de tristitia huius fori

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Re: de tristitia huius fori

Beitragvon ille ego qui » Do 9. Jun 2022, 07:05

Viele Punkte, die man meiner Meinung nach schon vor Jahren in eine Diskussion hätte führen sollen.


All das geschieht. Nur diskutieren nicht alle mit.
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Re: de tristitia huius fori

Beitragvon marcus03 » Do 9. Jun 2022, 09:21

Medicus domesticus hat geschrieben:Wenn du oder auch andere mehr gesprochenes Latein im Unterricht wollen, dann müsst ihr alle selbst das forcieren und im Lehrplan dann allgemein installieren.

Bei allem gut Gemeinten sollte man die v.a. heutige Schulrealität mit ihrem Zeitdruck und v.a.
Noten-machen-müssen-Druck nicht vergessen.
Die meisten Schüler:innen wollen überleben und haben kaum Interesse, Latein aktiv zu benutzen,
zumal es schon im 1. Lehrjahr so gut wie keine Rolle mehr spielt.
Zu meiner Zeit hat man bei Erstfremdsprache Latein noch 5 Jahre ins Lat. übersetzt mit
entsprechenden Übungsteilen im Lehrbuch.
Für mich ist das reine Illusion und nicht realisierbares wishful thinking.
Der, der sich für Latein wirklich interessiert, sollte sich Gleichgesinnte suchen und das privat machen.
Ich hatte einen Mitschüler, mit dem ich sporadisch brieflich lateinisch zu kommunizieren versuchte.

Apropos Wishful Thinking:
Kennt ihr die Gruppe noch:
https://www.youtube.com/watch?v=fhLw2e5LDjw

Passt gut zum Geburtstag der Friedensaktivistin Bertha von Suttner (siehe abhinc annos!)
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Re: de tristitia huius fori

Beitragvon mystica » Do 9. Jun 2022, 12:23

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Re: de tristitia huius fori

Beitragvon marcus03 » Do 9. Jun 2022, 13:00

Du gehst von dir aus, Katharina, nicht vom Otto-Normal-Latein-Verbraucher/verbrauchen-Müsser.
Was macht unter Druck schon wirklich Spaß außer den Freaks?
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Re: de tristitia huius fori

Beitragvon ille ego qui » Do 9. Jun 2022, 13:54

Es ist durchaus möglich, Schülerinnen und Schüler mit lebendigem Latein zu motivieren. Das weiß ich aus der Praxis.
Der Einfluss auf das Können, den man dadurch nehmen kann, ist meiner Erfahrung nach nicht gigantisch - vor allem wenn man im Kollegium eher Einzelkämpfer ist. Lohnen tut es sich dennoch.

Beim Plädoyer für MEHR Scholastik / "theologisches Denken" u.ä. im Lateinunterricht bin ich skeptischer. Das ist doch ein sehr persönliches Steckenpferd von Mystica. Aber sie kann gerne Lehrerin werden und damit die Jugendlichen begeistern ;-)
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Re: de tristitia huius fori

Beitragvon Sapientius » Do 9. Jun 2022, 16:31

Vergesst nicht, Latein ist eine Lese-Sprache, Englisch ist eine Sprech-Sprache, es geht los mit: "This is a pencil", wir müssten uns sehr verrenken, wenn wir da mithalten wollten. Das "Latine loqui" funktioniert nur, wenn die Schüler über einen großen Wortschatz verfügen und Kongruenz und Kasusrektion ausreichend aktiv beherrschen, was enorm schwierig ist.
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Re: de tristitia huius fori

Beitragvon Veterinaria » Do 9. Jun 2022, 16:38

mystica hat geschrieben:Texten von Thomas von Aquin, Augustinus oder Nicolaus de Cusano, die zum philosophischen und theologischen Denken


Da werden besonders jüdische, muslimische, hinduistische, buddhistische und atheistische Schülerinnen und Schüler ihre Freude daran haben.
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Re: de tristitia huius fori

Beitragvon mystica » Do 9. Jun 2022, 16:46

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Re: de tristitia huius fori

Beitragvon Medicus domesticus » Do 9. Jun 2022, 17:30

Es ist doch auch immer die Frage, was will man mit dem Lateinunterricht. Ørberg zeigt mit seinen Büchern eine Alternative auf, nur muß man bedenken, dass wir in einem Gymnasium in Bayern z.B. nicht in der Schola Latina sind. Meine Tochter hatte ein Versuchsprojekt mit der Ørberg-Methode, die schon Spaß gemacht hat, aber oft ehrlicherweise den Besseren. Die Motivierung bleibt dann an der Lehrerpersönlichkeit hängen. Die Kinder wollen oft einfach nur durch. Mit Latein haben die meisten später am wenigsten zu tun. Warum sollte man sich da übermäßig anstrengen?
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Re: de tristitia huius fori

