Epikurs Götterlehre->Frage

Diskussionen zu den antiken Philosophen, ihren Ideen und ihrer Rezeption

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Epikurs Götterlehre->Frage

Beitragvon hanan_90 » So 10. Jan 2010, 12:34

Hallo! Habe eine Frage zu Epikurs Götterlehre:


->Menschen glauben an die Existenz der Götter, aber das wars dann auch. Die Götter leben in Intermundien und haben mit den Menschen nichts zu tun.
Hier die Frage: die Menschen konnten Erscheinung wie Jahreszeiten,.. nicht verstehen und flüchteten so zu den Göttern. Heißt das, dass sie bei ihnen Schutz suchten?? Dh. Die Götter hätten eine weitere Funktion (die des Schutzes,..).
Wie erklären sie sich eigentlich Erscheinung wie die verschiedenen Jahreszeiten? Durch die Natur? Durch die Götter?


Wäre schön, wenn mir da jemand etwas auf die Sprünge helfen könnte.

LG
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Re: Epikurs Götterlehre->Frage

Beitragvon romane » So 10. Jan 2010, 14:54

Deine Frage versteehe ich nicht so ganz - aber:

alles wird aus der Natur heraus erklärt OHNE göttl. Einfluss.

Fälschlicher Weise suchen die Menschen, weil sie das Naturprinzip nicht verstanden habenn, Schutz bei den Göttern, wenn ungewöhnliche Naturerscheinungen auftreten.
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Re: Epikurs Götterlehre->Frage

Beitragvon ille ego qui » Sa 25. Okt 2014, 09:08

salvete, frage am Rande: wenn ich nicht ganz fehlgehe, impliziert das Wort "intermundien" die Existenz mehrerer Welten. Wie stellen sich die alten - oder zumindest die Epikureer - vor? valete ;)
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Re: Epikurs Götterlehre->Frage

Beitragvon consus » Sa 25. Okt 2014, 18:51

Christiano sal.
Lege modo Diog. Laert. 10, 89, id est Epicuri quae fertur ad Pythoclem epistulam secundam.
:stretch:
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Re: Epikurs Götterlehre->Frage

Beitragvon ille ego qui » Sa 25. Okt 2014, 21:55

gratias tibi ago, Conse
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Re: Epikurs Götterlehre->Frage

Beitragvon Prudentius » Di 28. Okt 2014, 16:29

Epikur war weder Theologe noch Naturforscher, sondern Philosoph, u.zw. praktischer Philosoph, also sein Interesse galt der Nutzanwendung von philosophischen Lehren für die Lebensgestaltung; die Hauptfaktoren, die nach Epikur den Menschen das Leben vermiesen, sind Götter- und Todesfurcht; diese Bedrohungen versucht er durch seine Lehre zu entschärfen: die Götterfurcht, indem er die Götter aus der Welt hinaus in die Intermundien verlagert, von wo sie gar keinen Einblick in das Menschliche haben; und die Todesfurcht, indem er durch seine Atomenlehre die Seele als Atomenkomplex darstellt, der sich im Tode einfach auflöst, so dass wir nach dem Tode gar nicht mehr da sind.
Dass er kein Naturforscher war, sieht man daran, dass er manchmal für seltsame Naturerscheinungen altrnative Erklärungsmöglichkeiten vorschlägt, ohne zu versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen: und dass er kein Theologe war, sieht man daran, dass er nicht weiter fragt, ob seine Antworten die letzte Klarheit darstellen.

impliziert das Wort "intermundien" die Existenz mehrerer Welten. Wie stellen sich die alten - oder zumindest die Epikureer - vor?


E. scheint tatsächlich die Galaxienhaufen vorausgeahnt zu haben, aber es steht wohl nur das Bestreben dahinter, diese Unruhestifter Götter möglichst "ganz weit draußen" unterzubringen.

Wie erklären sie sich eigentlich Erscheinungen wie die verschiedenen Jahreszeiten? Durch die Natur? Durch die Götter?


Ich hab schon an anderer Stelle erwähnt, dass die Antiken eine andere Kausalauffassung hatten; sie kannten noch nicht Fernwirkung wie Gravitation, sondern nur Anstoß durch direkte Berührung wie bei Billardkugeln; deshalb war bei den Jahreszeiten nötig, dass einer tätig wurde; beim Wind musste einer dasein, der blies; na ja, und für die ganze Welt brauchte es das "erste Bewegende", proton kinun, Aristoteles, das dann im MA maskulin wurde, sozusagen der "Gott der Philosophen"; dann kam Newton und schaltete diesen ab :-D .
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Re: Epikurs Götterlehre->Frage

Beitragvon RM » Di 28. Okt 2014, 19:57

Prudentius hat geschrieben:Epikur war weder Theologe noch Naturforscher, sondern Philosoph,

Die Philosophie schloss damals durchaus die Erforschung der Natur und die Theologie mit ein - zu Recht. Diejenigen, die sich mit moderner Naturphilosophie befassen, wissen, dass die neuesten Erkenntnisse der Naturwissenschaften in der Philosophie durchaus noch eine Rolle spielen. Einsteins Relativitätstheorie wurde z. B. stark von Kants Definition der Gleichzeitigkeit inspiriert.

Prudentius hat geschrieben:Ich hab schon an anderer Stelle erwähnt, dass die Antiken eine andere Kausalauffassung hatten; sie kannten noch nicht Fernwirkung wie Gravitation, sondern nur Anstoß durch direkte Berührung wie bei Billardkugeln;

In der Physik sind wir inzwischen mit den Wechselwirkungstheorien wieder zu dieser antiken Vorstellung zurückgekehrt: Wechselwirkung findet durch Austausch virtueller Wechselwirkungsteilchen statt: In der Elektrodynamik sind das Photonen, innerhalb der Nukleonen die Gluonen, die die Quarks zusammenhalten.

