Jesus bei nichtbiblischen Autoren?

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Jesus bei nichtbiblischen Autoren?

Beitragvon Merkur » Do 27. Nov 2003, 18:15

Salvete!

Gibt's was (ausführlicheres) bei nichtbiblischen (auch nicht bei Augustinus und Co.) Autoren über Jesus?


Danke sehr
valete
Merkur
 

Beitragvon incisus » Do 27. Nov 2003, 20:01

Schau mal auf www.Jesus.de nach, da gibts auch n Forum, vielleicht wissen die ja mehr :)
Ich bin da auch grad noch am suchen, sollt ich was finden, meld ich mich noch mal! :smile:
incisus
 

Beitragvon incisus » Do 27. Nov 2003, 20:09

Auf folgendem Link http://www.evangelikal.de/bedeutung_parallel2.html
steht unter Absatz 6. Die Zuverlässigkeit der Bibel im Vergleich mit außerbiblischen Texten :
Die Person Jesu und das Entstehen der christlichen Urgemeinde werden bei den Geschichtsschreibern Tacitus, Josephus Flavius, Suetonius, Plinius dem Jüngeren, Lucian und Tertullian erwähnt. :)
incisus
 

Beitragvon Ketelhohn » Fr 28. Nov 2003, 00:57

Schau doch mal hier nach:
Nummer 1
Nummer 2
Nummer 3
Nummer 4
Nummer 5
Nummer 6
Nummer 7
Nummer 8
…
…
Deine Frage wäre aber mittlerweile eher anderswo gut aufgehoben. :)
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Beitragvon Merkur » Fr 28. Nov 2003, 16:33

Danke Ketelhohn und incisus! :)

Hab mir das mal durchgelesen ... ihr habt ja diskussionen :-o


Gibt es eigentlich diese röm. Akten, in denen von der Kreuzigung Jesu berichtet wird?
[@Ketelhohn:
Ich zweifle die Existenz, sowie die Kreuzigung nicht an, möchte jedoch noch wissen, ob es auch (noch vorhandene) nichtchristliche Quellen (ohne die Passagen, die Tacitus und Co. schrieben) gibt? [Eigentlich nur, weil wir gerade in Religion über die Quellenlage u.ä. sprechen ... ]]

Danke :)
Merkur
 

Beitragvon Chrysostomus » Sa 29. Nov 2003, 16:12

Die häufig zitierten "heidnischen" Belege für die Existenz Jesu sind mit einiger Vorsicht zu genießen.

So ist der in Suetons Claudius-Vita erwähnte "Chrestus" wohl nicht mit Jesus CHRISTUS identisch, es gilt zumindest als höchst umstritten. In der in Kettelhohns Verweisstellen genannten Nero-Vita Suetons wird Jesus ja gar nicht erwähnt, es wird in Kap. 16,2 nur von "Christiani" gesprochen.

Was die ungemein interessante Tacitus-STelle betrifft, so gilt als ziemlich sicher, das Tac. seine Informationen nicht aus offiziellen römischen Akten bezogen hat, sondern als Informationsquellen kommen Plinius d. J., der ja als Statthalten in Kleinasien mit Christen zu tun hatte, oder eigene Nachforschungen währen der eigenen Verwaltungstätigkeit im Osten in Frage. In beiden Fällen wären aber dann wohl Christen die Informanten gewesen, wie das ja für die Plinius-Briefe in jedem FAll zutrifft.

Wir haben es also bei TAcitus, Sueton und Plinius NICHT mit unabhängigen heidnischen "Beweisen" für die Existenz Jesu zu tun, sondern in allen Fällen ist sehr wahrscheinlich eine christliche Quellenurheberschaft zugrunde zu legen.
Chrysostomus
 

Beitragvon Ketelhohn » So 30. Nov 2003, 00:42

chrysostome o si tacuisses pater ecclesiæ mansisses

Aber ich habe mich an den oben zitierten Stellen schon ausführlich mit deinen Einwänden – damals von andern vorgetragen – auseinandergesetzt. Laß mich das nun nicht hier nochmals ausbreiten.

Dein Kriterium für die „Unabhängigkeit“ heidnischer Quellen mutet freilich etwas sonderlich an. Ein römischer Statthalter berichtet also nicht unabhängig, weil er im Zuge seiner offiziellen Untersuchung Christen verhört hat? Ja, beim wem sonst hätte er sich denn sachkundig machen sollen? Vielleicht bei den Galli der Cybele?

Was Tacitus betrifft, so ist meines Erachtens sehr deutlich, daß er für die Zeit Neros (ann. xiii-xvi) Senatsakten verwendet hat; mit anderen Worten, daß ihm, als er an diesem Teil der Annalen arbeitete, das Senatsarchiv – anders als zuvor – zugänglich war.

