Stoische Philosophie: Braucht der Weise Freunde?

Diskussionen zu den antiken Philosophen, ihren Ideen und ihrer Rezeption

Moderatoren: Zythophilus, marcus03, Tiberis, ille ego qui, consus, e-latein: Team

stoa seneca

Beitragvon richard » Sa 20. Dez 2003, 17:35

Es geht bei der späten STOA und besonders bei Seneca nicht um APATHIE(das Fehlen aller Empfindungen). sondern um den griechische Begriff der ATARRAXIA, dass heißt Unempfindlichkeit gegenüber allen Schicksalsschlägen.
Gerade die Freundschaft als soziale Komponente spielt bei Seneca eine wichtige Rolle.

Wie wäre sonst seine Epistuale Morales an den >Freund Lucilius zu erklären?

Richard
richard
 

Beitragvon Anachronist » Sa 20. Dez 2003, 18:29

Das habe ich ja nie geleugnet. Ich habe ja Seneca nicht "vorgeworfen", dass er Empfindungslosigkeit fordert, sondern versucht aufzuzeigen, dass er meiner Meinung nach gerade dadurch, dass er auf der einen Seite die Empfindungen (und damit z.B. auch den Schmerz) zulässt und auf der anderen den unverletzlichen Weisen stehen hat in gewisse Schwierigkeiten kommt. Diese Schwierigkeiten sind nicht der Grund, aus dem ich das Bild, das sich Seneca vom Weisen macht, angreife aber dadurch, dass ich an die Frage nach dem gutem Leben anders herangehe, bzw. von diesem Idealbild des Weisens als nicht mehr wieterzuentwickelnde Person abweiche, stellen sich mir diese Schwierigkeiten nicht mehr. Es ist also nicht die Frage, ob der Mensch, auch als Weiser, noch Gefühle hat, dies würde Seneca nie leugnen, sondern darum, ob es den Weisen als vollendetes Wesen überhaupt geben kann und dies leugne ich ;)..und dies, ohne darüber traurig zu sein.

Ana
Anachronist
 

Beitragvon Anachronist » Sa 20. Dez 2003, 21:44

Nachtrag:

Ich kome nicht umhin diesem Mann doch noch einmal meinen Respekt zu zollen. Der in meinen Augen bedeutenste Satz, den er geschrieben hat, ist der erste im ersten Brief an Lucilius, wohl auch nicht ganz zufällig an dieser Stelle.

Ita fac, mi Lucili, vindica te tibi!

Ich weiß, dass ich den Satz frühzeitig abgebrochen habe aber mit diesen sieben Wörtern hat er alles gesagt, was da später noch kommen sollte. Alles, wirklich alles, was ich bis jetzt bei ihm gefunden, mir bei anderen als Wahrheit erschienen ist oder ich mir selbst gedacht habe, kann in diesem Satz begründet werden. Ein schlichtes Stück Wahrheit in einer komplizierten Welt ;) Wow! (<--mit !)

Ana
Anachronist
 

Re: Stoische Philosophie: Braucht der Weise Freunde?

Beitragvon ausderneuenwelt » So 21. Dez 2003, 17:16

Rea Silvia hat geschrieben:Nach der Stoa darf der Weise ja keine Bedürfnisse haben, da er ja in Apathie lebt, ihm also aufgrund von Affektvermeidung, alles gleichgültig ist, nur dann kann er ein glückliches Leben führen. Also muss die Freundschaft als Adiaphoron (Gleichgültiges) betrachtet werden, selbst wenn sie ein bevorzugter Trieb ist.
Seneca, als Vertreter der Stoa, sagt aber an anderer Stelle, dass jeder Mensch Freunde braucht. Er sagt, dass es in der Natur des Menschen liegt.
Seneca wiederspricht sich/seiner Lehre doch selbst, oder? :?

PS: Tut mir leid, dass ich die griechischen Worte nicht in griechischer Schrift geschrieben habe, aber ich weiß leider nicht, wie man das macht. Ich finds auch unschön!!! :x


Der Philosoph braucht den Feund als Reflektor und Mitentwickler seiner Gedanken. Es ist ja eines der Wesenszüge einer jeden Philosophie nachzudenken und wer nur im eigenen Saft schwimmt, kann die Dinge nur aus seiner begrenzten Perspektive sehen. Ein guter Freund, also einer der einem nicht nur nach dem Mund redet, wird einem Freund auch immer im Denken weiterhelfen, eben weil er einen anderen Standpunkt hat und man deshalb einen anderen Blickwinkel auf ein Problem erhält. Insofern braucht selbst ein Stoiker, wenn er seine Lehre ernstnimmt, einen Freund, der ihm beim Durchdenken und Betrachten seines Lebens hilft.
ausderneuenwelt
 

