Altsprachl. Gymnas. gewinnt renommierten Wissenschaftspreis

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Altsprachl. Gymnas. gewinnt renommierten Wissenschaftspreis

Beitragvon Medicamina » Mi 23. Mär 2011, 22:16

Altsprachliche Gymnasien genießen ja oft den Ruf, völlig verstaubt zu sein. Der Schulleiter eines mir bekannten (nicht altsprachlichen) Gymnasium hat vor kurzem eine solche Schule als "Hort der Dinosaurier" bezeichnet, der ausgeräuchert werden müsste. (Sic!)

Dass viele altsprachliche Schulen auch ein herausragendes neusprachliches bzw. naturwissenschaftliches Angebot haben, wird geflissentlich übersehen.

In diesem Zusammenhang ist leider erst jetzt bekannt geworden, dass das ursprünglich rein altsprachliche Max-Planck-Gymnasium Göttingen in Zusammenarbeit mit der Universität Göttingen bereits im September letzten Jahres mit einem Forschungsprojekt aus der Astronomie den mit 50.000 Euro(!) dotierten Naturwissenschaftspreis "Schule trifft Wissenschaft" der Robert-Bosch-Stiftung gewonnen hat.

Da die Angelegenheit in der Presse offenbar nicht sehr gewürdigt wurde, haben wir unter

http://www.medicamina.bplaced.net/initium/index.php?option=com_content&view=article&id=115&Itemid=201&lang=de

einen Bericht mit entsprechenden Hintergrundinformationen erstellt.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Wedner
Arbeitsgemeinschaft Altertumswissenschaften
http://www.medicamina.bplaced.net/
Zuletzt geändert von Medicamina am Mo 29. Okt 2012, 19:44, insgesamt 4-mal geändert.
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Re: Altsprachl. Gymnas. gewinnt renommierten Wissenschaftspreis

Beitragvon Brakbekl » So 3. Apr 2011, 07:55

Medicamina hat geschrieben:Der Schulleiter eines mir bekannten (nicht altsprachlichen) Gymnasium hat vor kurzem eine solche Schule als "Hort der Dinosaurier" bezeichnet, der ausgeräuchert werden müsste. (Sic!)


Das ist original fortschrittsbesoffene DDR-Denke. Latein von solchen Leuten nur geduldet als Steinbruch zur Bildung neuer Termini in ihrem Soziolect. Das ist in deren Augen die einzige Daseins-Berechtigung der ganzen altphilologischen Fakultät. Ausräuchern, ausrotten und ausmerzen - ich möchte diese Begriffe und den Typus Mensch, der diese in seinem aktiven Wortschatz führt, hier nicht weiter skizzieren. Aber ich kenne diesen Typen, und wenn ich seiner ansichtig werde, mache ich immer einen großen Bogen.

Medicamina hat geschrieben:Dass viele altsprachliche Schulen auch ein herausragendes neusprachliches bzw. naturwissenschaftliches Angebot haben, wird geflissentlich übersehen.


Übrigens ist Mathematik keine Naturwissenschaft. Aber ist nicht die Tatsache, daß altsprachliche Schulen sich durch ein "herausragendes neusprachliches bzw. naturwissenschaftliches Angebot" auszeichnen, schon ein Schritt in die falsche Richtung? Altsprachliche Schulen dürfen sich durch ein herausragendes altsprachliches Angebot auszeichnen. Denn es gilt: Was Du ererbt von Deinen Vätern: Erwirb es! - um es zu besitzen. Eine Volk, welches seine Vergangenheit nicht kennt, ist verdammt, sie zu wiederholen. Sofern man die Hülle unseres Staatswesens noch als Demokratie bezeichnen kann, gilt doch: Diese Staatsform wurde geschaffen anhand klassischer Ideale, die gelehrt und unterrichtet wurden am humanistischen Gymnasium und unterhalten wurde diese Staatsform durch den stetigen Zustrom "klassisch gebildeter" - hier sage ich ganz bewußt - MÄNNER in die Institutionen dieses Gemeinwesens. Jetzt, wo so peu a peu quasi alles in die Beliebigkeit abgleitet, erwarten wir gemeinsam die ersten rechtsverbindlichen Fatwas, Produkte eines Rechtsdenkens, dem der klassisch Gebildete nur gezwungenermaßen die Epiteta "Recht" und "Denken" beigesellen kann.
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Re: Altsprachl. Gymnas. gewinnt renommierten Wissenschaftspreis

Beitragvon Pyrrha » Mo 4. Apr 2011, 00:51

brakbekl hat geschrieben:Ist nicht die Tatsache, daß altsprachliche Schulen sich durch ein "herausragendes neusprachliches bzw. naturwissenschaftliches Angebot" auszeichnen, schon ein Schritt in die falsche Richtung?