Für die hier behandelten Stellen lassen sich die Quellen zwar kaum eindeutig feststellen. Auch deine Vorschläge kommen natürlich in Betracht, wissen wir doch ebenso um des Tacitus Freundschaft mit Plinius als auch – durch eine Inschrift – um seinen Proconsulat von Asia, ferner um zwei weitere mehrjährige Provinzaufenthalte an unbekanntem Ort.

Aber das erhöht doch bloß das Gewicht des taciteischen Berichts, denn er mag sogar über eigene Kenntnisse aus seiner Verwaltungstätigkeit im Osten verfügt haben. In Rom stand ihm zumindest genügend Aktenmaterial zur Verfügung, daß ihm aufgefallen wäre, wenn wichtige Eckdaten seines Berichtes nicht stimmten: wenn beispielshalber Pilatus zur fraglichen Zeit gar nicht procurator – wie man die einstigen Präfekten zu seiner Zeit bereits nannte – von Judæa gewesen wäre, was ja selbst heute, trotz inschriftlichen Nachweises, immer wieder behauptet wird.

So viel dazu. – Im übrigen gibt es natürlich noch weitere nicht-christliche Quellen, so etwa inschriftlicher Art, oder genauer: Schmierereien, die Christus und die Christen schmähten, und nicht zuletzt den jüdischen Historiker Flavius Josephus.
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Beitragvon Chrysostomus » So 30. Nov 2003, 16:50

@Kettelhohn

"chrysostome o si tacuisses pater ecclesiæ mansisses"

- Ein oberlehrerhafter Ton ist in diesem Forum falsch am Platz. Meine Bemerkungen waren sachlich und in keiner Weise persönlich angreifend. Außerdem verstehe ich mich nicht als "Kirchenvater" - ist doch Urheber meines Nicks der Rhetor Dion Chrysostomos.

"Aber ich habe mich an den oben zitierten Stellen schon ausführlich mit deinen Einwänden – damals von andern vorgetragen – auseinandergesetzt. Laß mich das nun nicht hier nochmals ausbreiten."

- In welcher wissenschaftlichen Publikation kann ich deine Beweisführung nachlesen? Es sind im übrigen nicht meinde Einwände, sondern Positionen, die schon seit langem in der einschlägigen Forschungsdiskussion zu den entsprechenden STellen vertreten werden.

"Dein Kriterium für die „Unabhängigkeit“ heidnischer Quellen mutet freilich etwas sonderlich an. Ein römischer Statthalter berichtet also nicht unabhängig, weil er im Zuge seiner offiziellen Untersuchung Christen verhört hat? Ja, beim wem sonst hätte er sich denn sachkundig machen sollen? Vielleicht bei den Galli der Cybele?"

- Wieder der Oberlehrer ... Natürlich ist ein z. T. unter Folter (s. Plinius) erpresstes GEständnis über christliche Glaubensvorstellungen und Glaubenspraktiken KEINE unabhängige Quelle. Es wird doch nur deutlich, was ein Christ des beginnenden zweiten Jahrhunderts an Vorstellungen über die Ursprünge seiner Religion gehabt hat. Dass die Kenntnisse über den HISTORISCHEN Jesus bereits eine Generation nach seinem Tod nicht mehr einheitlich waren bzw. durch das Ostererlebnis in ganz besonderer Weise eine Brechung erfahren haben, ist doch schon in den Evangelien erkennbar, die man eindeutig NICHT als historischen BEricht oder als "Biographie Jesu" verstehen darf.
Ein historisches Zeugnis über die Existenz Jesu sind somit Christenverhöre nicht. Dann müssten wir in der Tat z. B. erhaltene römische Dokumente haben, in denen der Vorgang der Kreuzigung festgehalten ist. Es ist m. E. ohnehin fraglich, ob man im römischen Archiv über jede Hinrichtung von Nichtrömern, hier eines - aus römischer Sicht - völlig unbedeutenden jüdischen Aufrührers im hinterletzten Winkel des Imperiums "Buch geführt" hat.