Beitragvon Anachronist » So 21. Dez 2003, 17:31

Hoi,

dass der Freund, der Mensch, der einen versteht und korrigiert, dazu benötigt wird, um sich entwickeln zu können, ist so sicher richtig. Aber ich denke, dass, wenn man die Frage so beantwortet, die Ausgangsfrage noch nicht beantwortet ist. Erstens würde der Weise selbst den Freund hierfür nicht mehr brauchen, da er ja sein Werden abgeschlossen hat und zweitens wird in dieser Erklärung das Wort "brauchen" nur in seiner funktionalen Hinsicht beleuchtet. Der Wiederspruch aber, dass der Weise durch den Velrust des Freundes nicht verletzt wird, entspringt aber nicht einer solch utilitaristischen Perspektive, sondern daraus, dass der Mensch einen Freund in dem Sinne braucht, dass er ihn liebt. Lässt man diesen aspekt weg, handelt es sich bei dem Freunde um nicht mehr als einen Katalysator im Entstehungsprozess des Weisens.

Ana
Anachronist
 

Beitragvon Rea Silvia » So 21. Dez 2003, 19:08

Wow, nicht schlecht :klatsch: !!!
Kein Wunder,dass du diese philosophische Abhandlung ( :wink: ) nicht mal so eben bei schreiben konntest.

Ich find das auch alles ziemlich nachvollziehbar, bis auf diese Stelle, die mir nicht ganz klar ist:
Anachronist hat geschrieben: Auch wenn ich beispielweise Seneca lese, ist es mein Erleben eines Senecatextes, die mich formt, nicht Senecas Erleben. In dieser hinsicht ist der Mensch immer alleine


Also meinst du mit Erleben das, was in Seneca vorgeht oder das was Seneca von sich nach außen mitteilt (oder irgendetwas völlig anders)?

Wenn nämlich das zweite zutrifft, stimme ich in diesem Punkte eher Seneca zu, dass man zwar auch durch die theoretische Lehre "geformt" werden kann, dass es aber sehr viel leichter ist, durch ein praktisches Beispiel, z.B. ein Lebendiges Vorbild geformt/geprägt zu werden.

Zitat Seneca:
"Plus tamentibi et viva vox et convictus quam oratio proderit; in rem praesentem venias oportet, primum quia homines ampliusoculis quam auribus credunt, deinde quia longum iter est per praecepta, breve et efficax per exempla.
Zenonem Cleanthes non expressisset, si tantummodo audisset: vitae eius interfuit, secreta perspexit , observavit illum, an ex formula sua viveret."
(Epistulae morales ad Lucilium: ep. VI)
Rea Silvia
 

Beitragvon Rea Silvia » So 21. Dez 2003, 19:15

Hab die anderen Beiträge eben gar nicht gesehen, aber hier kann ich mich nur den Antworten von Anachronist anschließen... :)
Rea Silvia
 

Beitragvon Anachronist » So 21. Dez 2003, 19:59

Ich hab schon gemerkt, dass ich da nicht ganz präzise war. Die Stelle ist für meinen Argumentationsgang dann auch nicht so wichtig geworden, wie ich es ursprünglich gedacht habe. Das ganze wurde ja von oben nach unten geschrieben.

Trotzdem finde ich den Gedanken dahinter wichtig. .........AAAAAAA...Stopp! ;)

Wenn ich jetzt damit anfange, komme ich wieder ins Schwafeln ;) Ich kann, ich mag und ich will da nicht anders. So lange du aber interessiert bist, mach ich gerne weiter. Mir bringt das Schreiben selbst sehr viel. Gedanken in sprachliche Struktur bringen, zwingt einen sie zu ordnen und sie auf ihre Konsistenz hin zu überprüfen....blabla..ich wollte doch nur mal schnell ins Forum gucken....deshalb, komme ich selbst immer weiter wenn ich schreibe.

Philosophie lebt von dem Gespräch. Und wozu ist ein "Forum" denn da ;)

bis zum nächstem mal

Ana
Anachronist
 

Beitragvon Rea Silvia » Mo 22. Dez 2003, 15:32

Anachronist hat geschrieben:So lange du aber interessiert bist, mach ich gerne weiter. Mir bringt das Schreiben selbst sehr viel.


