Und nochmal Seneca: "Mitleser" gesucht

Diskussionen zu den antiken Philosophen, ihren Ideen und ihrer Rezeption

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Und nochmal Seneca: "Mitleser" gesucht

Beitragvon Anachronist » Sa 10. Jan 2004, 02:45

Hallo,

ich habe da so eine Art Idee. Ich suche Leute, die Interesse daran hätten, sich über einen größeren Zeitraum hinweg mit Seneca zu beschäftigen und einzelne Abschnitte als Ausgangspunkt eigener Überlegungen zu nehmen und diese "zu behandeln". Als Ausgangspunkt würde ich ganz gerne die Briefe an Lucilius nehmen. Ich stelle mir das in etwa so vor, dass man ungefähr ausmacht, welche Briefe gelesen werden und beginnt von diesen aus über sich ergebende Fragen oder sonstige Gedanken zu schreiben. Vor allem stelle ich es mir nicht allzu hektisch vor, soll heißen: es soll kein "Projekt" sein, dass darauf angelegt ist in einem halben Jahr alle Luclius-Briefe zu lesen. Ich denke, dass die Briefe fruchtbar genug sind, schon bei der Lektüre einiger weniger auf viele verschiedene Themen und Ideen zu kommen. Es geht mir dabei primär um gegenseiteigen Austausch und Anregung.
Es sollte dabei auch nicht das Gefühl aufkommen, dass man einmal pro Woche einen toll schlauen Beitrag im Senecathread schreiben muss, sprich: sich die Beteiligten anfangen zu fühlen, als ob sie sich eine Art Hausarbeitsverpflichtung aufgeladen haben. Das Schöne an Latein ist ja -unter anderem- auch, dass es keine Beschäftigung ist, die man mal so für ein Monat macht und somit davon auszugehen ist, dass die meisten regelmäßigen Forenbesucher noch eine ganze Weile hier rumhängen. Man hätte hier also eine Basis, von der aus man in Ruhe und ohne allzu große Angst, dass der Faden reißt, wenn mal eine Weile Schweigen herrscht, Gedanken entwickeln kann.

Ich finde es einfach etwas schade, dass ein Medium wie das Internet, mit all seinen manigfaltigen Möglichkeiten, so selten in solch einer Form genutzt wird (übrigens bin ich wirklich ziemlich begeistert von diesem Forum :) ). Wer Interesse an der Idee hat, kann sich ja mal eintragen. Wenn wir drei bis vier Leute werden, verusche ich mal drüber nachzudenken, wie man das etwas konkreter organisieren könnte.

Ein zwei Probleme, die mir bei der Sache einfallen wären die Folgenden:

-Es sollen nach Möglichkeit alle mit der selben Übersetzung arbeiten. Das ist zwar nicht unbedingt zwingend (vor allem weil man je nach Kenntnisstand wohl so oder so auch mal auf die linke Seite schielt ;) ) aber hilfreich.

- Der/die Thread(s) müssten regelmäßig von Seitenkommentaren bereinigt werden. Es ist unvermeidlich, dass um den Hauptsikussionsfaden herum alle möglichen Dinge wuchern. Das Problem hierbei ist, dass somit der Einstieg für Neueinsteiger immer schwieriger wird. Wenn das so laufen würde, wie ich mir das vorstelle wäre das nach einer Weile eh eine ziemliche Menge an Text und dann noch zwischen dutzenden mehr oder weniger irrelevanten Seitenkommentarren nach dem Sinn des Threads zu suchen vergällt die Sache schnell. Das Problem ist dann nicht so groß, wenn ein Mod mitmacht - ansonsten wirds schwierig.
Kann man Usern Op-Rechte für einen einzigien Thread geben? Kann es sein, dass so was in den vielgerühmten Benutzergruppen ginge, von denen ich keine Ahnung habe was sie eigentlich machen ;) ?


So weit erst mal

Ana
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Beitragvon RM » Sa 10. Jan 2004, 12:07

Ganz nette Idee ... aber ausgerechnet Seneca! ... :sad: RM
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Beitragvon Anachronist » Sa 10. Jan 2004, 13:14

Das ist nunmal mein Steckenpferd ;) Momentan beschäftige ich mich hauptsächlich mit ihm und ich halte die von ihm behandelten Themen erstens für sehr wichtig und zweitens für sehr geeignet, um von der konkreten Diskussion Senecas zu eigenen Gedanken - oder auch denen anderer Philosophen - überzugehen und dann den Brückenschlag zurück zu Seneca zu machen. Ich will ja keinen Interprationszirkel gründen ;) Seneca wäre quasi als Sprungbrett und roter Faden gedacht. Außerdem hat Seneca den Vorteil, dass er relativ leicht zu verstehen ist und somit auch Neueinsteigern, so wohl in den Thread, als auch in die Philosophie, zuzumuten ist.