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Re: Epikurs Götterlehre->Frage

Beitragvon Prudentius » Fr 31. Okt 2014, 09:24

Ich meine nur die alltägliche, elementare Kausalauffassung; und ich denke, dass es nützlich ist, dass wir uns über den Unterschied im klaren sind; nehmen wir die Fallbewegung; wenn wir eine Stein fallen lassen, dann zieht für uns die Schwerkraft diesen an; Ausgangspunkt der Bewegung ist für uns der Erdmittelpunkt als Gravitationszentrum. Anders für die Antike: sie sah in dem Stein, der dem Element Erde angehörte, ein ihm eigentümliches Streben "nach unten", an seinen natürlichen Ort. Ausgangspunkt der Bewegung ist für die Antiken der Stein selbst; und "unten" hat man als absolute Richtung verstanden, gemäß dem geozentrischen Weltbild.
Die Sonne braucht für ihre Bogenfahrt über den Tageshimmel einen Antrieb, dafür war nach dem mythischen Weltbild Gott Helios mit dem Pferdegespann zuständig; ihr kennt ja vllt. den Mythos von Phaethon bei Ovid.
Und die Planeten tragen noch heute Götternamen, da man sich ja ihre seltsamen Schleifen, die sie am Himmel ziehen, nur so erklären konnte, dass jemand da war, der steuerte.
Für das antike Denken gibt es den Begriff "natürliche Theologie", worin all diese Gedanken zusammengefasst waren, für uns zugänglich in Ciceros Dialog "de natura deorum", es war das Spezialgebiet der Stoiker, Paulus sagt im Römerbrief, Gott könne man aus seinen Werken erkennen, "Die Himmel rühmen des ewigen Ehre", ein Bachchoral, glaube ich; ein Schlagwort von Spinoza, den Goethe schätzte: "Deus sive natura".
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Re: Epikurs Götterlehre->Frage

Beitragvon RM » Fr 31. Okt 2014, 09:42

Man wusste lange, dass die Erde eine gekrümmte Oberfläche und einen kreisrunden "Rand" hat. Die Frage ist dann, wo "unten" ist. Wenn man sich die Beiträge der Vorsokratiker anschaut oder auch Lukrez und Vitruv, stellt man fest, dass die Meinungsvielfalt weitaus größer war, als man zunächst glauben möchte. Sehr oft in der Geschichte der Menschheit setzten sich jedoch falsche Meinungen durch.

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Re: Epikurs Götterlehre->Frage

Beitragvon Prudentius » So 2. Nov 2014, 11:09

Bei den "falschen Meinungen" kommt ja erschwerend hinzu, dass Wahrheit einen festgelegten Geltungsbereich voraussetzt, innerhalb dessen dieser w/f-Dualismus funktioniert; also das meine ich so: wenn du den Satz nimmst "1 ist die kleinste Zahl", dann ist er wahr für den Bereich der natürlichen Zahlen; aber für die ganzen Zahlen ist er nicht wahr, denn da gibt es gar keine kleinste Zahl.
Bei Streitgesprächen wird das oft vergessen, das führt zu dem "Aneindervorbeireden". In der frühen Neuzeit, bei den Auseinandersetzungen um die Bewegungssituation der Erde gegenüber der Sonne, gingen die Kontrahenten von verschiedenen Systemen aus; die Gegner Galileis gingen ja nicht von der Erde als Zentrum eines Gravitationssystems aus, insofern lagen sie nicht in dieser Hinsicht falsch.
Wahrheit ist also ein relativer Begriff (relativ in diesem Sinne verstanden), und das ist nachdenkenswert, das werden nicht alle verkraften können.

Ich möchte noch mal auf Epikur kommen und ihn in etwas größeren Zusammenhang einordnen, er ist zu den "Aufklärern" zu rechnen, also denen, die das typisch moderne Weltbild gefördert haben; er steht in einer Reihe mit Kant, aber auch mit den drei modernen Bahnbrechern, Marx, Darwin, Freud.

Und in noch eine andere Reihe gehört er, in die Religionskritiker, also etwa Rousseau, Voltaire, Kant; und in diesem Zusammenhang auch: mit Rudolf Bultmann hat er etwas gemeinsam, in der "Entmythologisierung" des Glaubens.
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Re: Epikurs Götterlehre->Frage

Beitragvon RM » So 2. Nov 2014, 12:27

Es gab auf Seiten der Kirche durchaus Hardliner, die die Existenz eines außerhalb der Erde liegenden Gravitationszentrums nie akzeptiert hätten und krampfhaft am ptolemäischen System festhielten. Es gab jedoch innerhalb der Kirche sehr fähige Mathematiker und Naturwissenschaftler, die um das Potential der neuen Ideen wussten. Galilei war jedoch ein Sturkopf, der die Vorschriften der kirchlichen Zensurbehörde, insbesondere sofern sie die Veröffentlichung seiner Schriften betrafen, mit fadenscheinigen Ausreden unterlaufen hat, was ihm dann einige übel genommen haben. Zuletzt hatte der Prozess gegen Galilei eigentlich nur wenig mit Physik oder Astronomie zu tun, sondern diente hauptsächlich dazu, die Autorität der Kirche durchzusetzen.
Insofern hat der Wahrheitsbegriff oft eine religiöse bzw,. politische Dimension.

Ich glaube jedoch nicht, dass die Epikureer und die Atomisten jemals ausreichend Einfluss auf die Entwicklungen hätten nehmen können, um die allgemeine Entwicklung nachhaltig zu beschleunigen.

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