Aristotelesbild Russels in der "Philosophie des Abendlandes"

Diskussionen zu den antiken Philosophen, ihren Ideen und ihrer Rezeption

Moderatoren: Zythophilus, marcus03, Tiberis, ille ego qui, consus, e-latein: Team

Aristotelesbild Russels in der "Philosophie des Abendlandes"

Beitragvon philistion » Fr 5. Mär 2010, 21:54

Hallo,

es kennen sicher einige von euch den Klassiker der Philosophieeinführungen, Russel's Philosophie/Denker des Abendlandes.

Bild

Ich bin nun gerade mit dem Abschnitt über Aristoteles fertig und war ziemlich erstaunt über die harte Kritik, die er an ihm übte.
Er bekennt zwar den Einfluss für spätere Philosophie, welche aber auch gleichzeitig Jahrhundertelangen Fortschritt behindert hat.
Bei seiner Kritik der aristotelischen Logik, bzw. auch der platonischen "nicht-Erkennung der Relation" (das Beispiel mit den Zahlen, da 2 kleiner als 5, aber gleichzeitig auch größer als 1 ist....) frage ich mich, wieso denn z.B. in der Sendung "Denker des Abendlandes" mit Prof.Lesch und W.Vossenkuhl eigentlich gar nicht auf diese angeblich so schwerwiegenden Fehler in seinem Denkgebäude hingewiesen wurde.
Ich erinnere mich, dass dort Prof.Vossenkuhl nur erwähnte, dass Aristoteles in den naturwissenschaftlichen Fragen oft falsch lag, in der Logik aber weiterhin große Anerkennung verdiene.
Russel scheint diese Ansicht nicht in ähnlichem Ausmaß zu teilen.

Wie seht Ihr das Ganze?
ἓν οἶδα ὅτι οὐδὲν οἶδα
Benutzeravatar
philistion
Censor
 
Beiträge: 733
Registriert: Mi 10. Dez 2008, 11:05
Wohnort: Prope oenipontum

Re: Aristotelesbild Russels

Beitragvon Prudentius » Mo 27. Jun 2011, 10:38

Hallo philistion,

bei Russell kann man gut den Unterschied zwischen unserer kontinentalen und der angelsächsischen Philosophie erkennen, zugleich auch den zwischen Geistes- und Naturwissenschaften.

Die Engländer sind Empiristen, Erfahrung ist ihr Leitbegriff, das Experiment steht im Mittelpunkt, die Geschichte im Hintergrund. Wir dagegen haben mit der Romantik eine "Entdeckung des Geschichtsbewusstseins" erlebt, wir bemühen uns, uns in jede Epoche hineinzuversetzen und sie aus ihren eigenen Voraussetzungen zu erklären, so auch bei Aristoteles. Wir fragen: was war Aristoteles zu seiner Zeit möglich zu erkennen, und da finden wir vieles. Uns ist die Vorstellung vertraut, dass jede Epoche ihre eigene Wahrheit hat, aber da wird die Sache problematisch (Relativismus!).
Russell dagegen konfrontiert Aristoteles knallhart mit dem heutigen Wissensstand und kommt zu negativen Ergebnissen; diese Ansicht setzt sich bei uns nicht durch.
Prudentius
Senator
 
Beiträge: 3577
Registriert: Di 24. Mai 2011, 17:01


Zurück zu Antike Philosophie



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 6 Gäste

cron