Was will mir Παρρησιάδης hier sagen?

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Was will mir Παρρησιάδης hier sagen?

Beitragvon Kallirhoe » Do 29. Dez 2016, 18:06

Hallo liebe Griechischliebhaber,


ich sitze derzeitig an meinen Pensa für das Erste Staatsexamen. Kann mir hier jemand bei der Übersetzung der folgenden Passage aus Luc. Pisc. 6 helfen? Probleme habe ich vor allem mit den fettgedruckten Wörtern.

ἔσθ᾽ ὅστις οὖν ταῦτα εὖ πεπονθὼς παρ᾽ ὑμῶν κακῶς ἂν εἰπεῖν ἐπιχειρήσειεν εὐεργέτας ἄνδρας, ἀφ᾽ ὧν εἶναί τις ἔδοξεν; ἐκτὸς εἰ μὴ κατὰ τὸν Θάμυριν ἢ τὸν Εὔρυτον εἴη τὴν φύσιν, ὡς ταῖς Μούσαις ἀντᾴδειν, παρ᾽ ὧν εἴληφε τὴν ᾠδήν, ἢ τῷ Ἀπόλλωνι ἐριδαίνειν ἐναντία τοξεύων, καὶ ταῦτα δοτῆρι ὄντι τῆς τοξικῆς.

Mein bisheriges Ergebnis:

Sollte also einer, der diese Wohltaten von euch empfangen hat, versuchen schlecht über seine Wohltäter zu reden, von denen er scheint etwas zu sein? Außer wenn er nach einem Thamyris oder einem Eurytos die Natur hätte, wie jener gegen die Musen anzusingen, von denen er den Gesang erhalten hat, oder wie dieser mit Apollon zu streiten, indem er mit dem Bogen gegen ihn schießt, der auch der Geber der Kunst des Bogenschießens ist.


Der erste Satz gibt sichtlich nicht ganz so viel Sinn bei mir :D Was bedeutet dieses ἔσθ᾽ hier? Kann man ein "wie" als Fragewort ergänzen?
Bei dem zweiten Satz habe ich Probleme mit dem Bezug der fett markierten Wörter.

:help:

Danke im Voraus! Kallirhoe
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Re: Was will mir Παρρησιάδης hier sagen?

Beitragvon marcus03 » Fr 30. Dez 2016, 10:42

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Re: Was will mir Παρρησιάδης hier sagen?

Beitragvon Sokrates » Fr 30. Dez 2016, 16:18

Χαίρετε,

meine kurze Einschätzung:
Es handelt sich um eine Entscheidungsfrage, die affektiert gestellt wird und deshalb der gewohnten Fragepartikel entbehrt. Ein "wie" klingt stilistisch schön, entbehrt aber der Grundalge im Text: ἔστι ὅστις = mancher, irgendeiner, wohl einer, so mancher

ἀφ᾽ ὧν εἶναί τις ἔδοξεν: syntaktisch wäre auch eine Deutung des präpositionalen Ausdrucks als alternative Realisation des Gen. Part. denkbar, i.S.v. von denen einer zu sein er glaubte, aber hier gilt das Indefinitum mehr als "einer, ein Mann von Bedeutung": wegen denen (infolge ihrer Einwirkung) er "einer" zu sein glaubte.
Der Fragesatz ist unabhängig vom folgenden Gliedsatz, aber kann doch gewissermaßen als potentiale Apodosis gesehen werden, woraus sich der Modus des Gliedsatzes erklärt (aus dem gleichen Grund, nämlich zur Bezeichnung der Möglichkeit, auch das ὡς mit Infinitiv, wobei das Partizip dann im Nominativ bleibt da kein AcI steht, im übrigen findet sich nur selten ὡς statt ὥστε; ich verstehe dein
wie jener gegen die Musen anzusingen,
syntaktisch nicht.) Auch denkbar: ὡς als "gleichsam"; dann Infinitive als Erklärung: er müsste hinsichtlich seiner Natur dem ... oder .. entsprechen, nämlich gleichsam zu... als: er dürfte wohl dem ... gleichkommen hinsichtlich des Wesen, dass...-> nur dann wenn er nach dem A oder E kommt hinsichtlich derjenigen Wesensart, dass er... diese Deutung ist aber sehr künstlich und kaum haltbar, besser: ... wenn er charakterlich ganz nach Art des A sein sollte, sodass er/, Inf.
τοξεύων: schwer zu bestimmen, was damit genau gemeint ist, aber gemäß des linearen Aspekts: schießen (linear), immer wieder schießen, oder auch schießen als Vorgang von Dauer, zu verstehen als zielen, schießen wollen, alt sogar zu treffen versuchen (!).
ἐναντία τοξεύων, καὶ ταῦτα
adverbialer Akkusativ: "entgegengesetztes" -> Adv. (ihm) gegenüber, in entgegengesetzter Weise übertragen: in feindlicher Absicht.
καὶ ταῦτα entweder auch adv. Akk., konzessiv: obwohl er diesbezüglich -> im Übrigen auch ...ist
oder Fortführung des Gedanken mit aufnehmendem Pronomen: "und dies, wo er doch...ist