Entschuldigung, aber was soll das denn bitte heißen? Darf etwa eine altsprachliche Schule in Deutschland keinen guten neusprachlichen oder naturwissenschaftlichen Unterricht anbieten? Ich freue mich aufrichtig für alle Schulen, die solche Lehrer haben, in welchem Fach auch immer. Zu einer umfassenden Bildung gehören neben alten Sprachen nach wir vor auch moderne Fremdsprachen und naturwissenschaftliche Kenntnisse, und die manchmal stiefmütterliche Behandlung der Kulturwissenschaften durch die Naturwissenschaftler ist um nichts verwerflicher als die arrogante Ignoranz einiger Verfechter des klassischen Bildungsideals bezüglich naturwissenschaftlicher Fragestellungen, eher im Gegenteil. Eine umfassende Bildung zu fordern und dabei einen derart großen und wesentlichen Teil menschlicher Erkenntnis auszuklammern (es geht schließlich um nichts weniger als die Stellung des Menschen im Kosmos!) halte ich für unentschuldbar.
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Re: Altsprachl. Gymnas. gewinnt renommierten Wissenschaftspreis

Beitragvon Brakbekl » Mo 4. Apr 2011, 07:26

Pyrrha hat geschrieben:
brakbekl hat geschrieben:Ist nicht die Tatsache, daß altsprachliche Schulen sich durch ein "herausragendes neusprachliches bzw. naturwissenschaftliches Angebot" auszeichnen, schon ein Schritt in die falsche Richtung?

Entschuldigung, aber was soll das denn bitte heißen? Darf etwa eine altsprachliche Schule in Deutschland keinen guten neusprachlichen oder naturwissenschaftlichen Unterricht anbieten? Ich freue mich aufrichtig für alle Schulen, die solche Lehrer haben, in welchem Fach auch immer. Zu einer umfassenden Bildung gehören neben alten Sprachen nach wir vor auch moderne Fremdsprachen und naturwissenschaftliche Kenntnisse, und die manchmal stiefmütterliche Behandlung der Kulturwissenschaften durch die Naturwissenschaftler ist um nichts verwerflicher als die arrogante Ignoranz einiger Verfechter des klassischen Bildungsideals bezüglich naturwissenschaftlicher Fragestellungen, eher im Gegenteil. Eine umfassende Bildung zu fordern und dabei einen derart großen und wesentlichen Teil menschlicher Erkenntnis auszuklammern (es geht schließlich um nichts weniger als die Stellung des Menschen im Kosmos!) halte ich für unentschuldbar.


Also Pyrrha, wie alt bist Du? Ich denke, daß ein "herausragendes neusprachliches bzw. naturwissenschaftliches Angebot" zu einem Gymnasium heute dazugehört, andernfalls wäre es eine Klippschule. Wir leben schließlich heute. Ich hatte dies ungeschrieben vorausgesetzt. Ich wollte Dir nicht auf die Füße treten, eher Dich fragen, wo Du den Typos, den Du mit "arrogante Ignoranz einiger Verfechter des klassischen Bildungsideals" in D. schon mal im Bildungsbetrieb getroffen hast? Ich denke, daß der Typ ausgestorben ist. Vielleicht hat's ihn auch nie, bzw. nur aus unserer Perspektive gegeben.

Aber ad rem: Ich meine schon, daß sich ein altsprachliches Gymnasium durch den altsprachlichen Unterricht von den anderen abhebt, sonst hieße es nicht altsprachliches Gymnasium. Es muss auch nicht in den Realia excellieren, aber es darf.

