache mit Gott führt,

Was wird da gesprochen? Wie antwortet Gott? Woher weiß ich, dass ich es mit Gott zu tun habe
und nicht eine Projektion meiner Bedürfnisse und Sehnsüchte nach Weltflucht?

mystica hat geschrieben: "Vivo autem iam non ego vivit vero in me Christus!"

Was heißt das konkret?

mystica hat geschrieben: dann hättest Du Dich bei ihm sofort als Novize gemeldet und nur allzu gerne das Joch Christi auf Dich genommen und allen weltlichen schalen Freuden dieses Lebens bereitwillig entsagt.

Ja, wenn ich masochistisch veranlagt wäre oder ekklesiogen neurotisch.
Bernhard wollte die Macht über verzweifelte, verängstigste Seelen, die keinen Halt in sich
selbst finden. Ich gehe von Triebsublimierung aus wie auch bei Thomas (Essen als Ersatzbefriedigung).
Es ist bekannt, dass viele Heilige schwere Neurotiker waren und voller Komplexe, kurz:
gestörte Persönlichkeiten, die mit dem Leben nicht zurechtkamen. Welfflucht trieb sie in die
Hände von Heilsversprechern wie Bernhard und Co, die vor Gewalt nicht zurückschreckten und
dazu aufriefen.

Der Neuenheimer Pfarrer Josef Mohr warnt jedoch davor, die Heiligen zu heroisieren. "Eine übertriebene Heiligenverehrung ist oft mehr frommem Wunschdenken als nüchterner Biografie entsprungen", weiß Mohr. Sehe man sich das Leben vieler Heiligen genauer an, so stoße man auf mancherlei Fehler. "Heilige waren oft sogar ausgesprochene Spinner und Neurotiker." Weshalb Pfarrer Mohr zu einer beruhigenden Schlussfolgerung gelangt: "Allerheiligen ist eigentlich unser aller Fest."

https://www.rnz.de/archiv_artikel,-zzz- ... 42079.html
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Re: Auslagerung der Diskussion zu Thomas von Aquin

Beitragvon marcus03 » So 22. Aug 2021, 10:36

marcus03 hat geschrieben:[ WIe fühlt sich das an? "Liebendes Verweilen", was ist das?
Welcher Mensch von heute kann damit etwas anfangen?


Ich kann damit sehr viel anfangen und wohl auch jeder spirituelle Mensch, der sein Leben nicht nach materiellen Dingen ausrichtet. Nicht das Haben, sondern das Sein ist entscheidend! Das meditative Verweilen vor Gott ist für mich eine überaus reiche Erfahrung seiner grenzenlosen Liebe, die mich immer wieder neu umfängt. Die Freundschaft mit Jesus wird Dich nie enttäuschen, sagte mir Kardinal Schönborn OP bei einer persönlichen Begegnung.

marcus03 hat geschrieben:Was wird da gesprochen? Wie antwortet Gott? Woher weiß ich, dass ich es mit Gott zu tun habe und nicht eine Projektion meiner Bedürfnisse und Sehnsüchte nach Weltflucht?


Wie bei Liebenden, die nicht viele Worte bedürfen, weil sie umeinander wissen. Einfach da zu sein und auf die Stille zu hören. In der Stille lernen wir auf Gott zu hören und spüren seinen heiligen Atem, der unsere Seele erfüllt. Es ist auch keine Weltflucht, sondern vielmehr, sich am Urgrund allen Seins anzusiedeln, von dem alles kommt und zu dem alles strebt und nicht die Eitelkeiten dieser Welt, die unseren Geist vernebeln...

markus03 hat geschrieben: "Vivo autem iam non ego vivit vero in me Christus!" Was heißt das konkret?


Dies bedeutet, sich auf die Nachfolge Jesu einzulassen und Christus in dieser Welt zu bezeugen.

Ja, wenn ich masochistisch veranlagt wäre oder ekklesiogen neurotisch.
Bernhard wollte die Macht über verzweifelte, verängstigste Seelen, die keinen Halt in sich
selbst finden. Ich gehe von Triebsublimierung aus wie auch bei Thomas (Essen als Ersatzbefriedigung).
Es ist bekannt, dass viele Heilige schwere Neurotiker waren und voller Komplexe, kurz:
gestörte Persönlichkeiten, die mit dem Leben nicht zurechtkamen. Welfflucht trieb sie in die
Hände von Heilsversprechern wie Bernhard und Co, die vor Gewalt nicht zurückschreckten und
dazu aufriefen.


