Seneca und der Rückzug aus der Politik

Diskussionen zu den antiken Philosophen, ihren Ideen und ihrer Rezeption

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Beitragvon Parmenides » Mi 31. Dez 2003, 19:18

Zwar nur Mutmaßungen, da ich mich nicht so gut mit Seneca auskenne,
aber vielleicht erging es ihm wie Platon:

7.Brief:
"Obwohl ich also anfangs von einem starken Drang nach politischer Tätigkeit erfüllt war, wurde mir, als ich diese Entwicklung betrachtete und überall alles in Bewegung sah, schließlich schwindlig. Ich hörte zwar nicht auf, darüber nachzudenken, wie es einmal besser werden könnte mit eben diesen Zuständen und überhaupt mit dem gesamten Staatswesen, für das Handeln aber wartete ich immer auf die rechte Gelegenheit."
Parmenides
 

Beitragvon Anachronist » Mi 31. Dez 2003, 19:48

Ich danke Dir jedenfalls für dieses Zitat. Ich finde auch dieses zeigt, dass man bereits vor zigtausenden von Jahren so gedacht hat, dass man sich heute in dem Gedachten wiederfinden kann ;)

Ana
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Beitragvon Euripides » Do 1. Jan 2004, 13:32

@Anachronist

Warum "zigtausend"? :?
Phantasia ei kai ou pantos to phainomenon.
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Beitragvon RM » Do 1. Jan 2004, 15:12

Sehen wir das Ganze doch mal aus anderer Perspektive:

Seneca war als "Erzieher" Neros engagiert - genauso wie sein philosophischer Vorgaenger Aristoteles sich um die Erziehung Alexanders des Grossen kuemmern musste.

Was bei beiden herausgekommen ist, ist hinlaenglich bekannt ... Die Ermahnung des Dionysios durch den jungen Plato endete mit der Versklavung des Letzteren. Der Hobbyphilosoph Cicero zog gegen den Politikprofi Caesar - und vor allem Augustus (der damals fast noch ein Kind war) - schmaehlich den Kuerzeren.

Man hat also zwangslaeufig erkennen muessen, dass es im politischen Geschaeft gefaehrlich war, sich als Philosoph zu outen und dass die Ergebnisse philosophischen Einflusses auf die Realpolitik nicht selten in globale Katastrophen muendeten.

Was also liegt naeher, als sich als Philosoph aus der Politik herauszuhalten?

:) RM
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Beitragvon Anachronist » Do 1. Jan 2004, 15:51

hehe...Nero war wirklich nicht gerade der Erfolg seines Lebens ;)

Aber meiner Meinung nach ist es nicht nur wichtig, sondern unausweichlich in der Politik Philosophie zu betreiben. Jeder Politiker muss dauernd Entscheidungen trefen und um dies tun zu können, muss er sich darüber klar werden, was er will und weche Mittel er für "gut" und welche für "schlecht" hält. Er muss zwischen sich widersprechenden Zielen wählen, über Krieg und Frieden entscheiden, das Strafmaß für Verbrechen festlegen, er bestimmt welche Verhörmethoden der Staat anwendet, um Informationen aus mehr oder weniger terroristischen Islamistenmoslems herauszubekommen, etc.

So bald er aber beginnt sich Gedanken über diese Dinge zu machen, philosophiert er. Es beginnt schon damit, dass man nicht sagen kann welche Verbrechen wie bestraft werden, ohne dass man sich über sein Menschenbild im klarem ist und wer sich mit diesem und ähnlichen Themen beschäftigt, ist für mich Philosoph; mag er nun Kant zitieren der auch nicht.Ich gebe jedoch gerne zu, dass ich hiermit eine sehr weite Defintion von Philosophie verwende - ich kann mir jedoch fast keine Frage vorstellen, die in der Politik wichtiger wäre als:

"Was können wir wissen? - Was sollen wir tun?"

In einer Demokratie vielleicht:

"Was können wir wissen? - Was sollen wir tun? - Kann ich damit noch einmal Bundeskanzler werden?" ;)

Ana

NACHTRAG: Außerdem lassen sich sicherlich ähnlich schreckliche Beispiele für poltitische Systeme finden, die keinen philosophen als Berater hatten. Wenn man die Ungerechtigkeit, die Grausamkeit und die Dummheit vollständig aus der Politik heraushalten wollte, müsste man wohl die Menschen aus ihr heraushalten...und das wird schwierig ;)
Anachronist
 

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