Ja, klar bin ich weiterhin an deinen Ansichten interessiert, denn die Gedanken anderer leiten mich dazu meine eingenen Gedanken diesen gegenüber und in Frage zu stellen.
So kommt man von seinen eigenen festgefahrenen Meinungen los.
Rea Silvia
 

Beitragvon Anachronist » Mo 22. Dez 2003, 15:46

Dann mach ich demnächst weiter. Im Moment läufts nur mit dem Lernen nicht so toll. Da muss ich erst mal wieder Ordnung rein bringen und etwas vorankommen ;)

Ana
Anachronist
 

Beitragvon Rea Silvia » Mo 22. Dez 2003, 15:52

Anachronist hat geschrieben:Dann mach ich demnächst weiter. Im Moment läufts nur mit dem Lernen nicht so toll. Da muss ich erst mal wieder Ordnung rein bringen und etwas vorankommen ;)

Ana


Oh, du ärmster...
aber mach dich nicht verrückt. Hab ich ne Zeitlang gemacht, bin dann irgendwann mit nem "Stressmagen" zusammen gebrochen! :huh:
Hab daraus gelernt, nehme mir jetzt zwischendurch auch Pausen. Genieße z.B. jetzt erstmal die Ferien... :)
Rea Silvia
 

Beitragvon Anachronist » Mo 22. Dez 2003, 22:54

;) Keine Sorge. Ich mach jetzt erst mal ein paar Tage etwas langsamer; sonst bleibt eh` nichts hängen. Vielleicht komme ich ja dann doch noch in diesem Jahr dazu ein bisschen was zu schreiben. Kann allerdings sein, das ich von Ausgangsthema erst einmal wieder ziemlich weit wegkomme. Ich werde jedoch versuchen den Brückenschlag dorthin wieder zu bewerkstelligen. Es ist immer ganz praktisch, wenn man einen roten Faden hat, um den man sich herumdenkt und der verhindert, dass man vollkommen ungezielt durch die Gegend reflektiert ;)
Es würde mir eigentlich sehr gut gefallen, wenn man den Thread hier en wenig am Leben erhalten könnte, auch wenn er manchmal für einige Weile still steht. Vielleicht kommt ja irgendwann noch jemand dazu...wobei es natürlich immer mehr Aufwand kostet sich durch das gepostete Dickicht zu kämpfen ;)

Ana
Anachronist
 

Beitragvon Euripides » Di 23. Dez 2003, 13:38

Ist der Epikureismus nicht sinnvoller und realistischer?
Phantasia ei kai ou pantos to phainomenon.
Benutzeravatar
Euripides
Senator
 
Beiträge: 2840
Registriert: Sa 25. Okt 2003, 15:54

Beitragvon Anachronist » Di 23. Dez 2003, 14:29

Ich kenne mich Epikur nicht gut genug aus, um ihn auf diese Art und Weise auseinanderzunehmen. Ich sehe aber mittlerweile so oder so jedes philosophische System als Ausgangs- und Bezugspunkt der eigenen Gedanken. Stoiker und Epikur eint - so weit ich es weiß - der Gedanke nach den Gesetzen der Natur zu leben. Vielleicht ist die Natur eines jeden ein wenig anders beschaffen ;) Vielleicht irrten beide, vielleicht haben beide recht. Sicher ist nur, dass sie beide etwas wertvolles über den Menschen - und somit über jeden einzelnen von uns - gesagt haben. Epikur steht fest auf der Lise derer, die ich einmal lesen will. Doch im Moment bin ich bei Seneca und werde da wohl auch noch ziemlich lange bleiben.

Darauf aber achte, dass nicht die Lektüre vieler Autoren und Bücher aller Art mit sich bringe etwas Planloses und Unstetes. Bei bestimmten Geistern muss man verweilen und sich von ihnen durchdringen lassen, wenn du etwas gewinnen willst, was in der Seele zuverlässig Platz finden soll.

Nusquam est, qui ubique est."

Seneca: Episutlae morales; Epistel II


und über Epikur:

"Epikur", erwiderst du, "hat es gesagt. Was hast du mit Fremnden zu tun?" Was wahr ist ist mein Eigentum: Ich werde fortfahren, Epikur dir dringend nahezulegen, damit die Menschen, die auf Worte schwören und nicht, was gesagt wird, einschätzen, sondern nur von wem- wissen: was das Beste ist, ist allgemeiner Besitz. Leb wohl."

Seneca: Epistulae morales; Epistel XII


In diesem sinne ;)

Ana
Anachronist
 

Beitragvon Anachronist » Sa 27. Dez 2003, 15:05

@Rhea Silvia: es kommt noch ;)
Anachronist
 

VorherigeNächste

Zurück zu Antike Philosophie



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 9 Gäste