Zu dem kommt die Briefform dem Projekt sehr zu Gute. Es sind kurze, in sich abgeschlossene Abhandlungen, die man so wohl für sich selbst, als auch im größerem Zusammenhang behandeln kann.

Ana
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Beitragvon RM » Sa 10. Jan 2004, 13:21

Ich gestehe ganz offen, daß ich von Seneca keine allzu hohe Meinung habe - weder als Philosoph noch als Mensch. :sad: RM
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Beitragvon Anachronist » Sa 10. Jan 2004, 13:34

Warum eigentlich?
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Beitragvon Clemens » Sa 10. Jan 2004, 13:46

Kann man Usern Op-Rechte für einen einzigien Thread geben? Kann es sein, dass so was in den vielgerühmten Benutzergruppen ginge, von denen ich keine Ahnung habe was sie eigentlich machen?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das gehen könnte. Aber den Thread sauber zu halten wird wohl das kleinste Problem sein...:)
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Beitragvon suetonius » Sa 10. Jan 2004, 13:47

@ana

hab noch nie was von seneca gelesen, womit sollte ich anfangen?
...une tête bien faite et une tête bien pleine...
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Beitragvon Anachronist » Sa 10. Jan 2004, 14:27

Die Briefe an Lucilius. Einige der anderen Sachen gefallen mir selbst nicht so gut. Am besten direkt mit dem erstem Brief anfangen. Gibts von Reclam in D/L, also kein allzu großer finanzieller Aufwand.

Ana

Seneca: Epistulae morales ad lucilium/Briefe über die moral an Lucilius
Da gibts x Bücher. Achte darauf das erste zu holen.
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Beitragvon RM » Sa 10. Jan 2004, 16:03

Also nein, da bin ich anderer Meinung. Wenn überhaupt, sollte man De Vita Beata oder De Tranquillitate Animi lesen, aber doch nicht diese - verzeiht mir bitte dieses Wort - albernen Lucilius-Briefe, deren berühmtestes Zitat lautet: "Non vitae sed scholae discimus." (Ja, es heißt wirklich so und NICHT anders herum!) 8) RM
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Beitragvon Anachronist » Sa 10. Jan 2004, 16:18

Ich glaube da haben wir unüberwindbare Differenzen :D Bis jetzt finde ich die Briefe das Beste, was ich gelesen habe. De vita beata steht zwar auch einiges drin, aber alles was da drin gut war, war in den Briefen besser.
Es sind allerdings nicht alle Briefe der Hammer. Manche sind auch irgencwie tröge oder beinhalten etwas, das ich nicht gut finde aber im Großen und Ganzen sind sie einfach toll :)

Ana

PS: Außerdem würde ich ein Werk nicht nach einem Zitat - und schon gar nicht nach dem verbreitetstem - bewerten ;)
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Beitragvon RM » Sa 10. Jan 2004, 16:42

Ich beurteile Seneca nicht nach diesem einen Zitat, und dennoch drückt es Senecas prinzipielle Geisteshaltung aus. Ich bemängle die - wahrscheinlich gewollt - fehlende Wissenschaftlichkeit in den meisten von Senecas Arbeiten. Seneca legt in meinen Augen zu sehr seine persönlichen Meinungen dar. Philosophie als Bindeglied zwischen Geistes- und Naturwissenschaften (vgl. Hans Georg Gadamers "Wahrheit und Methode") muß mehr sein als das. 8) RM
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Beitragvon Anachronist » Sa 10. Jan 2004, 16:59

:) Ah, ich sehe in welche Richtung es läuft. Die Wissenschaftlichkeit. Schwierig. Ich finde eigentlich Philosphie muss gar nichts festes sein. Ich halte es eigentlich einen Fehler die Philosophie als Bindeglied zwischen Geistes- und Naturwissenschaften zu sehen. Sie kann das sein aber sie erschöpft sich darin nicht. Jede Methodik beruht bereits auf philosophischen Grundannahmen und jede Methode schränkt den Raum der Möglichkeiten ein, der einem zur Verfügung steht. Es ist jedoch vollkommen richtig, dass sich die Philosophie auch nicht in Seneca erschöpft. Aber: Das ist definitiv eine Grundsatzdiskussion ;)

Allgemein gesagt:Von mir aus könnte man auch den Begriff Philosophie weglassen, wenn dieses "Projekt" wirklich in die Gänge kommt. Allein, ob es sinnvoll wäre ? Wichtig ist mir nur , dass ich denke, dass die Beschäftigung mit Seneca wertvoll und fruchtbar ist. Allerdings empfinde ich sie auch als zu tiefst philosophisch. Wenn jemand ein anderes Bild von der Philosophie hat, soll er einen anderen Namen dafür verwenden. Was machts? Das Etikett ist doch eher unwichtig.

