Herodot 1, 60, 3

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Herodot 1, 60, 3

Beitragvon Domingo » Di 19. Aug 2008, 11:12

Salvete,

ἐνδεξαμένου δὲ τὸν λόγον καὶ ὁμολογήσαντος ἐπὶ τούτοισι Πεισιστράτου, μηχανῶνται δὴ ἐπὶ τῇ κατόδῳ πρῆγμα εὐηθέστατον, ὡς ἐγὼ εὑρίσκω, μακρῷ, ἐπεί γε ἀπεκρίθη ἐκ παλαιτέρου τοῦ βαρβάρου ἔθνεος τὸ Ἑλληνικὸν ἐὸν καὶ δεξιώτερον καὶ εὐηθείης ἠλιθίου ἀπηλλαγμένον μᾶλλον, εἰ καὶ τότε γε οὗτοι ἐν Ἀθηναίοισι τοῖσι πρώτοισι λεγομένοισι εἶναι Ἑλλήνων σοφίην μηχανῶνται τοιάδε.

(e-Quelle: http://www.sacred-texts.com/cla/hh/hh1060.htm)

Schnelle Paraphrase: Peisistratos plant mit Megakles seine Rücckehr an die Macht und die beiden denken sich einen Trick(*) aus, den H. als besonders doof ansieht und hinzufügt, die Griechen seien ja schon seit langem schlauer als die Barbaren und daher weniger leicht hinters Licht zu führen, ferner seien die Athener unter den Griechen die schlauesten (so sei es einigermaßen erstaulich, dass sie auf sowas Blödes reingefallen seien).

Ich habe in Erinnerung, dass Manche die hiesigen Ausführungen Herodots über den Schlauheitsgrad von Griechen, Barbaren und Athenern als ironisch ansehen. Gibt es aber Anhaltspunkte hierfür? Findet Ihr welche, entweder in diesem Text selbst oder im sonstigen Werk des Herodot?

Danke,

Domingo

(*) Sie verkleiden eine Frau als Athene und fahren sie in einem Wagen zur Akropolis, wobei sie Herolde vorausschicken, die verkünden, Athene höchstpersönlich sei gekommen, um Peisistratos wieder als rechtmäßigen Herrscher einzusetzen.
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Beitragvon Latein-Fan » Di 19. Aug 2008, 22:27

Herodot ist bei solchen "Geschichterln" und Angaben mit größter Vorsicht zu genießen. Man war hier noch weit von späterer Geschichtsschreibung (wie bei Thukydides bzw. den Römern) entfernt.

Wer sind "manche" ?

Bei der Herodot - Letktüre wird man immer wieder auf derartige "Stories" stoßen, die manchmal fern jeglicher Realität sind (z.B. das Treffen Solon - Kroisos, etc.)

Zur einführenden Lektüre:

Herodot - Reinhold Bichler, Robert Rollinger
Georg Olms Verlag, 2000

des Weiteren sind zu empfehlen:

-eine Auswahl aus dem Gesamtwerk, erschienen bei Reclam, 3 Bände, gut ausgewählte Stellen, treffliche Übersetzung.

-die gängige Teubnerausgabe mit ausführlichem Apparat.
Multo maxumum bonum patriae, civibus, tibi, liberis, postremo humanae genti pepereris, si studium pecuniae aut sustuleris aut, quoad res feret, minueris. (Sallust in seinem 2. Brief)
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Beitragvon Domingo » Di 19. Aug 2008, 23:17

Danke, aber es geht mir hier nicht um die historische Plausibilität von diesen "Stories", sondern darum, ob Herodot seine Behauptung über die Schlauheitsunterschiede zw. den genannten Völkerschaften, insbesondere die Sätze:

ἐπεί γε ἀπεκρίθη ἐκ παλαιτέρου τοῦ βαρβάρου ἔθνεος τὸ Ἑλληνικὸν ἐὸν καὶ δεξιώτερον καὶ εὐηθείης ἠλιθίου ἀπηλλαγμένον μᾶλλον, εἰ καὶ τότε γε οὗτοι ἐν Ἀθηναίοισι τοῖσι πρώτοισι λεγομένοισι εἶναι Ἑλλήνων σοφίην

ironisch gemeint haben könnte oder nicht. Dachte er wirklich, die Grieche seien klüger als die Nichtgriechen und die Athener als die übrigen Griechen? Lässt sich dem abgebildeten Text eine Antwort auf diese Frage entnehmen? Oder einer andere Stelle aus Herodots Gesamtwerk?

Ciao,
Domingo
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Beitragvon nighean_neonach » Di 19. Aug 2008, 23:59

Domingo hat geschrieben:Dachte er wirklich, die Grieche seien klüger als die Nichtgriechen und die Athener als die übrigen Griechen?


Von heutiger political correctness mal abgesehen, ist das wohl eine allgemeinmenschliche Regung, so zu denken 8)
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Beitragvon consus » Mi 20. Aug 2008, 11:30

Im Hinblick auf die „allgemeinmenschliche Regung“ vgl. Hdt. 2, 158:
βαρβάρους δε πάντας οι Αιγύπτιοι καλέουσι τους μη σφίσι ομογλώσσους.
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Beitragvon Domingo » Mi 20. Aug 2008, 11:55

Genau solche Aussagen lassen mich vermuten, dass Herodot klar war, dass im Grunde alle Welt gleich ist :cool2:
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Beitragvon Clemens » Mo 25. Aug 2008, 23:57

Als vorsichtigen Einwurf möchte ich einen Teil des ersten Satzes anführen:

[unicode]ἔργα μεγάλα τε καὶ θωμαστά, τὰ μὲν Ἕλλησι, τὰ δὲ βαρ-
βάροισι ἀποδεχθέντα
[/unicode]

Das ist immerhin eine recht ausgewogene Würdigung an sehr prominenter Stelle, was gegen allzu tiefsitzende chauvinistische Anwandlungen spricht.
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Beitragvon nighean_neonach » Di 26. Aug 2008, 09:26

Ich denke mal, wer ein bisschen in der Welt herumgekommen ist und seinen Grips angestrengt hat, wird schon erkannt haben, dass wir Menschen überall gleich dumm sind ;)
Trotzdem ist dieses schlichte "wir sind besser als ihr" wohl ein ganz alter und selbstverständlicher Reflex. Sich innerhalb der eigenen Gruppe Mut zuzusprechen, indem man auf andere herabschaut, dürfte schon in der Steinzeit passiert sein.
Dass man mit wachsender Reflexionsfähigkeit auf so etwas ironisch reagiert, ist ja zu erwarten.
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