ad Tiberim

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ad Tiberim

Beitragvon Odinus Thorus » Mi 6. Okt 2021, 21:45

1. du vergleichst unzulässigerweise Wörter aus verschiedenen Sprachen, die zufällig gleich geschrieben oder gesprochen werden. Das ist nichts anderes, als wenn du das deutsche Wort "Uhr" mit ung. úr (Herr) vergleichen würdest und die Frage nach dem sog. TC stelltest.


Du kennst das Wort, das dt. Wort Atmosphäre. Als Philologen muss ich Dir nicht die Etymologie erklären, sondern kann sie bei Dir phorraussetzen. Jetzt teilen wir mal, spasseshalber, die deutschen Sprecher in 100000 Superkluge, Eine Million Selbstdenker, 10 Million Gebildete und 80 Millionen Doofe ein. Du stellst allen die Frage: "Was hat (das Wort) Atmosphäre mit der Tätigkeit Atmen zu tun?"
Die hunderttausend Superklugen beten die korrekte Etymologie her, wie sie im DWDS zu finden ist.
Die eine Million Selberdenker bringen Anmerkungen und eigene Gedanken dazu.
Die 10 Millionen Gebildeten kucken in irgendwelchen Etymologischen WB nach und zeigen ihre Bildung.
Und die 80 Millionen Doofen sagen: Atmosphäre, na klar, hat was mit Atmen zu tun.
Erklärung des Umfrageergebnisses: In Atmosphäre ist bei den Deutschen das dt. Verbum Atmen semantisch präsent. Für diese semantische Präsenz des einen im andern Wort sorgt der Anklang allein, also die Assoanz, den Du "zufällig" nennst, der aber nicht zufällig ist, falls Du die sachliche Bezogenheit von Tätigkeit "Atmen" und "Ding" (Luft = Atmospäreninhalt) für "zufällig" hältst. Ich sage Dir, von unzähligen grichischstämmigen wissenschaftlichen Neuprägungen der letzten drei Jahrhunderte, haben diejenigen, die zu einem Anklang eine Bezogenheit vorweisen konnten, sich am besten gehalten und sind am schnellsten verbreitet worden, und dieser Vorgang hat überhaupt nichts mit der philologischen, deskriptiven Disziplin Etymologie zu tun, sondern allein mit der Arbeitsweise unseres Gehirns bei der Sprachgenese. = und = gesellt sich gern! Durch die Bezogenheit der Bedeutungen verhalten sich die Klangkörper semantisch gravitativ, das heisst, mit zunehmender Zeit assimilieren sie klanglich, so dass der "ungebildete" Normalsprecher sie für Früchte desselben Baumes hält. Diese bezogenen Dinge kleiden sich oft in ähnliche Klänge und diese Worte haben, evolutionistisch gesprochen, einen mnemotechnischen Auslesevorteil.
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Re: ad Tiberim

Beitragvon ille ego qui » Do 7. Okt 2021, 18:33

Erstaunlich, dass sich "phorraussetzen" [sic!] so lange halten konnte, wo doch der Anklang ans Altgriechische nur einer Minderheit bewusst (gewesen) sein dürfte ...
Ernsthaft gesprochen: Du spekulierst ohne jede wissenschaftliche oder rationale Erdung. Du wirst genug (Fremd-) Wörter finden, die sich halten, obwohl bei ihnen allenfalls ein sinemetu / brakbekl / odinus irgendwelche Anklänge wahrnimmt.
es fehlt hier ein kritischer mechanismus, die eigenen ideen auch einmal ernsthaft auf einen grundsätzlichen prüftstand zu stellen. das wort atmosphäre "hält sich" nicht nur im deutschen! solltest du in allen sprachen, wo das wort "atmosphäre" sich hält, sinnvolle assoziationen zu wörtern dieser sprachen finden, dann frage dich in einem weiteren schritt ernsthaft, ob dir dies trotz deiner blühenden fantasie bei schnell ausgestorbenen deutlich schwieriger gelingt.
ich bin gespannt auf deine statistik ...

:roll: :D
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Re: ad Tiberim

Beitragvon Odinus Thorus » Do 7. Okt 2021, 21:20

Ich kann hier nur "Thinking fast, thinking slow" (Daniel Kahnemann) empfehlen. Ich würde die Sachen gerne in diversen Sprachen mit Umfragetools untersuchen, weil ich denke, dass heute mit unserer technischen Ausstattung belastbarere Aussagen zu den Vermutungen möglich sind, aber leider fehlen mir die Mittel und auch die Zeit. In der Mathematik bringt man einen Beweis, und dann klappen alle ihre Messer ein. Die Philologie, wobei ich bezweifel, dass diese meine Vermutungen "ohne wissenschaftliche und rationale Erdung" noch Teil dieser Disziplin sind, ist für ihre Grabenkämpfe bekannt.
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Re: ad Tiberim

Beitragvon Sapientius » Fr 8. Okt 2021, 07:52

Odinus Thorus hat geschrieben:80 Millionen Doofe ...


Soviele Doofe sind es nicht.
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Re: ad Tiberim

Beitragvon marcus03 » Fr 8. Okt 2021, 08:15

Odinus Thorus hat geschrieben:Die Philologie, wobei ich bezweifel, dass diese meine Vermutungen "ohne wissenschaftliche und rationale Erdung" noch Teil dieser Disziplin sind, ist für ihre Grabenkämpfe bekannt.

Beispiel für einen Grabenkampf?

