Keltische Mondzyklenanlage b.Villingen-Schwenningen entdeckt

Neues aus der Antike: aktuelle Forschungsergebnisse, Ausgrabungen, Veranstaltungen und die Antike in den Medien

Moderatoren: Zythophilus, marcus03, Tiberis, ille ego qui, consus, e-latein: Team

Re: Keltische Mondzyklenanlage b.Villingen-Schwenningen entdeckt

Beitragvon consus » Sa 18. Jun 2011, 12:54

Verf. von Pressemitteilungen gehen oft nicht so "pingelig" vor wie Wissenschaftler. Wenn aber dann unter Berufung darauf die Formulierung "das renommierte RGZM" benutzt wird, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass da durch das energische Schwingen der Autoritätskeule jener apodiktischen Äußerung argumentative Kraft verliehen werden soll.
Benutzeravatar
consus
Pater patriae
 
Beiträge: 14234
Registriert: Do 27. Jul 2006, 18:56
Wohnort: municipium cisrhenanum prope Geldubam situm

Re: Keltische Mondzyklenanlage b.Villingen-Schwenningen entdeckt

Beitragvon romane » Sa 18. Jun 2011, 14:58

Hippomenes hat geschrieben:Es bleibt festzuhalten, wie Zytho schon sagte, dass Caesar das Wort "luna" kaum benutzt.


dreimal
Die Freiheit ist ein seltsames Wesen - wenn man es gefangen hat, ist es verschwunden

www.mbradtke.de
Benutzeravatar
romane
Pater patriae
 
Beiträge: 11669
Registriert: Fr 31. Mai 2002, 10:33
Wohnort: Niedersachsen

Re: Keltische Mondzyklenanlage b.Villingen-Schwenningen entdeckt

Beitragvon Zythophilus » So 19. Jun 2011, 11:47

Ich male mir gerade aus, wie Miraculix seinen Mitbürgern das keltische Kalendersystem erklärt.
Zythophilus
Divi filius
 
Beiträge: 16909
Registriert: So 22. Jul 2007, 23:10
Wohnort: ad Vindobonam

Re: Keltische Mondzyklenanlage b.Villingen-Schwenningen entdeckt

Beitragvon Viatrix » So 19. Jun 2011, 20:08

Zythophilus hat geschrieben:Ich male mir gerade aus, wie Miraculix seinen Mitbürgern das keltische Kalendersystem erklärt.

:lol:
Seris venit usus ab annis.
Ovid, Metamorphosen
Benutzeravatar
Viatrix
Consul
 
Beiträge: 239
Registriert: Mo 27. Sep 2010, 17:01

Re: Keltische Mondzyklenanlage b.Villingen-Schwenningen entdeckt

Beitragvon Laptop » Mo 20. Jun 2011, 00:50

Aus der Universalien-Brille betrachtet: War der römische Kalender nicht zuerst auch ein Mondkalender? Liegt es nicht in der Natur der Sache, daß für jede Frühkultur die Mondphasen derart unübersehbar sind (ganz wie Sonnenauf- und Untergang), daß man zwangsläufig in Mond-Monaten rechnet, bevor man zu einer Exaktheit übergeht, bei der man nicht mehr tolerieren will, daß am Ende des Jahres ein paar Tage übrig sind und man zu Kunstgriffen der Zeitrechnung greift? Und selbst die Ägypter, die zu Caesars Zeiten bereits den Solarkalender entwickelt hatten (den Caesar abgekupfert hat), waren vormals eine Frühkultur ... Insofern wäre es eher eine Rätselhaftigkeit, wenn sich herausstellte, daß eine Kultur _nicht_ zuerst in Mond-Monaten gerechnet hätte.
SI·CICERONEM·ÆMVLARIS·VERE·NON·VIVAS (get a life!) OBITER·DICTVM·BREVITAS·DELECTAT (keep it short and simple = kiss)
Benutzeravatar
Laptop
Augustus
 