Beitragvon mystica » Do 9. Jun 2022, 17:43

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Re: de tristitia huius fori

Beitragvon Veterinaria » Do 9. Jun 2022, 21:21

mystica hat geschrieben: katholische Theologe Hans Küng

Dass Du ausgerechnet mit Hans Küng kommst, finde ich lustig:
Erstens war er Schweizer und dann noch aus einem erzkatholischen Urkanton.
Und zweitens: Hat ihm nicht der unfehlbare heilige Vater, Paul II., 1979 die Missio canonica entzogen? Wegen Abweichung von der katholischen Lehre, weil er die Unfehlbarkeit des Papstes hinterfragt hat? Er wehrte sich ja vergeblich - erst Franziskus hat ihn, wie Küng es nannte, "informell" rehabilitiert. Hatte aber nicht den Mut, dies auch offiziell zu tun. Ja, Küng war ein scharfer Diskutant und Denker - ich habe ihn einmal in den "Sternstunden Religion" von SRF gehört und gesehen. Es war ein Genuss, diese Sendung mit ihm zu sehen.

mystica hat geschrieben:Dies wäre, so Hans Küng, der Weltethos, der das einigende Band aller Völker, Kulturen und Religionen sei.

Da hätte er im Prinzip recht, aber eben, "hätte" und "wäre". Wir sehen ja heute, wie der russisch-orthodoxe Patriarch den Angriffskrieg gegen die Ukraine befürwortet - obwohl die Ukrainer nicht einmal Angehörige einer anderen Religion sind.

mystica hat geschrieben:sondern üben dabei auch durch theologische Reflexionen einen interreligiösen Dialog miteinander

Da müsste dann der Lateinlehrer nicht nur des Latine loquendi mächtig sein, sondern auch noch grundlegende Kenntnisse all dieser Religionen haben.
Und weil Latein primär die Sprache der Römer war, und Caesar durch seine Siege, nicht zuletzt in Gallien, entscheidend zum Imperium Romanum beigetragen hat, finde ich seinen "De Bello Gallico" auch für die heutigen Lateinschüler angebrachter. Alternativ würde sicher in einem Lateinunterricht, in dem Lateinisch gesprochen werden soll, die Asterix-Bände, die in Latein vorhanden sind, dienen können.
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Re: de tristitia huius fori

Beitragvon Odinus Thorus » Di 21. Jun 2022, 06:46

Dies ist die Ixte Diskussion hier im Forum, warum Latein als Schulfach auf dem Stand ist, wie es ist. Es ist interessant, wie an sich intelligente Leute, oder sagen wir, Leute, die sich ob ihrer Kenntnis der lat. Sprache für intelligent halten, über ein Thema reden, und zwar stundenlang, ohne den Elefanten im Zimmer (Latein in der Schule) auch nur geistig berührt, geschweige denn erfasst zu haben. Sie zappeln wie die Fische im Kescher des Binnenfischers, und wundern sich dabei laut über ihr eigenes Zappeln an der Luft, wo sie doch glauben im Wasser schwimmen zu können. Das es, abstrakt gesprochen, die Macht ist, die das Niveau bestimmt, auf dem Latein im Lande gewusst und gelehrt werden soll, wurde und wird überhaupt nicht erwähnt. Wenn Herr Schwab bestimmen würde, dass ab morgen Latein zu einem obligatorischen Hauptfach an den Gymnasien in Europa werden würde, an dem niemand vorbei käme, hätten diese Diskussionen hier, ob nun auf Latein oder Deutsch, ein abruptes Ende, und es gäbe mindestens 10 solche Latein-Foren.
Es war noch nirgendwo auf der Welt so, dass Lehrer ein Fach attraktiv machen mussten, um damit Schüler anzulocken. Das Wissen an sich ist attraktiv. Und wer diese Attraktion nicht empfindet, hat meiner Ansicht nach auf einer Schule nichts verloren, wofern wir die pers. Reife in Anschlag bringen wollen. Die pers. Reife zu einem Fach bemisst sich daran, wie weit jemand fähig ist Fragen in dem Fach zu stellen. Aber die Vorstellung, dass aller Unterricht sich tendenziell einer Zirkusvorstellung anzugleichen hat, um den Stoff optimal zu vermitteln, ist absurd. Obwohl es durchaus unterschiedliche Talente in Methodik gibt, ist die Übernahme und Besitzergreifung des dargebotenen Wissens doch zuvörderst die Aufgabe des Lernenden. Die Tatsache, dass die Schüler oft unwillig sind, hängt direkt mit dem Schulzwang zusammen. Würden Sie der Tatsache mehr ins Auge sehen müssen, dass ihnen in der Schule umsonst Wissen geboten wird, würden sie die Angebote mehr achten.
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Re: de tristitia huius fori

Beitragvon marcus03 » Di 21. Jun 2022, 08:22

Odinus Thorus hat geschrieben:Würden Sie der Tatsache mehr ins Auge sehen müssen, dass ihnen in der Schule umsonst Wissen geboten wird, würden sie die Angebote mehr achten.

