Wurst in der Antike

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Wurst in der Antike

Beitragvon Zythophilus » Mo 7. Sep 2015, 22:35

Im "Standard" von vorgestern findet sich ein Artikel über Würste, und das Thema "Wurst in der Antike" wird auch gestreift. http://derstandard.at/2000021595773/Gar ... lte-Haeute
In der Antike stand dieses Thema [gemeint ist das Haltbarmachen, speziell durch Nitritpökelsalz, oder aber Einfrieren] gar nicht zur Debatte, hatte man doch weder Pökelsalz noch einen Gefrierschrank. Doch bereits damals gab es eine Urform der Wurst, bei der Schweine- oder Schafsmägen gefüllt wurden. Generell diente und dient die Wurst dazu, geschlachtete Tiere weitestgehend zu verwerten und haltbar zu machen.

Abgesehen davon, dass in dem kurzen Abschnitt bereits ein Widerspruch enthalten ist (Wurden in der Antike nur Würste zum sofortigen Verzehr produziert oder war es eine Methode, Fleisch haltbar zu machen?), scheint mir die apodiktische Aussage, dass das nicht mit Salz geschah - das mag jetzt nicht dasselbe wie Nitritpökelsalz gewesen sein - doch gewagt. Für Fische war die Methode weit verbreitet. Auch kommen mir die "Schweine- oder Schafsmägen" seltsam vor. Bei Apicius ist in diesem Zusammenhang von intestinum die Rede (II 3-5), wenn es um Würste geht, was doch "Darm" und nicht "Magen" heißt. In II 5,4 ist sogar vom Räuchern die Rede (fumas), aber mir ist nicht klar, ob das hier zur Konservierung dient.
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Re: Wurst in der Antike

Beitragvon RM » Di 8. Sep 2015, 02:09

Eigentlich gehört das hier ja in unseren Römische-Küche-Thread.

Zythophile, kennst Du Dich in der modernen italienischen Küche aus? Da gibt es ziemlich viele Varianten von "Lucanica" oder "Luganeca". Das ist ungefähr das, was wir heute meistens unter "Würsten" verstehen, also die in Lukanien (Basilicata) erfundenen groben Würste, die in Dünndärme gefüllt werden und je nach Gegend geräuchert oder getrocknet oder frisch zubereitet (z.B. gebraten) werden. Ähnliche Varianten hatten die Römer ebenfalls. Dass die Römer weder Pökelsalz noch Gefrierschrank kannten, ist so nicht ganz richtig. Kühllager gab es, ebenso wahrscheinlich auch Nitratsalze. Ich wüsste aber nicht, welche Leute Würste im Gefrierschrank aufheben - sollte man eigtl. nicht tun müssen. Als Hülle für die Würste wurden ganz verschiedene Dinge verwendet, neben Därmen natürlich auch Mägen oder gut ausgewaschene Schweinsblasen oder das Eingeweidefettnetz.
In meinem neuesten Buch steht auch ein bisschen was über das Thema und es gibt vor allem Rezepte ... :wink:

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Re: Wurst in der Antike

Beitragvon Zythophilus » Di 8. Sep 2015, 06:43

Gratias!
Ich würde nicht sagen, dass ich mich in der modernen italienischen Küche gut auskenne, aber in etwa weiß ich, welche Arten von Würsten es gibt. Da sind welche, die man länger ungekühlt lagern kann - eben geräuchert oder mit Salz konserviert -, aber es gibt auch Varianten, die aus rohem Fleisch bestehen und daher in kurzer Zeit verzehrt werden müssen. Meine Vermutung war ja ohnedies, dass die Angaben aus dem Artikel so nicht stimmen.
Kühllager waren wohl für die meisten Römer keine Option, doch eine private Kühlmöglichkeit hatte auch in den kommenden Epochen keiner zu Hause. Eine flächendeckende Ausstattung der Haushalte mit Kühlschränken kommt in Europa erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s. Das hat natürlich einiges verändert, da man viele Lebensmittel einfach lagern und damit frisch verzehren kann, bedeutet aber nicht, dass diverse Konservierungsmethoden, die ja auch geschmacklich interessant sein können, verschwinden müssen. Umgekehrt klang es mir eben nicht plausibel, dass eine verbreitete Art der Konservierung wie Einsalzen bzw. Pökeln in der Antike gerade für Würste nicht angewendet worden wäre.
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Re: Wurst in der Antike

Beitragvon ille ego qui » Di 8. Sep 2015, 11:37

das Wurstvokabular ist gar nicht so beschränkt, neben den (zumindest unter Neulateinern) geläufigeren "botulus", "tomaculum" und "farcimen" finden sich noch einige andere ausdrücke aus diesem Bereich:
http://www.zeno.org/Zeno/0/Suche?q=*wur ... orges-1913
Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena
carmen et egressus silvis vicina coegi,
ut quamvis avido parerent arva colono,
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Re: Wurst in der Antike

Beitragvon Zythophilus » Di 8. Sep 2015, 19:00

Auch bei den Römern ging's um die Wurst. Meine ursprüngliche Frage zielte mehr auf die Haltbarkeit antiker Würste - bis heute hat natürlich keine durchgehalten - und etwaige Konservierungsmethoden ab. Findet sich da Genaueres zu den im Georges genannten Sorten?
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Re: Wurst in der Antike

Beitragvon RM » Di 8. Sep 2015, 19:53

ille ego qui hat geschrieben:das Wurstvokabular ist gar nicht so beschränkt, neben den (zumindest unter Neulateinern) geläufigeren "botulus", "tomaculum" und "farcimen" finden sich noch einige andere ausdrücke aus diesem Bereich:
http://www.zeno.org/Zeno/0/Suche?q=*wur ... orges-1913

Bitte mit dem Georges in dieser Beziehung höllisch aufpassen. Vieles stimmt da nicht ganz, so ist z.B. isicium das, womit die Wurst gefüllt wird, nicht aber die Wurst selbst, und Mortadella kommt zweifelsfrei von "mortarium", nicht von "murtatus", was mehr auf Myrtenbeeren als Gewürz hinweist.

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Re: Wurst in der Antike

Beitragvon ille ego qui » Di 8. Sep 2015, 21:57

Lässt sich das -d- in Mortadella dann trotzdem irgendwie erklären? Manchmal spielen ja mehrere ähnliche Wörter in der Etymologie zusammen ... :roll:
Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena
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Re: Wurst in der Antike

Beitragvon RM » Di 8. Sep 2015, 23:44

und aus dem "r" von "mortarellus" wurde ein "d" ...
So wie bei "armarium" -> "armadio" :)

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Re: Wurst in der Antike

Beitragvon ille ego qui » Do 10. Sep 2015, 12:48

interessant. danke.
Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena
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Re: Wurst in der Antike

Beitragvon RM » Do 10. Sep 2015, 18:30

... so etwas passiert wahrscheinlich, wenn lateinische Muttersprachler Schnupfen bekommen ... :wink:

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Re: Wurst in der Antike

Beitragvon ille ego qui » Do 10. Sep 2015, 18:39

:D
man kann sich das ganz gut vorstellen - aus dem lateinischen "zungenspitzen-r"
Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena
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