Theognis Zitat

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Theognis Zitat

Beitragvon mercatoris » Sa 9. Okt 2010, 20:45

Chairete!

Habe kürzlich ein Zitat von Theognis gefunden und wollte wissen, ob die Übersetzung zutrifft:

κάλλιστον τὸ δικαιότατον, λῷστον δ' ὑγίαινεν,

πρῆγμα δὲ τερπνότατον τοῦ τις ἐρᾷ τὸ τυχεῖν.


Eine sehr schöne Sache ist es, überaus gerecht zu sein (εἷναι zu τὸ δικαιότατον ergänzt), die beste aber, gesund zu sein, doch am erfreulichsten ist es, jemanden zu finden, der (einen) leidenschaftlich liebt. (τις im Sinne von ὅστις übersetzt).

Bin für jeden Kommentar dankbar.
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Re: Theognis Zitat

Beitragvon Medicus domesticus » So 10. Okt 2010, 09:49

Χαῖρε!
Das ist aus Theognis 255/256:
κάλλιστον τὸ δικαιότατον, λῷστον δ' ὑγίαινειν,
πρῆγμα (=πρᾶγμα) δὲ τερπνότατον, τοῦ τις ἐρᾷ, τὸ τυχεῖν.

Den ersten Teil kann man m.E. so stehen lassen, ab πρῆγμα aber würde ich es ziemlich wörtlich so machen:
....doch die erfreulichste Sache (πρῆγμα) ist, bekommen zu haben (τυχεῖν (Aorist Infinitiv von τυγχάνω) , was (τοῦ, ἐράω steht mit Gen. ) man (τις) begehrt.


Gruß , Medicus
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Re: Theognis Zitat

Beitragvon consus » So 10. Okt 2010, 14:29

Κῶνσος τοῖς φίλοις χαίρειν.
Das Epigramm wird von Aristoteles (EN 1099a) zitiert. Bei ihm hat das Distichon folgenden Wortlaut:
κάλλιστον τὸ δικαιότατον, λῷστον δ᾿ ὑγιαίνειν·
ἥδιστον δὲ πέφυχ᾿ οὗ τις ἐρᾷ τὸ τυχεῖν.

Nach Dirlmeier (1) befand sich diese Inschrift auf dem Propylaion des Letotempels zu Delphi und war geistiges Gemeingut der Griechen (2). Der Stagirit benutzt das Epigramm, um zu zeigen, dass in Bezug auf das höchste Gut εὐδαιμονία die drei Begriffe des höchsten, schönsten und freudevollsten Gutes nicht getrennt gedacht werden dürfen.
Interessant ist die Übersetzung der Aristotelesstelle durch Thomas von Aquin:
Et non divisa sunt haec [sc. optimum et pulcherrimum et delectabilissimum] secundum Deliacam superscriptionem „Optimum justum, desideratissimum autem sanum esse. Delectabilissimum vero quo quis optat frui“. Omnia enim existunt haec optimis operationibus. Has autem vel unam harum optimam esse felicitatem (3).
Der Aquinate kommentiert dies folgendermaßen:
Philosophus (4) dicit, quod ista tria non conveniunt diversis, sed omnia conveniunt operationibus, quae sunt secundum virtutem, in quibus vel in quorum optima consistit felicitas. Unde unum est, scilicet felicitas, quod est optimum et pulcherrimum desideratissimumque sive delectabilissimum (5).
In diesem Sinne einen schönen Herbstsonntag!

___________________________________
(1) Komm. z. St. (Berlin ³1964, S. 285).
(2) Vgl. u. a. Plat. Gorg. 451c2; Arist. rhet. 1378b3.
(3) In decem libros Ethicorum Aristotelis ad Nicomachum expositio, lectio XIII.
(4) Bei Thomas immer in prägnantem Sinn: Aristoteles.
(5) l. c. nr. 161.
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Re: Theognis Zitat

Beitragvon Procopius » Di 12. Okt 2010, 09:23

Dietrich Ebener, Griechische Lyrik, 2. Aufl., 1980, hatte den Text von E.Diehl und D.Young, Leipzig 1961, vor sich und übersetzte:

Höchste Gerechtigkeit ist das Schönste, Gesundheit das Beste;
doch zu erreichen das Ziel, bietet den höchsten Genuß.
Et gaudium mihi et solacium in litteris, nihilque tam laetum, quod his laetius, nihil tam triste, quod non per has minus triste.
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Re: Theognis Zitat

Beitragvon Procopius » Di 12. Okt 2010, 09:36

Nachtrag zu soeben:
Die neueste Ausgabe der Theognidea von M.L.West hat übrigens - jedenfalls im Ergebnis - denselben Text, wie ich gerade sehe.
Et gaudium mihi et solacium in litteris, nihilque tam laetum, quod his laetius, nihil tam triste, quod non per has minus triste.
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Re: Theognis Zitat

Beitragvon Medicus domesticus » Di 12. Okt 2010, 10:02

Schöne Umsetzung, Procopius.
Wenn auch nicht mehr ganz wörtlich zur Theognisstelle. ;-)

Gruß, Medicus
:)
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Re: Theognis Zitat

Beitragvon consus » Mi 13. Okt 2010, 10:54

Dann aber auch Franz Dirlmeiers Übersetzung von Aristot. eth. Nic. 1099a (a.a.O.):

Schönster Schmuck ist gerecht sein. Bester Besitz die Gesundheit.
Süßeste Freude ist dies: wenn man gewinnt, was man liebt.


Anreiz für so manchen von uns, ein lateinisches Distichon zu schreiben...
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