Ein Schüler:in denkt nicht so v.a. solange er keinen (schnellen) Nutzen erkennt.
Er sieht nur den Aufwand v.a.Vokabeln pauken.
Nur was wirklich Spaß macht, motiviert in dieser Phase und auf Dauer.
Gute Noten dienen oft nur zur Selbstbestätigung oder als Erfolgserlebnis ohne
inneren Bezug zur Sache.
Die Meisten wollen nur überleben und legen Latein ohnehin ab.
Die Antike Welt hat zudem mit der modernen nichts zu tun.
Die Götterwelt wirkt lächerlich, absurd, naiv.
Schon Kinder, die ein wenig kritisch nachdenken, fragen sich: Wie konnte man damals diesen Blödsinn glauben? Götter, die eingreifen, mit Menschen in Kontakt treten, sich durch Opfer manipulieren lassen,
dann die komischen Riten, gleichzeitig unsägliche Grausamkeiten, eine völlig absurde Kosmogenese, usw.
kurz: eine Märchenwelt einserseits und eine grausame Welt andererseits.
Durch die Medien wissen sie heute viel mehr und viel schneller.
Tolle Dokus im TV vermitteln schnell einen Überblick über das Wesentliche auch in anderen Fächern
(Geografie, Geschichte).
Die gut gemachte visuelle Darstellung anzuschauen macht viel mehr Spaß als im oft öden Unterricht zu sitzen, wo man halt für die Noten lernt und das Meiste schnell wieder vergisst, das keinen Lebensbezug hat.
Andere Fächer sind wichtiger geworden: EDV, Wirtschaft, Technik, Psychologie u.a.
Ferner fehlt es an Zeit, die geistesgeschichtliche Bedeutung der Antike spannend zu vermitteln
oder psychoanalytisch an Texte heranzugehen, die viel hergäben etwa im Blick auf die
Entwicklung des Humanitätsgedankens auch und gerade außerhalb des Christentums, das hier
Exklusivrechte beansprucht, die ihm so nicht zustehen.
Latein hat m.E. heute den Primärsinn:
a) sprachanalytisch denken zu lernen
b) auch die dt. Grammatik systematisch zu lernen und zu verbessern
c) ein Sprachgefühl zu entwickeln durch adäquates, unverkrampftes Übersetzen,
das richtig Spaß machen kann, wenn man den Schülern die nötige Freiheit lässt.
Hier würde Kreativität gefördert und die Sprachkompetenz ungemein gefördert.
Weg von diesem verfluchten "So-wörtlich-wie-möglich" hin zum "Wie-sag-ich-das-am besten-auf-Deutsch".
Latein hätte ein irres Potential. In der Schule kann es aber letztlich aus Zeitgründen und
"Notenfetischismus" auch nicht nur annähernd genutzt werden.
Nur die Freaks, aus entsprechenden sozialen Verhältnissen kommend, erkennen dieses Potential
am ehesten. Doch die beschäftigen sich auch in ihrer Freizeit aus Freude mit Latein,
während die Mehrheit gequält Vokabeln und Grammatik paukt um zu überleben und dann endlich abzuwählen.
Quo vadis, lingua Latina?
Nur hoch kreative Lehrer:innen mit viel Fantasie und hohem Problembewusstsein können noch retten,
was zu retten ist.
Weg von diesen hochtrabenden Lehrplänen hin zum Schüler:in, um ihn dort abzuholen, wo er steht,
und nach zuerst mit dem, was im Lehrplan steht.
Der beste Lehrer:in ist der/die, der/die keinen Lehrplan braucht, auf ihn, mit Verlaub, scheißt, weil
er/sei weißt, worauf es ankommt.
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Re: de tristitia huius fori

Beitragvon ille ego qui » Di 21. Jun 2022, 09:06

Die Götterwelt wirkt lächerlich, absurd, naiv.
Schon Kinder, die ein wenig kritisch nachdenken, fragen sich: Wie konnte man damals diesen Blödsinn glauben? Götter, die eingreifen, mit Menschen in Kontakt treten, sich durch Opfer manipulieren lassen,
dann die komischen Riten, gleichzeitig unsägliche Grausamkeiten, eine völlig absurde Kosmogenese, usw.
kurz: eine Märchenwelt einserseits und eine grausame Welt andererseits.
Durch die Medien wissen sie heute viel mehr und viel schneller.


Gerade Mythologie wird eigentlich immer als interessant empfunden.
(M.E. Unberechtigte) Verachtung gegenüber einer alten Kultur, die in Ermangelung wissenschaftlicher Möglichkeiten bei eher literarisch anmutenden Erklärungsmustern Zuflucht nahm, ist mir selten begegnet. Eher wird das mit einem gewissen Interesse reflektiert.
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Re: de tristitia huius fori

Beitragvon Veterinaria » Di 21. Jun 2022, 09:17

Odinus Thorus hat geschrieben: Es ist interessant, wie an sich intelligente Leute, oder sagen wir, Leute, die sich ob ihrer Kenntnis der lat. Sprache für intelligent halten, über ein Thema reden,


Hallo Odinus,

warum bist denn Du im Forum?

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