Ana

PS: Mich würde interessieren, was Du gegen ihn als Mensch hast. Ich muss gestehen, dass ich außer den groben Eckdaten wenig über ihn weiß und mir auch gar kein so lebendiges Bild von ihm mache. Mir kommt es vor allem darauf an, was mir sene Texte sagen, und das würde sich selbst dann nicht wesentlich änern, wenn er nach dem Schreiben immer zur nächsten Orgie gerannt wäre (Auch wen es mir schwerfiele das zu glauben ;).

Ana
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Beitragvon RM » Sa 10. Jan 2004, 19:15

Anachronist hat geschrieben:Mich würde interessieren, was Du gegen ihn als Mensch hast.

Also, ganz einfach: Seneca wird auf Wunsch Messalinas von Claudius nach Korsika verbannt. Nach 8 Jahren Exil wird er auf Veranlassung Agrippinas (der neuen Gattin des Claudius) nach Rom zurückgeholt. Agrippina macht Seneca zum Erzieher Neros und vergiftet Claudius. Seneca schreibt über Claudius die Apocolocyntosis (eine Frechheit übelster Sorte). Nero wird mit 17 Jahren Kaiser, läßt seinen Stiefbruder Britannicus kurze Zeit später ermorden und regiert unter Aufsicht von Seneca und Burrus ein paar Jahre lang Rom, bis er "erwachsen" genug ist, um das alleine zu machen bzw. seine Ratgeber selbst auszusuchen. Seneca wird schließlich wegen angeblicher Teilnahme an der Pisonischen Verschwörung zum Tode verurteilt.
So - jetzt erkläre mir doch bitte mal, wo in all diesen schmutzigen Machenschaften die hohen Moralansprüche des Seneca geblieben sind!
:evil: RM
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Beitragvon RM » Sa 10. Jan 2004, 19:23

Anachronist hat geschrieben::) Ah, ich sehe in welche Richtung es läuft. Die Wissenschaftlichkeit. Schwierig. Ich finde eigentlich Philosphie muss gar nichts festes sein.

Und noch was:
Wenn man sich die Bedeutung des Wortes "Philosophie" bewußt macht, kann man sich vor der Wissenschaftlichkeit nicht drücken.
Und: Man muß die "philosophischen Grundannahmen", die das Fundament der eigenen Methodik darstellen, sinnvoll zu begründen in der Lage sein. Über Fehler an diesem Punkte sind schon viele wissenschaftliche Theorien gestolpert.
:) RM
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Beitragvon Anachronist » Sa 10. Jan 2004, 19:59

RM hat geschrieben:
Anachronist hat geschrieben:Mich würde interessieren, was Du gegen ihn als Mensch hast.

Also, ganz einfach: Seneca wird auf Wunsch Messalinas von Claudius nach Korsika verbannt. Nach 8 Jahren Exil wird er auf Veranlassung Agrippinas (der neuen Gattin des Claudius) nach Rom zurückgeholt. Agrippina macht Seneca zum Erzieher Neros und vergiftet Claudius. Seneca schreibt über Claudius die Apocolocyntosis (eine Frechheit übelster Sorte). Nero wird mit 17 Jahren Kaiser, läßt seinen Stiefbruder Britannicus kurze Zeit später ermorden und regiert unter Aufsicht von Seneca und Burrus ein paar Jahre lang Rom, bis er "erwachsen" genug ist, um das alleine zu machen bzw. seine Ratgeber selbst auszusuchen. Seneca wird schließlich wegen angeblicher Teilnahme an der Pisonischen Verschwörung zum Tode verurteilt.
So - jetzt erkläre mir doch bitte mal, wo in all diesen schmutzigen Machenschaften die hohen Moralansprüche des Seneca geblieben sind!
:evil: RM


Ich sehe noch nicht ganz die Anklage an Seneca. Er hat so weit ich weiß niemandem ermorden lassen, die Mitgliedschaft in der Verschwörung war meines Wissens nach (zugegeben ein geringes) eher ein Vorwand als eine Tatsache - aber selbst wenn das nicht der Fall war: Eine Verschwörung gegen Nero kann wohl kaum so moralisch falsch gewesen sein.

Das Nero bnicht gerade das Paradebesipiel für Senecas Erfolge als Erziher ist, kann man natürlich nicht leugnen. Aber ob man deshalb sagen kann, dass Seneca seine eigene Lehre mit Füßen getreten hat, halte ich für fraglich. Die Apocoldingsbums habe ich mal gelesen. Ich halte sie für verzeihlich (<-- gibt es dieses Wort ;) ). Klar, sie deckt sich nicht mit der Lehre vom umbewegtem Weisen aber er hat auch nie behautet, ein solcher zu sein. Er hat es nur versucht.
Was die "Regierungszeit" Senecas angeht, erkenne ich auch noch nicht so ganz den Vorwurf gegen seine Person. So weit ich weiß war er selbst in keinen Mordkomplott verwickelt und soll seine Aufgabe sehr gut erfüllt haben bis Nero an die Macht kam.

Was die Philosophische Grundsatzdiskussion angeht, müsste ich im Moment weiter ausholen :), habe aber im Moment keine Zeit.

Ana
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