Warum vermuten, wenn die wissenschaftliche Sachlage eindeutig ist.
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Re: ad Tiberim

Beitragvon ClaudiaK » Fr 8. Okt 2021, 08:17

Ich bin auch für Interaktivierung.
Probiere es doch mal mit: survio.com
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Re: ad Tiberim

Beitragvon ille ego qui » Fr 8. Okt 2021, 11:01

In der Mathematik bringt man einen Beweis, und dann klappen alle ihre Messer ein. Die Philologie, wobei ich bezweifel, dass diese meine Vermutungen "ohne wissenschaftliche und rationale Erdung" noch Teil dieser Disziplin sind, ist für ihre Grabenkämpfe bekannt.


Der Berliner Gräzist Prof. Blößner (FU), der sich einmal die Woche mit Studierenden zum Mittagessen in der Mensa trifft, hat mir bei einer solchen Gelegenheit vor etwa zehn Jahren von Studien / Untersuchungen erzählt, wonach sich der wissenschaftliche "Fortschritt" (?) überraschenderweise auch und gerade in den Naturwissenschaften weniger durch unmittelbares Überzeugen und Überzeugtwerden, sondern durch das Aussterben von Meinungsträgern vollziehe, denen es nicht gelungen ist, Vertreter der jüngeren Generation von ihren Anschauungen zu überzeugen.

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Re: ad Tiberim

Beitragvon marcus03 » Fr 8. Okt 2021, 11:15

ille ego qui hat geschrieben:Der Berliner Gräzist Prof. Blößner (FU),

Blößner kenne ich.
Ein niederbayerisches Gewächs, hat bei Ernst Heitsch promoviert (Iterata bei Homer). :D
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Re: ad Tiberim

Beitragvon ille ego qui » Fr 8. Okt 2021, 13:52

Iterata bei Homer


Scin' plura de ista re?
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Re: ad Tiberim

Beitragvon marcus03 » Fr 8. Okt 2021, 17:31

Nescio. :(
Blößner kenne ich nur sehr flüchtig.
Ich erwähne es nur wegen des Zufalls. :)
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Re: ad Tiberim

Beitragvon Medicus domesticus » Fr 8. Okt 2021, 19:18

ille ego qui hat geschrieben:Erstaunlich, dass sich "phorraussetzen" [sic!] so lange halten konnte, wo doch der Anklang ans Altgriechische nur einer Minderheit bewusst (gewesen) sein dürfte ...
Ernsthaft gesprochen: Du spekulierst ohne jede wissenschaftliche oder rationale Erdung. Du wirst genug (Fremd-) Wörter finden, die sich halten, obwohl bei ihnen allenfalls ein sinemetu / brakbekl / odinus irgendwelche Anklänge wahrnimmt.
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Der Meinung bin ich grundsätzlich auch. Mich wundert immer wieder, dass du davon so weit abweichst, sinemetu. Thesen vorzustellen in der Wissenschaft sollten zumindest etwas begründet und nachvollziehbar sein. Wenn man davon nichts spürt, wird es schwierig. Ich bin heute noch in der medizinischen Forschung mit tätig. Ich weiß von was ich rede.
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Re: ad Tiberim

Beitragvon Tiberis » Sa 9. Okt 2021, 00:22

Odinus Thorus hat geschrieben:In Atmosphäre ist bei den Deutschen das dt. Verbum Atmen semantisch präsent

wohl nicht einmal bei den "80 Millionen Doofen", wie du deine Landsleute freundlicherweise bezeichnest. :roll:
Denn selbst die dürften wissen, dass "atmen" nur in einem ganz kleinen Teil der Atmosphäre möglich ist.
Übrigens ist es ziemlich irrelevant, welches deutsche Wort in einem fremdsprachigen Wort "semantisch präsent" ist. Mag sein, dass bei engl. bell so mancher an das Bellen von Hunden denkt, oder bei ital. caro an eine Spielkarte, aber was hat das zu besagen?
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Re: ad Tiberim

Beitragvon Sapientius » Sa 9. Okt 2021, 16:17

Blößner kenne ich.


Ich kenne ihn auch, ich erinnere mich noch an seine Forderung, Platons Politeia müsse man vollständig lesen, nicht nur die drei Gleichnisse von der Ideenlehre.
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Re: ad Tiberim

Beitragvon Sapientius » Sa 9. Okt 2021, 16:34

In der Mathematik bringt man einen Beweis, und dann klappen alle ihre Messer ein.


Das gilt nur für Uneingeweihte. Ich erinnere mich an ein Zitat von Prof. Kölzow, illustrer Mathematiker von Erlangen: "Wir fahren mit einem Wagen, von dem wir wissen, dass ein Rad nicht angeschraubt ist; wenn es abgeht, müssen wir weitersehen; bis jetzt ist es nicht abgegangen".
Die Lage ist wohl so, dass es ungefähr drei Basisaxione gibt, von denen je zwei nicht mit dem dritten kompatibel sind, so dass man immer Tabuzonen meiden muss. Aber genaueres weiß ich auch nicht.
Ein allgemein zugängliches Beispiel für die Situation ist das Russellsche Paradox vom "Selbstrasierer", bei dem man obendrein den engl. Humor studieren kann.
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Re: ad Tiberim

Beitragvon Odinus Thorus » Fr 22. Okt 2021, 20:36

ille ego qui hat geschrieben:
In der Mathematik bringt man einen Beweis, und dann klappen alle ihre Messer ein. Die Philologie, wobei ich bezweifel, dass diese meine Vermutungen "ohne wissenschaftliche und rationale Erdung" noch Teil dieser Disziplin sind, ist für ihre Grabenkämpfe bekannt.


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