Gruß
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Re: Altsprachl. Gymnas. gewinnt renommierten Wissenschaftspreis

Beitragvon Pyrrha » Mo 4. Apr 2011, 22:40

Hallo Brakbekl, ich finde es trotz allem einfach unangebracht, es als einen "Schritt in die falsche Richtung" zu bezeichnen, wenn ein altsprachliches Gymnasium sich in Naturwissenschaften auszeichnet und Preise gewinnt. Der Begriff "altsprachliches Gymnasium" bedeutet in Deutschland in der Regel, dass die Schüler dort die Möglichkeit haben, einerseits Latein ab Klasse Fünf zu belegen und andererseits Griechisch zu lernen, nicht mehr und nicht weniger. Natürlich gibt es einige Gymnasien mit weitaus höheren altsprachlichen Ansprüchen, der Regelfall ist das aber nicht, und der klassischen Bildung tut es keinerlei Abbruch, wenn gleichzeitig Schüler derselben Schule sich in Astronomiewettbewerben auszeichnen.

Der geisteswissenschaftlichen Arroganz bin ich sehr wohl schon begegnet. Oberflächlich gibt sie ein gewisses Grundinteresse an naturwissenschaftlichen Fragen vor, aber eher so weil man es nicht öffentlich eingestehen kann, ein solches nicht zu besitzen, und weil die Naturwissenschaften doch irgendwie zur Geistesgeschichte dazugehören; im Grunde fühlt sie sich aber allen Nicht-Kulturwissenschaftlern überlegen und erachtet alle natur- und ingenieur- sowie politik-/wirtschaftswissenschaftlichen Studien als minderwertig, erstere, weil sie keinen offensichtlichen Beitrag zur moralischen Verbesserung des Menschen leisten, und letztere sind sowieso moralisch verderbt. Da kann ich nur den Kopf schütteln, aber solche Exemplare existieren.
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Re: Altsprachl. Gymnas. gewinnt renommierten Wissenschaftspreis

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 4. Apr 2011, 23:03

Salvete,

Altsprachliche Gymnasien sind heute genauso weltoffen wie die anderen Gymnasien auch. Es gibt doch kaum mehr die "totale" humanistische Form, die mein Vater noch hatte: Sprachfolge Latein, Griechisch und dann am Schluß gerade noch Englisch. Da stimme ich Pyrrha zu. Also da nichts vermixen, brakbekl. Naturwissenschaften/Mathematik und klassische Sprachen ergänzen sich auch gut. Viele Mathematiker/Physiker waren auch gute Altsprachler und Philosophen. Unser nächstes humanistisches Gymnasium bietet Griechisch zusätzlich an, aber in abgespeckter Form und als später startende Sprache und nicht mehr in der extremen Bedeutung wie früher. Aber das macht doch nichts ... es wird angeboten und erweitert das Spektrum....das ist doch das entscheidende, dass wir wieder ins sogenannte Generale kommen und nicht nur spezialisieren.

Valete.
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Re: Altsprachl. Gymnas. gewinnt renommierten Wissenschaftspreis

Beitragvon Brakbekl » Di 5. Apr 2011, 08:42

Pyrrha hat geschrieben:Hallo Brakbekl, ich finde es trotz allem einfach unangebracht, es als einen "Schritt in die falsche Richtung" zu bezeichnen, wenn ein altsprachliches Gymnasium sich in Naturwissenschaften auszeichnet und Preise gewinnt.


Dann hab ich "auszeichnet" mißverstanden. Natürlich dürfen Schüler Preise gewinnen.

Pyrrha hat geschrieben:Der geisteswissenschaftlichen Arroganz bin ich sehr wohl schon begegnet. Oberflächlich gibt sie ein gewisses Grundinteresse an naturwissenschaftlichen Fragen vor, aber eher so weil man es nicht öffentlich eingestehen kann, ein solches nicht zu besitzen, und weil die Naturwissenschaften doch irgendwie zur Geistesgeschichte dazugehören;....