LG,
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Zuletzt geändert von Sokrates am Fr 30. Dez 2016, 21:30, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Was will mir Παρρησιάδης hier sagen?

Beitragvon Medicus domesticus » Fr 30. Dez 2016, 19:19

Von Sokrates "linear" bestätigt. Nein im Ernst...deine Übersetzung war gar nicht wörtlich so schlecht. Du warst schon gut auf der Fährte.. :-D Man kann auch gut bei Loeb nachprüfen, denn dort ist Lucan auf englisch schon lange übersetzt. Im Prinzip alle Infos im Internet prüfen. Wir hatten diese Infomöglichkeit damals nicht, wenn ich an Medizin denke..wir gingen in die Medizinische Lesehalle in München ;-)
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Re: Was will mir Παρρησιάδης hier sagen?

Beitragvon Prudentius » Sa 31. Dez 2016, 09:25

ἔσθ᾽ ὅστις


"Gibt es einen, der ...?", ganz wörtlich; wie "est, qui"; für den Logiker ist interessant, dass hier der "Existenzquantor" konkret wird, während er sonst implizit enthalten ist wie bei aliquis, nonnulli, quidam. Die Grammatik kann die Brücke nicht schlagen; keine Grammatik notiert, dass die Fügung "sunt, qui..." mit den Indefinita zusammengehört.

"καὶ ταῦτα", ganz wörtlich "und das", formelhafte Betonung und Entgegensetzung.

"ἐναντία τοξεύων", adverbialer Akk.
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Re: Was will mir Παρρησιάδης hier sagen?

Beitragvon Sokrates » Sa 31. Dez 2016, 12:10

Χαἰρετε,

gut ausgeführt, Prudenti :)

zwei Ergänzungen gerade noch: Die deutsche und englische Übersetzung werden im Nebensatz sehr frei, wenn auch sinntreffend; trotzdem ist davon erstmal abzuraten.
Das "wie" kommt daher, dass man im D nach einem Fragewort suchte, um die Verwunderung der im Affekt gestellten Frage zu betonen. Einfacher wäre es doch, ganz analog zum Griechischen auf jeden Kennzeichnung der Frage zu verzichten (außer dem Satzzeichen freilich), das heißt für uns vor allem: keine Inversion.
Einen gibt es, der...-> Einer könnte es also unternehmen, obwohl er...., seine Wohltäter zu schmähen? (Dies dürfte nicht der Fall sein, ) außer wenn (Im Gr. pleonastische Negation) er... sein sollte...
Dein
der auch der Geber der Kunst des Bogenschießens ist.
scheidet, auch wenn man mit "und dies", also auf das Mit-dem-Bogen-Angreifen bezogen, übersetzt, aus, da es nicht direkt ein Attribut sein kann.

Ἕγωγ`εὔχομαι ὀφέλιμον δὴ καὶ ὑμῖν εἶναι τὸ νέον ἔτος πρὸς τὸ τὴν Ἑλληνικὴν γλῶτταν διδάσκεσθαι. :)
Sokrates
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Re: Was will mir Παρρησιάδης hier sagen?

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 31. Dez 2016, 12:40

Sokrates hat geschrieben:Die deutsche und englische Übersetzung werden im Nebensatz sehr frei, wenn auch sinntreffend; trotzdem ist davon erstmal abzuraten.

Loeb gibt einem aber einen guten Überblick zum Verständnis der Passage. Man kann nicht immer alles 1:1 übernehmen, aber oft kommt man dadurch weiter...
Sokrates hat geschrieben:Ἕγωγ`εὔχομαι ὀφέλιμον δὴ καὶ ὑμῖν εἶναι τὸ νέον ἔτος ...

Καλῶς, ὦ Σώκρατες !
Τοὺς θεοὺς εὔχομαί σοι διδόναι ὑγίαιαν καὶ σωτηρίαν καὶ ἀγαθὰ πολλά ! ;-)
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