Beiträge: 5737
Registriert: Sa 12. Mai 2007, 03:38

Re: Keltische Mondzyklenanlage b.Villingen-Schwenningen entdeckt

Beitragvon consus » Mo 20. Jun 2011, 08:02

Schon Gaius Iulius Caesar berichtet im "Bellum Gallicum" über die auf dem Mond basierende Zeitrechnung der Kelten.
Ich denke, wir sollten, um die Diskussion nicht unverbindlich ausufern zu lassen, diesen kritisch hinterfragten Satz aus der o. g. Pressemitteilung im Auge behalten.
:roll:
Benutzeravatar
consus
Pater patriae
 
Beiträge: 14234
Registriert: Do 27. Jul 2006, 18:56
Wohnort: municipium cisrhenanum prope Geldubam situm

Re: Keltische Mondzyklenanlage b.Villingen-Schwenningen entdeckt

Beitragvon consus » Mo 20. Jun 2011, 12:22

LiviusAndronicus hat geschrieben:..,. Oberseminar des Heidelberger Archäologen Tonio Hölscher, ...unter anderem genau über dieses Thema (Keltische Zeitrechnung bei Caesar) gesprochen wurde. ...
Jeden von uns würde es interessieren zu erfahren, ob und inwieweit Erkenntnisse aus Hölschers Obersem. der obgenannten Behauptung in der Pressemitteilung des RGZM als Beweis dienen könnten. Agedum!
Benutzeravatar
consus
Pater patriae
 
Beiträge: 14234
Registriert: Do 27. Jul 2006, 18:56
Wohnort: municipium cisrhenanum prope Geldubam situm

Re: Keltische Mondzyklenanlage b.Villingen-Schwenningen entdeckt

Beitragvon Oedipus » Mo 20. Jun 2011, 12:56

Ich habe mir noch ein paar Stellen genauer betrachtet:

Ausgehend von der Germania des Tacitus, Kapitel 11:

Coeunt, nisi quid fortuitum et subitum incidit, certis diebus, cum aut incohatur luna aut impletur; ...
Nec dierum numerum, ut nos, sed noctium computant. Sic constituunt, sic condicunt: nox ducere diem videtur.


Wenn man Caes. bell. Gall. 1,50,5 hinzunimmt:
eas ita dicere: non esse fas Germanos superare, si ante novam lunam proelio contendissent.


finden wir also bei Caesar keine ausführlichen Beschreibungen hinsichtlich der Zeitrechnung, aber mit Caes. bell. Gall. 6,18 bin ich nun überzeugt, dass Caesar die keltische Rechnung so rudimentär kannte, dass er es für seine Beschreibungen im Gallischen Krieg nicht benutzen konnte. Er behilft sich immer wieder mit groben Formulierungen mit "Tag und Nacht" anstatt die Rolle des Mondes genauer darzustellen.
Bell. Gall. 1,50,5 macht zudem klar, dass der Mond schon ein Teil des Aberglaubens war!
Chima: Hodie erat heri iam cras!
Benutzeravatar
Oedipus
Censor
 
Beiträge: 699
Registriert: Sa 22. Mai 2010, 12:07

Re: Keltische Mondzyklenanlage b.Villingen-Schwenningen entdeckt

Beitragvon consus » Mo 20. Jun 2011, 14:55

Salve, Oedipus.
Bzgl. Caes. Gall. 1, 50, 5 konnten wir oben schon Zythophilens Hinweis lesen. Zum Tagesbeginn bei den Römern vgl. Censorinus 23, 3: ...Romani a media nocte ad mediam noctem diem esse existimarunt (im Unterscheid etwa zu den Athenern, bei denen der Tag ab occasu solis ad occasum [ebd.] reicht) und 24, 1: Incipiam a nocte media, quod tempus principium et postremum est diei Romani. Kein Wunder also, so scheint es, dass Caesar im Hinblick auf den römischen Leser die Angabe ut noctem dies subsequatur (Gall. 6, 18, 2) für mitteilenswert hielt.
Benutzeravatar
consus
Pater patriae
 
Beiträge: 14234
Registriert: Do 27. Jul 2006, 18:56
Wohnort: municipium cisrhenanum prope Geldubam situm

