Zur Quantität der Diphthonge im Griechischen

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Zur Quantität der Diphthonge im Griechischen

Beitragvon Procopius » So 7. Jun 2009, 09:47

Χαίρειν.
:)
Ich habe wieder einmal - siehe schon die interessanten Antworten, die ich hier bekam
viewtopic.php?f=23&t=27331 -
eine Frage zur Prosodie. Sie betrifft die unterschiedliche Messung von Diphthongen in gebundener und ungebundener Rede.
Für die Quantität der Diphthonge gilt:
1) Diphthonge sind grundsätzlich lang.
2) Jedoch werden αι und οι in Flexionsendungen kurz gemessen (vgl. ἄνθρωποι, ἵστασθαι usw.).
3) Die Ausnahmeregel zu 2) gilt nicht für οι und αι in der 2. und 3. Pers. Singular des Optativs im Aktiv (vgl. z.B. παιδεύοι, παιδεύσοι, παιδεύσαι, πεπαιδεύκοις). Hier gilt wieder die Grundregel zu 1).
4) In der Dichtung dagegen sind die Diphthonge natürlich grundsätzlich zwar ebenfalls lang (Grundregel zu 1). Zugleich gilt hier aber die Ausnahmeregel zu 2) nicht, und zwar regelmäßig in allen poetischen Gattungen von Homer bis Nonnos.
Beispiel: die ersten beiden Wörter des 5. Hymnus des Kallimachos
Ὅσσαι λωτροχόοι τᾶς Παλλάδος ἔξιτε πᾶσαι,
wo man es sehr schön sieht.
Meine Frage:
a) Was ist der Grund für die Ausnahmeregel zu 2)?
b) Und warum gilt diese offensichtlich nur in ungebundener Rede?
Wohlgemerkt, damit wir nicht aneinander vorbeireden: Ich weiß, daß in der Dichtung aus Verszwang Diphthonge gelegentlich kurz gemessen werden. Auch meine ich nicht das sattsam bekannte Phänomen der Hiatkürzung (correptio epica). Auch der Unterschied zwischen Lang- und Kurzdiphthongen, der die Quantität des ersten Bestandteiles des Diphthonges betrifft, ist nicht gemeint, sondern nur der oben bezeichnete - eigentlich ganz einfache - Regeltatbestand.
Kann jemand helfen? Oder auch nur vielleicht einen Literaturhinweis geben?
:smile:
Εὐτυχεῖτε.
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Re: Zur Quantität der Diphthonge im Griechischen

Beitragvon Procopius » Di 28. Jul 2009, 00:46

Τί σιγᾶτε, ὦ ἑταῖροι; ἆρά γε μὴ ὑμῖν αἰνίγματα προὔβαλον μείζω ἢ εἰκός ἐστιν; σχεδὸν μὲν οὖν δύο μῆνας διατελῶ ἐλπίζων τινὰ ἀποκρινεῖσθαί μοι. νῦν δὲ μέλλω ἀφήσειν τὴν ἐλπίδα.
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Re: Zur Quantität der Diphthonge im Griechischen

Beitragvon Domingo » Di 28. Jul 2009, 01:00

Tja, leider weiß ich es auch nicht :nixweiss:

Es führt wohl kein Weg daran vorbei, die grammatikalische Länge als von der prosodischen verschieden anzusehen. Prosodisch ist jede geschlossene Silbe lang; das halbvokalische Element eines jeden Diphtonges dürfte dann wohl als Konsonant wirken, was in dem Falle, dass das darauffolgende Wort mit einem anderen Konsonanten beginnt, für eine geschlossene Silbe sorgt.

Die Akzentregel hingegen folgt anscheinend nur der Länge des Vokals der letzen Silbe, heißt es doch zB ἤπειρος, wenngleich die letzte Silbe meist prosodisch lang sein dürfte (folgt nämlich ein Konsonant oder eine Pause, ist die Schlusssilbe geschlossen).

Mehr kann ich leider nicht dazu sagen :roll:

Vale

Domingo
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Re: Zur Quantität der Diphthonge im Griechischen

Beitragvon Platon » Di 28. Jul 2009, 09:29

Man muss denke ich einfach sehen, dass die prosodischen Verhältnisse in der Dichtung schon in den homerischen Epen wohl nicht denen der gesprochenen Sprache entsprechen.
Die Diphthonge ai und oi werden in der gesprochenen Sprache als kurze Vokale behandelt, Reste davon finden sich auch in der Dichtung, denn ai und oi sind die einzigen Diphthonge, die elidiert werden können. In der Antike wurden ai und oi teilweise auch gar nicht als tatsächliche Diphthonge angesehen, bei Theodosius und v.a. seinem Scholiasten Choeroboscus findet man dazu Genaueres (z.B.: Ἐπειδὴ οὖν ἡ <αι> δίφθογγος ἡ ἐκφωνοῦσα τὸ <ι> καὶ ἡ <οι> δίφθογγος οὔτε κατ' ἐπικράτειάν εἰσιν οὔτε κατὰ διέξοδον οὔτε κατὰ κρᾶσιν, εἰκότως ὥσπερ ἐστερήθησαν τοῦ ἰδιώματος τῶν διφθόγγων, ἐστερήθησαν καὶ τοῦ χρόνου τοῦ παρεπομένου ταῖς διφθόγγοις, καὶ τούτου χάριν αὗται μόναι ἐκ τῶν διφθόγγων Ï„á¿· τονικῷ παραγγέλματι ἀντὶ κοινῆς παραλαμβάνονται καὶ πρὸς ἕνα ἥμισυ χρόνον ἔχουσιν).
Wenn man die Frage beantworten will, muss man schauen, wann auslautende eigentlich kurze Diphthonge lang gemessen werden können, nämlich z.B. vor Rho, My, Ny, Lambda und Sigma, die allesamt doppelkonsonantisch wirken können, ebenso kann es vor männlicher Zäsur (durch die entstehende Pause) zu einer metrischen Dehnung kommen (in deinem Kallimachosbeispiel liegen beide Fälle vor), d.h. es gibt eine unglaubliche Fülle von Möglichkeiten, wo ai und oi durch metrische Tradition oder metrischen Zwang lang gemessen werden müssen / können, diese Möglichkeiten werden dann wohl analog auch an solchen Stellen fortgesetzt, wo Länge eigentlich nicht zu erwarten wäre.
Platon
 

Re: Zur Quantität der Diphthonge im Griechischen

Beitragvon Laodamas » Do 30. Jul 2009, 17:22

@Platon:
"Die Diphthonge ai und oi werden in der gesprochenen Sprache als kurze Vokale behandelt... wann auslautende eigentlich kurze Diphthonge lang gemessen werden können, nämlich z.B. vor Rho, My, Ny, Lambda und Sigma,"
Hast du dafür Anhaltspunkte? Gelten sie nicht grundsätzlich als lang und nur in Ausnahmefällen als kurz?

@Procopius: Deine Fragestellung ist völlig wirr. Kannst du dich nicht klarer ausrücken? Was meinst du mit "Ausnahmeregel zu 2)"?

"Ich weiß, daß in der Dichtung aus Verszwang Diphthonge gelegentlich kurz gemessen werden."
Hast du dazu ein Beispiel?

Lektüreempfehlung: M. L. West, Greek Metre, Oxford 1982.
Laodamas
 


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