von Sokrates » Do 13. Mär 2014, 14:39
Χαίρετε,
alles mal wieder nicht so leicht, wie es anfangs scheint. Bei solch simpel klingenden, aber -und das ist das Problem!- ungenauen oder wenigstens mehrdeutigen deutschen Phrasen lässt man sich allzu schnell zu einer Musterübesetzung verleiten, die dem ursprünglichen Sinn nicht gerecht wird (was bei konstruierten Einzelsätzen leider oft nicht anders zu realsisren ist) und der griechischen Ausdrucksfähigkeit kaum gerecht wird.
"Was du auch sagen magst, du wirst mich schwerlich umstimmen."
Welches Bild gibt der Satz als Ganzes in der Syntax ab?
Grob gesagt ein Relativsatz und ein Hauptsatz.
Nehmen wir uns erstmal diese vor:
Ein Futur I ist als Tempus auszumachen. Nun muss man sofort sehen, dass dies im Zusammenhang mit einem Adverb "schwerlich" steht, was nicht anderes als "kaum, wohl" bedeutet. Das Tempus hat im D also eine Funktion, die man normalerweise in einer anderen verbalen Kategorie, dem Modus, erwartet. Es drückt eine Annahme des Sprechers aus, jedoch nicht im Sinne einer reinen hypothetischen Möglichkeit, sondern als eine vermutete, höfliche, wie auch immer abgemilderte Form einer gewöhnlichen faktischen Aussage. Im Griechischen muss genau diese Auffassung der Realität bzw. Darstellung der Aussage formal mit dem Optativ ausgedrückt werden, das ist richtig erkannt. Ein "dürfte wohl tun, wird schon tun, tut bestimmt (Indikativ!!)" ist nichts anderes als eine vornehme Art, einen harten Indikativ zu vermeiden; diese Nuance hat sich zwar aus einem "könnte vielleicht tun, tut möglicherweise" (also der reinen Möglichkeit, die theoretisch besteht), dem eigentlichen Potentialis, entwickelt, aber nicht allzu viel mit ihm gemein, wie sich im D an den unterschiedlichen Modalverben und Paraphrasen zeigt.
Modus ist also der Optativ, und die konkrete Vokabel ist ja auch vorgegeben. Ob sie geschickt gewählt ist, sei dahingestellt, von lexikalischen Fragen befreit dich eine Angabe erstmal.
Ich denke nicht, dass Prudentius' Antwort ironisch war, Penthesilea, er hat genau recht:
Man darf Sprache aktiv und selbstbewusst verwenden. Das gilt auch für altsprachliche Stilübungen. Genau dafür haben wir ja die Möglichkeit, Worte nach belieben zu beugen und zu verwenden, um ein so dynamisches Gebilde wie einen Text zu kreieren. Wenn eine Vokabel semantisch passt und nicht irgendwie irregulär gebildet wird, dann kann man sie flektieren und regelgerecht einsetzen!
Jetzt zum schwierigen Teil:
Was du auch sagen magst,…
Das Verb anschauen. Ein Modalverb. Mögen lässt einen in dieser Verwendung gleich an einen Concessivus denken. Im Lateinischen mit dem Konjunktiv ausgedrückt, hat das Griechische die ursprünglichen Verhältnisse besser bewahrt. Denn genau aus der oben angesprochenen Bedeutung des Optativs "dürfte wohl, hat wohl", also der abgemilderten Aussage, kann leicht ein Zugeständnis werden, um dem Dialogpartner den Wind aus den Segeln zu nehmen, wenn man etwa an philosophische Disputationen denkt, also ein "mag haben, kann ruhig getan haben". Auch hier wäre ein Optativ also angebracht und vorstellbar. Ein Konzessives und ein urbaner Potenialis passen gut in eine Periode (vgl. aber den Unterschied: wenn er das getan haben sollte, könnte er vielleicht gelobt werden, wo beides mal eine reine Möglichkeit impliziert wird, mit dem hier vorliegenden was er auch getan haben mag, er dürfte wohl gelobt werden, was nicht anderes als eine vornehme Art der Indikativumschreibung ist. Hier ist auch die Schnittstelle zwischen potentialem und konzessiven Optativ im "mag" zu sehen!)
Zuletzt müssen wir uns dem Relativpronomen zuwenden:
Ein "was auch" entspricht einem "was auch immer, egal, was" liegt vor, es handelt sich also um ein verallgemeinerndes Relativpronomen.
Und hier gibt es mehrere Arten, den Satz zu verstehen, was am Ende sogar Einfluss auf den Modus und damit die modale Auffassung der ganzen Konstruktion haben wird.
1. Es soll (nur) das Akkusativobjekt, also das, was man getan hat, verallgemeinert werden. Nominal ausgedrückt entspräche das einem Verbalsubstantiv mit Indefinitpronomen: eine beliebige Tat, welch eine Tat.
Im Relativsatz muss dann im Gr auch das entsprechende Pronomen stehen, nämlich ὅτι. Typographische Variation ὅ, τι (meiner Meinung nach ungünstig) oder analytisch: ὅ τι (die Iuxtaposition ist also aufgehoben, nachvollziehbar).
