Epikureismus

Diskussionen zu den antiken Philosophen, ihren Ideen und ihrer Rezeption

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Re: Epikureismus

Beitragvon Domingo » Fr 5. Dez 2008, 00:20

Man kann die heutige "Spaßgesellschaft" als eine Art Epikureismus ansehen (oder auch nicht). Da sind die Herren Hahne und Matussek vielleicht hilfrech.

Nur so als spontane Idee :book:
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Re: Epikureismus

Beitragvon consus » Fr 5. Dez 2008, 00:45

Domingo hat geschrieben:Man kann die heutige "Spaßgesellschaft" als eine Art Epikureismus ansehen (oder auch nicht)

Also Vorsicht walten lassen: Die Lehre Epikurs wurde schon im Altertum oft im Sinne eines primitiven sinnlichen Hedonismus missverstanden. Es gibt viele Quellen, aus denen man sich informieren kann. Der große Ernst der Lehre etwa im Hinblick auf die Bekämpfung der Todesfurcht mit Hilfe der atomistischen Weltdeutung ist auch heute noch beachtenswert, ebenso der Kampf gegen falsche religiöse Vorstellungen (vgl. Lukrezens Lehrgedicht De rerum natura / Über die Natur der Dinge; Übersetzung auch im Netz).
Am besten immer noch: :book: :book: :book:
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Re: Epikureismus

Beitragvon Domingo » Fr 5. Dez 2008, 01:36

Ich stehe mit Hahne & Co. nicht auf einer Linie, um Missverständnisse auszuräumen 8)

Doch mir scheint schon, heute ist Lust als Lebensziel wieder gesellschaftsfähig geworden. Das steht mE im Widerspruch zu den traditionellen religiösen Vorstellungen, die wiederum auf die antiken Moralismen zurückgehen. Von letzteren hebt sich der Epikureismus deutlich ab.
Zuletzt geändert von Domingo am Fr 5. Dez 2008, 01:44, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Epikureismus

Beitragvon Domingo » Fr 5. Dez 2008, 01:44

Noch was:

http://www.zeno.org/Philosophie/M/Nietz ... rist/11-20

Daraus:

Eine Handlung, zu der der Instinkt des Lebens zwingt, hat in der Lust ihren Beweis, eine rechte Handlung zu sein: und jener Nihilist mit christlich-dogmatischen Eingeweiden verstand die Lust als Einwand... Was zerstört schneller, als ohne innere Notwendigkeit, ohne eine tief persönliche Wahl, ohne Lust arbeiten, denken, fühlen? als Automat der »Pflicht«?


Vielleicht hilft das weiter, vielleicht ist es zu weit hergeholt... :book:
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Re: Epikureismus

Beitragvon Domingo » Fr 5. Dez 2008, 19:55

Sara19 hat geschrieben:ich finde Domingos Idee gar nicht mal so schlecht, alle witmen sich heute zu Tage dem Lustprinzip und lassen Moral usw. völlig außer Acht.


DAS habe ich wiederum nicht gesagt. Es gibt sicher noch viele Menschen, für die Moral eine große Rolle spielt.

Und wenn Du Lust und Moral als Gegensätze ansiehst, dann bist Du gerade den nichtepikureschen Morallehren auf den Leim gegangen ;)

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Re: Epikureismus

Beitragvon RM » Sa 6. Dez 2008, 02:05

Also, ich würde zuallererst mal was von Epikur lesen - und Lukrez natürlich.

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Re: Epikureismus

Beitragvon Domingo » Sa 6. Dez 2008, 02:43

Um die Frage nach der Anwendbarkeit auf die heutige Welt zu beantworten? Keine so gute Idee ;)
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Re: Epikureismus

Beitragvon RM » Sa 6. Dez 2008, 02:58

Du scheinst ja beide richtig gut auswendig zu kennen :wink:

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Re: Epikureismus

Beitragvon RM » Sa 6. Dez 2008, 03:04

Jetzt aber mal ernsthaft:
Ich würde die in Lukrez vorgestellten Vorstellungen der Wechselwirkung der Götter mit den Menschen in ein Verhältnis mit modernen Religionen setzen. Es geht da z.B. um die Frage, wie weit der "freie Wille" tatsächlich geht und ob es eine Vorherbestimmtheit gibt oder geben kann.