Re: Keltische Mondzyklenanlage b.Villingen-Schwenningen entdeckt

Beitragvon consus » Sa 25. Jun 2011, 10:23

LiviusAndronicus:
...Da muss ich jetzt allerdings energisch widersprechen. ...
Außerdem bin ich mir sicher, dass vor Jahren in einem Oberseminar des Heidelberger Archäologen Tonio Hölscher... über dieses Thema (Keltische Zeitrechnung bei Caesar) gesprochen wurde. Ich muss mal meine alten Unterlagen herauskramen, dann kann ich mehr dazu sagen...
Stichhaltige Argumente für den energischen Widerspruch zu finden scheint offenbar doch nicht so ganz einfach zu sein. Quid diutinum adeo tenes silentium, Livi Andronice? Num argumentorum inopia laboras?
:roll:
Benutzeravatar
consus
Pater patriae
 
Beiträge: 14234
Registriert: Do 27. Jul 2006, 18:56
Wohnort: municipium cisrhenanum prope Geldubam situm

Re: Keltische Mondzyklenanlage b.Villingen-Schwenningen entdeckt

Beitragvon Brakbekl » Di 5. Jul 2011, 07:35

Der Wissenschaftler Dr. Allard Mees vom Rheinisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz (RGZM) teilte heute mit, die Gräber um das Fürstengrab stimmten mit den Sternbildern des nördlichen Himmels überein.


Also, die Arbeit möchte ich erst mal lesen. Leider ist keine Lit. angegeben. Ich versteh auch nicht, was damit gemeint sein kann. Man kann Gräber nach einer Himmelsrichtung ausrichten, aber wie soll das gehen nach den sich jede Minute ändernden Standorten der Sternbilder?

und was ist mit "übereinstimmen mit Sternbildern" gemeint? Klingt sehr nach Sensationshascherei ..
fide et virtute famam quaere
Benutzeravatar
Brakbekl
Senator
 
Beiträge: 3264
Registriert: Sa 18. Aug 2007, 15:07

Re: Keltische Mondzyklenanlage b.Villingen-Schwenningen entdeckt

Beitragvon Brakbekl » Di 5. Jul 2011, 08:50

Laptop hat geschrieben:Aus der Universalien-Brille betrachtet: War der römische Kalender nicht zuerst auch ein Mondkalender? Liegt es nicht in der Natur der Sache, daß für jede Frühkultur die Mondphasen derart unübersehbar sind (ganz wie Sonnenauf- und Untergang), daß man zwangsläufig in Mond-Monaten rechnet, bevor man zu einer Exaktheit übergeht, bei der man nicht mehr tolerieren will, daß am Ende des Jahres ein paar Tage übrig sind und man zu Kunstgriffen der Zeitrechnung greift? Und selbst die Ägypter, die zu Caesars Zeiten bereits den Solarkalender entwickelt hatten (den Caesar abgekupfert hat), waren vormals eine Frühkultur ... Insofern wäre es eher eine Rätselhaftigkeit, wenn sich herausstellte, daß eine Kultur _nicht_ zuerst in Mond-Monaten gerechnet hätte.


In der Tat erscheint das Factum, daß die Frühen Kulturen nach dem Mond rechneten paradox, als doch die Sonnentagszählung praktisch viel einfacher ist. Wahrscheinlich rechneten sie weniger, sondern beobachteten. Für sie wird auch nicht ein abstraktes Datum wichtig gewesen sein, sondern eher die Veränderungen, die als nächste in der Natur zu erwarten sind. Daß die Zahl 12 etwas mit dem Mond und dem Jahr zu tun habe, ist ja ein Kunstgriff, denn der Mond umrundet 13 + mal die Erde in einem Sonnenjahr.
fide et virtute famam quaere
Benutzeravatar
Brakbekl
Senator
 
Beiträge: 3264
Registriert: Sa 18. Aug 2007, 15:07

Vorherige

Zurück zu Neuigkeiten aus dem Altertum



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste