Stoische Philosophie: Braucht der Weise Freunde?

Diskussionen zu den antiken Philosophen, ihren Ideen und ihrer Rezeption

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Beitragvon Rea Silvia » Sa 27. Dez 2003, 20:12

Wunderbar! :D Ich warte mal wieder... :)
Ich wollte eigentlich auch noch was dazu schreiben, aber hatte über die Weihnachtstage nur wenig Zeit (war mit Verwandtenbesuchen und Weihnachtsessen beschäftigt... :roll: ).
Komme heute Abend auch nicht dazu, aber vielleicht morgen...
Rea Silvia
 

Beitragvon Anachronist » Sa 27. Dez 2003, 20:22

um so besser ;) Es philosophiert sich leichter, wenn man bei den Gedanken anderer anfangen kann ;)

Ana
Anachronist
 

Beitragvon Anachronist » Mi 31. Dez 2003, 14:32

@Appolodorus : danke fürs verschieben ;)
Anachronist
 

Beitragvon Clemens » Mi 31. Dez 2003, 14:50

@Anachronist

Hast du dir Apollodorus' Namen eigentlich einmal genauer angesehen? :D
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Beitragvon Anachronist » Mi 31. Dez 2003, 15:18

ach sei ruhig :D Ich verschreib mich da dauernd..ist mirirgendwann schon einmalf aufgefallen, daraufhin nahm ich mir vor mich zu bessern, und daraufhin hab ichs vergessen ;) :oops:

Ana
Anachronist
 

Beitragvon Anachronist » Mi 31. Dez 2003, 16:17

Auch wenn ich beispielweise Seneca lese, ist es mein Erleben eines Senecatextes, die mich formt, nicht Senecas Erleben. In dieser hinsicht ist der Mensch immer alleine


Um den thread mal wieder zum Philosophischen zu bringen, versuche ich dann doch erst mal ein bisschen auf diesen Punkt einzugehen, da das, was ich sonst so rumüberlege noch ziemlich lange dauern könnte.

Diesen Punkt habe ich in meinem Thread eingebaut, um die Unsicherheit, die jeder Mensch in der Welt zu bewältigen hat, besser zu betonen. Gemeint ist damit, dass das Bild, das ich von der Welt habe, die Vortstellungen, die ich mit ihr verbinde notwendigerweise nur die meinen sind. Mit Vorstellungen sind nicht nur gedankliche Vorstellungen, sondern auch die Sinneseindrücke gemeint; eigentlich sogar mein gesamtes Bewustsein, meine gesamte Welt.

Am leichtesten lässt sich der Punkt jedoch an Hand der Sinneseindrücke erklären. Es ist ein alter philosophischer Gemeinplatz, dass, wenn zwei Leute die selbe Wiese betrachten, der eine einfach nicht wissen kann, ob das Grün, dass er sieht das selbe ist, das der andere sieht. Wir sehen zwar den Gegenstand, aber nicht wie der andere den Gegenstand wahrnimmt.

Dieses schlichte Beispiel lässt sich beliebig ausdehnen. Ich kann auf Grund meiner Beobachtungen eines Menschen darauf schließen, dass er z.B. das empfindet, was ich als Trauer oder auch als Glück empfinde aber ich weiß nie wirklich was er fühlt. Hiermit ist keine bewuste Täuschung gemeint, sondern die Tatsache, dass mir das Bewustsein des anderen verschlossen ist. Ich interpretiere das Verhalten des anderen, in dem ich sein Verhalten mit meinem vergleiche und mir überlege, was in mir vorgeht, wenn ich mich so verhalte, wie es mein Gegenüber gerade tut. Es ist mir aber nicht möglich zu wissen; die Interpretation bleibt zwangsläufig die meine. Letztendlich kann man sagen, dass jeder Mensch seine eigene Welt in seinem Bewustsein trägt und es ihm weder möglich ist diese einem anderem zu zeigen, noch die Welt eines anderen zu erleben. Der Mensch ist in seinem Bewustsein alleine. Die Tragik, die hierin liegen kann, wird in kühlen logischen Argumentationen erst einmal nicht sichtbar. Deshalb lasse ich erst einmal Herman Hesse sprechen:

Im Nebel

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.

Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.

Seltsam, Im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.

November 1905

und zum selben Thema Pink Floyd:


"Hey You"

Hey you ! out there in the cold
Getting lonely, getting old, can you feel me
Hey you ! Standing in the aisles
With itchy feet and fading smiles, can you feel me
Hey you ! don't help them to bury the light
Don't give in without a fight.
Hey you ! out there on your own
sitting naked by the phone would you touch me
Hey you ! with your ear against the wall
Waiting for someone to call out would you touch me
Hey you ! would you help me to carry the stone
Open your heart, I'm coming home

Anmerkung: An der Stelle hebt die Musik ab. "I`m coming home"...man hört förmlich wie der "Sprecher" abhebt, um die Mauer zu überwinden. Genial gemacht ist, dass der musikalische Ausdruck von "Anlauf nehmen" und "Abheben" dadurch zu Fall gebracht wird, dass die angeschlagene Melodie, ohne sich dabei großartig zu ändern, ins Monotone umschlägt, da sie zu lange fortgesetzt wird, als dass sie ihre Dynamik behalten könnte. Nachdem diese Monotonie eingetreten ist, geht der Text weiter:

But it was only a fantasy
The wall was too high as you can see
No matter how he tried he could not break free

And the worms ate into his brain.
Hey you ! out there on the road
Doing what you're told, can you help me
Hey you ! out there beyond the wall
Breaking bottles in the hall, can you help me
Hey you ! don't tell me there's no hope at all
Together we stand, divided we fall.

Die Aussage des Liedes interpretiere ich derart, dass es den Menschen möglich ist sich durch "die Mauer", oder auch durch "den Nebel" zu spüren, zu erahnen, dass da jemand ist, der uns ähnlich sein könnte, dass aber dennoch der Versuch diese Schranke zu überwinden zum Scheitern verurteilt ist.

Der Grund, warum ich diesen Themenkomplex überhaupt angeschnitten habe war, dass es unglaublich schwierig ist über "richtig" und "falsch" zu entscheiden, wenn man auf sich alleine gestellt ist. Man ist sich seiner eigenen Fehlbarkeit bewusst und mit der Erkenntnis der Einsamkeit des Menschen ist man sich selbst sein einziger Richter.

Hinzu kommt, das für die meißten Menschen unserer Zeit "Gott tod ist", d.h., dass die nicht hintergehbare, objektive, nicht von den eigenen Erkenntnissen und den damit verbundenen Fehlern abhängige Instanz, die uns zweifelsfrei sagt, was "richtig", was "falsch" ist, nicht mehr existiert. Der Mensch ist auf sich selbst zurückgeworfen. Er muß zum Übermensch werden, um sich sein eigenes Recht zu erschaffen, dass ohne Legitimationsquelle außerhalb seiner selbst Geltung beansprucht. In gewisser Hinsicht könnte man sagen, er muss zum Weisen werden.

Jetzt kann ich noch genauer sagen, warum ich die Sache im Senecathread angesprochen habe: Auf der Suche nach "richtig" und "falsch", auf der Suche nach Orientierung wendet sich der Mensch anderen Mesnchen zu. Hierbei ist nun nicht nur die Fehlbarkeit der anderen Menschen ein Problem, sondern auch die Tatsache, dass ich, selbst dann, wenn ich z.B. Seneca Unfehlbarkeit unterstellen würde (Warum mag der Pabst wohl daran festhalten?), ich ihn nicht verstehen könnte. Ich habe ein Erleben Senecas, nicht Senecas Erleben. Zwischen uns steht der Nebel, die "wall", die Grenze zwischen unserem Bewustsein. Nie kann ich wissen, ob das, was ich fühle und denke, wenn ich seine Worte lese, das ist, was er gefühlt und gedacht hat, als er sie schrieb. Ich interpretiere ihn und ich bin fehlbar und ich bin alleine. Er nimmt mir die Entscheidung was "richtig" und was "falsch" ist nicht ab. Die Wahl, die Verantwortung, liegt bei mir.

Ich glaube übrigens mittlerweile so wohl die Einsamkeit des Menschen wiederlegen zu können, als auch die Lösung des ein oder anderen anderen Problems gefunden zu haben oder sie zu mindestens zu wittern. Das dauert aber noch ein wenig ;)

Ana

NACHTRAG: Ich würde empfehlen das Lied zu hören. Musik erschließt sich nicht durch lesen...außerdem ist es saugut :D
Anachronist
 

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