Eine weitere Frage ist das Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion. Z.T. ergibt sich das aus der ersten Fragestellung. Also z.B., wie weit unsere Welt von Naturgesetzen beherrscht wird und ob die Welt dadurch bereits vollständig beschrieben wird. Man denke evtl. an Einsteins berühmten Satz: "Gott würfelt nicht".

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Lukrez lesen!

Beitragvon consus » Sa 6. Dez 2008, 11:14

Im Hinblick auf die von RM gestellten Fragen ist die Lukrez-Lektüre dringend zu empfehlen!
Lukrez trägt die von Demokrit vorgebildete atomistische Weltdeutung Epikurs vor. Es gibt in der Wirklichkeit nur den unendlichen leeren Raum und die sich darin bewegenden verschiedenartigen Atome, die zufällig zusammenstoßen und Gebilde entstehen lassen. Diese sind nur dann von Dauer, wenn sie sich gemäß dem später von Darwin so genannten Prinzip survival of the fittest bewähren (vgl. 5, 416ff.). Auch die Götter sind Atomverbindungen, allerdings so feine, dass sie unsichtbar sind. Sie kümmern sich nicht um den Kosmos und die menschlichen Dinge. Lukrez betreibt im Anschluss an Epikur das Geschäft der Entmythisierung von Mythen (z. B. rationale Deutung des Götterglaubens und der Unterweltsstrafen [3, 978-1023] usw.): immer noch in der Theologie und Religionskritik eine aktuelle Problematik.
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Re: Epikureismus

Beitragvon krambambuli » Mi 26. Jan 2011, 12:48

consus hat geschrieben:
Domingo hat geschrieben:Man kann die heutige "Spaßgesellschaft" als eine Art Epikureismus ansehen (oder auch nicht)

Also Vorsicht walten lassen: Die Lehre Epikurs wurde schon im Altertum oft im Sinne eines primitiven sinnlichen Hedonismus missverstanden. Es gibt viele Quellen, aus denen man sich informieren kann. Der große Ernst der Lehre etwa im Hinblick auf die Bekämpfung der Todesfurcht mit Hilfe der atomistischen Weltdeutung ist auch heute noch beachtenswert, ebenso der Kampf gegen falsche religiöse Vorstellungen (vgl. Lukrezens Lehrgedicht De rerum natura / Über die Natur der Dinge; Übersetzung auch im Netz).
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sehe ich genauso!!! Ich denke, es ist nicht nur Mißverständns, sondern auch gezielte Herabwürdigung und Gegenpolemik gegenüber anders Denkenden. Ich denke mal, dass sich - besonders in der Auseinandersetzung Stoa vs. Epikurismus - schlicht auch unterschiedliche Charaktere von Menschen widerspiegeln.


de rerum natura ist aber schon harter Stoff - nicht so ganz einfach, das geschriebene Latein! ;)
bislang gibt es meines Wissens nur Teilübersetzungen.
Hast du nen Tipp für ne gute zweisprachige Textausgabe?

Es gibt viele Quellen, aus denen man sich informieren kann.

bitte um nähere Angaben :)
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Re: Epikureismus

Beitragvon Brakbekl » Do 10. Mär 2011, 15:16

Mich dünkt, unser heutiger Spass und Epikurs Lust sind scharfe Gegensätze. Natürlich gab es bei den Alten ein Verstoß gegen die ewigen Gesetze (Sünde), der die Nemesis folgte. Die Lust am Leben des Epikur predigt das sorgsame Umgehen aller im Lebensweg möglichen Fehltritte, das Meiden der Extremata, um die Zeit des Lebens maximal zu genießen, wozu durchaus Armut, aber nicht Entbehrung gehören.
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