Der Sinn für das Heilige und auch für die Heiligen ist in unserer total säkularisierten Welt verloren gegangen. Die Heiligen sind Menschen mit besonderen Gnadengaben oder Charismen gewesen. Es ist leicht, Menschen, die ein außergewöhnliches spirituelles Leben führten, heutzutage mit psychiatrischen Krankheitsbildern abzuqualifizieren. Dies wird ihnen aber nicht gerecht, weil sie von Gott tief erfüllt waren und sie vielen Menschen neue Hoffnung und Zuversicht im Glauben geschenkt haben.

Zu den Kreuzzugspredigten des Hl. Bernhard von Clairvaux ist zu sagen, dass er diese auf Befehl des Papstes Eugen III. gehalten hat, um einen zweiten Kreuzzug vorzubereiten. Wahrlich hat Bernhard von Clairvaux für die Zeit der Kreuzzüge viel Unrecht mitzuverantworten, wovor ihn die Heilige Hildegard von Bingen aufgrund einer schrecklichen Vision eindringlich gewarnt hatte. Aber leider hat der Hl. Bernhard nicht auf die Hl. Hildegard gehört. Vielleicht wäre die Geschichte anders verlaufen, wenn Bernhard auf seine treu ergebene Tochter Hildegard gehört hätte ...
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Re: Auslagerung der Diskussion zu Thomas von Aquin

Beitragvon marcus03 » So 22. Aug 2021, 10:43

mystica hat geschrieben:Die Freundschaft mit Jesus wird Dich nie enttäuschen,

Wie kann ich mit jemanden befreundet sein, der real nicht vorhanden ist?
Ich kann mich nur mit seiner Lehre anfreunden und danach zu leben versuchen, was
sehr schwer ist im struggle for survival des brutalen Evolutionsprozesses.
Politisch ist die Bergpredigt eine Utopie und nicht praktikabel im großen Stil mangels
bona voluntas universalis und kaum noch beherrschbarer ökonomischer und ökologoscher Probleme.

mystica hat geschrieben:sich am Urgrund allen Seins anzusiedeln

Das ist mMn eine Leerformel. Der Urgrund allen Seins ist Energie (auch virtuelle, vgl.
Quantenvakuum).

mystica hat geschrieben:Dies bedeutet, sich auf die Nachfolge Jesu einzulassen und Christus in dieser Welt zu bezeugen.

Was heißt das konkret und für dich persönlich?
1 Jesus für 8 Milliarden Menschen? Wie soll das funktionieren?

mystica hat geschrieben:Der Sinn für das Heilige

Was soll das konkret bedeuten? Was ist DAS HEILIGE außer das Leben selbst, das es zu schützen gälte,
wenn es möglich wäre. Die Natur selbst schätzt das Leben nicht, im Gegenteil: Sie vernichtet,
gebiert, vernichtet, gebiert usw.
Kein weiß, wozu das ganze Theater. Am Ende kommt die All-auflösung, wenn das letzte Proton
zerfallen sein wird (in 10hoch31 bis 10hoch36 Jahren). Und das wars dann endgültig.
Langwellige Strahlung in einem absolut kalten Universum. "Und Gott bereute, den Menschen
gemacht zu haben" = diese Theater inszeniert zu haben (Viel aber brauchte der den Zirkus
zur Abwechslung in seiner unendlichen Vollkommenheit. Alles wird mal langweilig, auch
Perfektheit,oder ;-) ).
vgl:
https://de.wikipedia.org/wiki/Super-Kamiokande


Was heißt das konkret ...?


Marce, du bist bei den 1968ern stehen geblieben, das war ihre Leitfrage; Antwort des Soziologen Niklas Luhmann: "Da klebt ein Kaugummi unter der Tischplatte". Sehr konkret. Auch die "Leerformeln" wirst du nicht los.
Um über Religiöses ernsthaft zu sprechen, muss man religiös sein.

marcus03 hat geschrieben:Religion ist ein Gefühl ...


Marce, du zitierst ja einen, der mit Satan im Bunde steht, Dr. Faust, in der Antwort auf die Gretchenfrage: "Gefühl ist alles, ...".