Vielleicht beruht diese diagnostizierte "Arroganz", die oft auch Mathematikern nachgesagt wird, darauf, daß Dreisatz und ACI seitdem sie bekannt sind, sich nicht veränderten, während der Menge aus dem Chor der mehrheitlich natur- sozial-, und ingenieurwissenschaftlich geprägten Scientific Community diachron dermaßen Widersprüchliches entgegenschallt, daß dagegen die spitzfindigen Definitionen und Diskussionen der Talmudisten oder byzantinischen Theologen als kompaktes und durchstrukturiertes und durchdachtes Lehrgebäude erscheint. Ich denke hierbei an den Klimaschwindel, die Theoretische Physik, die Kosmologie etc. Wenn ich dabei bemerkte, mit welcher Arroganz Vertreter dieser "Wissenschaft" die Worte "Astrologie" und "Alchemie" aussprechen wächst bei mir durchaus Verständnis das von Ihnen diagnostizierte Phänomen, obwohl Arroganz kene Tugend ist und auch in keiner Art anzustreben ist, denn sie widerspricht der Humilitas. Aber auch Geistesgeschichtler sind nicht vollkommen.

Pyrrha hat geschrieben:Der geisteswissenschaftlichen Arroganz bin ich sehr wohl schon begegnet. Oberflächlich.... im Grunde fühlt sie sich aber allen Nicht-Kulturwissenschaftlern überlegen und erachtet alle natur- und ingenieur- sowie politik-/wirtschaftswissenschaftlichen Studien als minderwertig, erstere, weil sie keinen offensichtlichen Beitrag zur moralischen Verbesserung des Menschen leisten, und letztere sind sowieso moralisch verderbt...


Das verstehe ich nun wieder nicht: Worin besteht die "offensichtliche moralische Verbesserung" und welchen Beitrag hätten dazu die klassischen Studien geleistet. Sollte damit der Beitrag der griechischen Klassik zur Akzeptanz "anderer Lebensentwürfe" (politdeutsch für faul) gemeint sein?

Wenn es einen Beitrag der alten Sprachen zum modernen Habitus gab, dann besteht dieser m. E. nicht in einer "moralischen Veredelung", die ich nirgends zu erkennen vermag, sondern in der Formung der "parlamentarischen Demokratie" in Anlehnung an die alte Polisdemokratie, die aber wohl was anderes war.
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Re: Altsprachl. Gymnas. gewinnt renommierten Wissenschaftspreis

Beitragvon Medicus domesticus » Di 5. Apr 2011, 10:39

brakbekl hat geschrieben:Ich denke hierbei an den Klimaschwindel, die Theoretische Physik, die Kosmologie etc. Wenn ich dabei bemerkte, mit welcher Arroganz Vertreter dieser "Wissenschaft" die Worte "Astrologie" und "Alchemie" aussprechen...


Solche Aussagen sind gerade die Crux, wenn man anderen wissenschaftlichen Fächern und Richtungen nicht vorurteilsfrei begegnet. Das gilt für beide Richtungen. Die Theoretische Physik, die sich ja um die mathematische Beschreibung von vielen physikalischen Phänomenen kümmert, als Wissenschaft in Anführungszeichen zu bezeichnen ist ,gelinde gesagt, respektlos und zeugt davon, dass einer sich mit der Theoretischen Physik noch sehr wenig beschäftigt hat.
Dass Physik und Naturphilosophie miteinander in keiner Konkurrenz stehen und eine Bereicherung darstellen, zeigt insbesondere Prof. Lesch. Geisteswissenschaften und die klassischen Naturwissenschaften sind heutzutage mehr denn je aufeinander angewiesen. Dies erkennen auch immer mehr Wissenschaftler in interdisziplinärer Zusammenarbeit.
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Re: Altsprachl. Gymnas. gewinnt renommierten Wissenschaftspreis

Beitragvon Brakbekl » Di 5. Apr 2011, 14:43

Medicus domesticus hat geschrieben: wenn man anderen wissenschaftlichen Fächern und Richtungen nicht vorurteilsfrei begegnet.


Ja, ja, darum geht es! Als vorurteilsfreier und unbefangener Beobachter braucht man ja nur mal Aussagen von Wissenschaftlern einer Richtung nebeneinander zu stellen. Es kommt ja immer mal vor, daß sich eine ganze Richtung verrennt, und dann die Flagge wechseln muß, weil sich alle zu weit vorgewagt haben (Eugenik/Genetik). Wahrscheinlich werden sich kommende Generationen, über Anmaßung und Hybris unserer Zeit ebenso mokieren und zugleich die eigenen Widersinnigkeiten vollkommen aus den Augen verlieren.
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