2. Es soll die Handlung, der Vorgang an sich verallgemeinert werden. In diesem Falle würde es sich um ein eine allgemeingültige, zeitlose und von konkreten Umständen unabhängige und aus dieser Grundbedeutung heraus auch wiederholbaren und wiederholten Tätigekitsaussage handeln. Der Modus dafür ist im Gr der Konj .mit ἄν, was klassisch prosaisch nicht fehlen sollte. Dieser Prospektives ist vor allem aus den konditionlen Perioden bekannt, in denen er eine Verallgemeinerung bzw. Wiederholung im Zusammenspiel mit präsentischer Apodosis bzw. eine Erwartung mit futurischer kennzeichnet. In diesem Fall ist ein Relativsatz modal sehr eng mit einem iterativen Konditional- bzw. Temporalsatz assoziiert. Ein Optativ würde einen allgemeinen Prospektives bedingen, es geht ja nicht um eine spezifisches Umstimmen in der Zukunft, sondern um eine generelle Aussage.
Und hier liegt das Problem: Nicht das Pronomen ist verallgemeinert, sondern das Prädikat, also nicht der Gehalt, sondern der Inhalt. Nicht: was immer du tust, sondern wenn= wann immer, sooft, also im D Verallgemeinerung der Konjunktion!
Nur: ist das hier gemeint? Kann der Gegenüber den Sprecher nur in dieser konkreten Situation nicht umstimmen, und zwar egal, was er jetzt auch sagen würde (der Sprecher "bockt" also, vgl.1) ODER Kann der Sprecher generell nicht vom gegenüber umgestimmt werden, egal, wann es ist (er also ein unverbesserlicher Querulant wäre, vgl. 2)
Ich denke 1 ist gemeint.
Wie sähe es aber auch, wenn man beides, also Pronomen und Prädikat verallgemeinern wollte?
Das liefert uns
3. Ein verallg. Relativpronomen und ein Konj. mit ἅν. Ja, auch das gibt es!
Durch die Modalität rückt der von der Form her eindeutig relative Nebensatz semantisch und auch syntaktisch in die Nähe eines adverbialen Bedingugnssatzes, also εἰ und ein Konj. mit ἅν, da die Handlung allgemein bzw. wiederholend aufgefasst wird, das Pronomen soll muss ὅτι heißen, da ja auch das Objekt verallgemeinre werden soll. Das bedeutet dann so viel wie:
Wenn (immer) du was auch immer sagen magst, ….
Das Gegenüber kann also zu jedem beliebigen Zeitpunkt (sooft es will) zum Sprecher kommen und dabei sagen, was immer es will, es spielt keine Rolle, der Sprecher ist niemals mit keinem Argument umzustimmen.
Das wäre in der Tat eine rabiat-radikale Haltung, die man durch ein Ὅ τι ἄν ποτε (also die Partikel ποτε) noch weiter abstrahieren könnte, wie Glis richtig anmerkt.
Das war ja eine eurer Übersetzungen, ὅτι ἅν με λεγῃς, aber ich denke nicht, dass der deutsche Satz, auch wenn er sie durchaus hergeben würde und sie nicht falsch ist, eine solche Auffassung hergibt.
Ein Nebensatz, in dem ein Relativpronomen verallgemeinert ist und in dem ein konzessiver Optativ steht ist doch wahrscheinlicher als ein Nebensatz, der durch seine iterative Färbung nahe an einen Konditionalen kommt und dazu noch ein verallg. Pron hat, das ist doch rein modal gesehen etwas ganz anderes und hier unangebracht.
Denn egal ob der Optativ im HS Präsens oder Aorist ist, er gilt als gegenwartsbezogen und ein Konj mit ἅν im NS ist dann nicht eventual, sondern iterativ aufzufassen, sodass er notwendigerweise um eine Wiederholung oder Verallgemeinerung kennzeichnet, was hier wohl zu stark wäre. Jedoch kann man immer wieder beobachten, dass auch eine präsentische Aussage mit einem Prospektives verbunden wird, der ganz klar eine subjektive Erwartung eines konkreten einzelnen Ereignisses meint, also dass im GS ein spezieller Prospektives im Sinne eines Eventualis vorliegt, obwohl der HS Werder Futur noch Imperativ ausweist, was nach den Regeln schwer zu erklären ist. Dies gilt insbesondere für Relativsätz im Konj. mit ἅν , bei denen dann ein Einheitsmdous "Prospektiv" steht, und sich die Auffächerung der Semantik nicht so stark hervortut wie bei temporalen und Konditionalen GS!
Aber im Grunde ist ja die Modalität im NS immer dieselbe, eine zeitlose bevorstehende Aussage, die mal mehr als Wiederholung, mal mehr als Erwartung zu deuten ist. Dennoch wäre ich vorsichtig, wenn man bei diesem GS an einen Eventualis denkt.
Somit ist Variante 1 die der Wahl.
Was ich an diesem Beispiel zeigen will, sind die mannigfachen Expressionsmöglichkeiten des Altgriechischen, die man kenne muss, um einen deutschen Satz möglichst präzise wiederzugeben. Dazu bedarf es aber eines genauen Lesens und eines Kontextes. Dass griechische Autoren die Fälle 1 bis 3 zum einen sehr bewusst gebrauchen (und man sie wohl unterscheiden muss, um die Aussage voll zu erfassen), zum anderen ohne erkennbaren Sinnunterschied verwenden (wenigstens für uns Deutsche), befreit uns nicht vom genuine Reflektieren eines Einzelsatzes, wie er hier zur Diskussion stand.
So, das wäre es von meiner Seite, wie immer Kritik und Verbesserungen hier sofort äußern, vielleicht fällt euch auch noch eine ganz andere Sicht auf den Satz ein…?
LG
Sokrates