Religiös wird man gemacht durch Erziehung und Umwelt. Von sich aus wird der Mensch nicht
automatisch religiös.


Marce, da kennen wir bessere Zitate: "Unruhig ist unser Herz, ...", und um zu erklären, wie man religiös wird, da muss man die Religiösen fragen, nicht die Empiristen.

In Polen feiern sie jetzt das "Fest der Erneuerung der Weihe Polens an das heiligste Herz Jesu"; Marce, was heißt das konkret? :-D
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Re: Auslagerung der Diskussion zu Thomas von Aquin

Beitragvon marcus03 » So 22. Aug 2021, 10:49

Was soll man sich unter einer WEIHE vorstellen? Eine Art magische Beschwörung?
Was bewirkt sie? Wie kommt die erhoffte Wirkung zustande?
Wie greift die Person, der man etwas weiht, ein?
Wie hat z.B. Maria angeblich dafür gesorgt, dass Bayern nicht an die DDR fiel?
Warum ging die Maria geweihte Kathedrale Notredame trotzdem in Flammen auf?
Und so könnte man ewig weiterfragen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Weihe_(Religion)
Dahinter stecken doch archaistische Vorstellungen von der Beeinflussbarkeit von Gottheiten mit der
Wahrscheinlichkeit 50:50, dass der gewünschte Effekt eintritt.
Das Zufallsprinzip ist auch hier die plausibelste Erklärung bzw. eine möglichst genaue Analyse der Fakten
und bei Wundern psychologische Faktoren, über die man immer mehr in Erfahrung bringt.


marcus03 hat geschrieben:Wie hat z.B. Maria angeblich dafür gesorgt, dass Bayern nicht an die DDR fiel?

Ich habe vergeblich gegoogelt, habe nichts darüber gefunden. :nixweiss:
:suche: nicht!


Das glauben manche Katholiken und (v.a. alte) Priester in Bayern.
Ich habe das selber einst in einer Predigt so gehört.
Angeblich wäre Bayern beinahe an die Russen gefallen, wenn Maria nicht eingegriffen hätte.
vgl:
https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/ ... hammer.pdf
Diese Herrn haben das Thema sehr erfolgreich vermarktet:


marcus03 hat geschrieben: ...nur auf dem aktuellen Stand der Astrophysik. Und die wird den Schöpfungstheologen noch einiges zu sagen haben u.a. dass es ohne Schöpfer auch geht ...


Das ist tatsächlich eine neuartige Einsicht, man braucht nicht zur Astrophysik zu gehen, auch die Systemtheorie sagt uns: manche Systeme können sich selbst steuern ("Selbstorganisation", Autopoiese), ein Lebewesen kann sich selbst steuern, selbst die Zellen herstellen, die es braucht; ein Ameisenhaufen oder ein Bienenschwarm hat solche Fähigkeiten. Früher dachte man, Seele oder Geist hätten allein solche Fähigkeiten. Das lag an der Kausalvorstellung; nach der Standardauffassung bei Aristoteles ist die Kausalität nach dem Vorbild des Handwerkers gedacht, der ein Werkstück bearbeitet; es gibt die "4-causae-Lehre", c. materialis, ..., finalis. Und so wie das Brett den Tischler brauchte, um zu entstehen, so brauchte die Welt den Schöpfer.
Die Lehre "Man kann Gott aus seinen Werken erkennen" geht auf die Stoiker zurück, wurde von Paulus übernommen (Römerbrief) und wurde Allgemeingut.
Man kannte bis Newton keine Fernwirkung: die Bewegung der Planeten war nicht erklärbar, die Gravitation noch nicht erkannt.

Nur ist damit nicht gesagt, dass all dieses überhaupt die Theologie berührt; allerdings sind die einfachen Antworten nicht mehr plausibel.
https://www.youtube.com/watch?v=xdbPdGq ... gussie5555
marcus03
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Re: Auslagerung der Diskussion zu Thomas von Aquin

Beitragvon Odinus Thorus » So 29. Aug 2021, 10:46

Für Marcus03,

Hör Dir mal das Ende des Videos an, wo der Sudanese seinen Weg erzählt...., dann wirst Du vllt einen Einblick in die Schmerz- und Leidensökonomik des Heiligen erhalten...

https://www.youtube.com/watch?v=7UzlMRrH0s4
Odinus Thorus
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