"Was Tacitus betrifft, so ist meines Erachtens sehr deutlich, daß er für die Zeit Neros (ann. xiii-xvi) Senatsakten verwendet hat; mit anderen Worten, daß ihm, als er an diesem Teil der Annalen arbeitete, das Senatsarchiv – anders als zuvor – zugänglich war."
- Ja richtig, FÜR DIE ZEIT NEROS, aber Jesus wurde bereits dreißig Jahre früher unter Tiberius gekreuzigt. Wie wahrscheinlich ist ein Eintrag über die Kreuzigung Jesu im römischen Senatsarchiv? Hat z. B. Caesar in seinen Commentarii über jede in Gallien durchgeführte Hinrichtung (namentlich) berichtet? Wenn man den Evangelien Glauben schenkt, dann waren Hinrichtungen in Judäa offenbar an der TAgesordnung (s. die beiden mit Jesus gekreuzigten "SChächer" - ein weiterer Todeskandidat, Bar Abbas, wurde noch kurz vorher freigelassen); soll man ernsthaft annehmen, dass all diese Hinrichtungen in Rom genauestens archiviert wurden? Selbst wenn TAcitus hier auf ARchivmaterial zurückgreift, dann wäre mindestens die Amtsbezeichnung "procurator" völlig anachronistisch (Pilatus war praefectus Iudaeae).
(Eine Zusammenfassung der Diskussion mit einschlägigen Literaturverweisen - u. a. FUCHS und HANSLIK - bei A. WLOSOK, Rom und die Christen, Stuttgart 1970, v. a. S. 13 - hier wird die ARchivbenutzung als "unhaltbare Möglichkeit" in der Quellenfrage der TAcitus-STelle bezeichnet).

"Für die hier behandelten Stellen lassen sich die Quellen zwar kaum eindeutig feststellen. Auch deine Vorschläge kommen natürlich in Betracht, wissen wir doch ebenso um des Tacitus Freundschaft mit Plinius als auch – durch eine Inschrift – um seinen Proconsulat von Asia, ferner um zwei weitere mehrjährige Provinzaufenthalte an unbekanntem Ort."

- Danke für die Informationen, die mir als studiertem Altphilologen bislang völlig unbekannt waren. Es sind nicht meine "Vorschläge", sondern die aus Sicht der Forschung als wahrscheinlich angesehenen. Gerade weil TAcitus mit Plinius befreundet war und wir von Plinius über dessen Umgang mit den Christen wissen, zudem bekannt ist, dass Plinius Tacitus mit Informationen für seine historischen Schriften versorgt hat (s. Vesuvausbruch), ist diese Informationsquelle auch für die Christen die naheliegendste. Beweisen lässt sich das natürlich nicht.

"So viel dazu. – Im übrigen gibt es natürlich noch weitere nicht-christliche Quellen, so etwa inschriftlicher Art, oder genauer: Schmierereien, die Christus und die Christen schmähten, und nicht zuletzt den jüdischen Historiker Flavius Josephus."
- Die Schmierereien - z. B. das bekannte Eselskreuz - belegen auch nur die Existenz von Christen und ihren Glauben an einen gekreuzigten Gott, als "Quelle" für die faktische Existenz Jesu sind sie wertlos. Josephus ist ernster zu nehmen, allerdings sprach ich in meinem Thread auch zunächst nur von "heidnischen" Zeugnissen, nicht von jüdischen. Bezeugt wird von ihm die HInrichtung des Jakobus, des (Halb?)Bruders Jesu, des sog. Christus. Damit haben wir in der Tat ein nicht-christliches Zeugnis für die Existenz Jesu, aber eben nicht mehr. Das andere "Zeugnis", Ant. 18,63 f., das sog. "TEstimonium Flavianum" ist Interpolation bzw. Fälschung - offenbar christlicher Provenienz - und kann somit keinen Quellenwert beanspruchen; (vgl. dazu Chr. Burchard, s. v. "Jesus", in: Der Kleine Pauly Bd. 2, Sp. 1344)

Es ging mir im übrigen nicht darum, die Existenz Jesu und das historische Faktum des Kreuzestodes zu leugnen, als gläubiger Christ tue ich dies selbstverständlich nicht - sondern nur darum, die häufig behauptete "unabhängige" Beweisbarkeit der Existenz Jesu aus "heidnischen" Zeugnissen - man kennt das seit dem Religionsunterricht der eigenen Schulzeit - ein wenig zu hinterfragen und ich meine, dass die Forschungsmeinung die von mir hier vertretenen Positionen eher stützt als behindert. Wir brauchen als Christen diese "historische Beweisbarkeit" ja auch gar nicht unbedingt. Spätestens bei der Auferstehung käme man da doch in arge Schwierigkeiten - oder meint man, auch darüber etwas in römischen ARchiven (als Bericht der GRabeswächter bei Pilatus) nachlesen zu können?
Chrysostomus
 

Beitragvon Ketelhohn » So 30. Nov 2003, 21:16

Chrysostomus hat geschrieben:»Ein oberlehrerhafter Ton ist in diesem Forum falsch am Platz«

Spieglein, Spieglein an der Wand … :lol:

Chrysostomus hat geschrieben:»Wir brauchen als Christen diese "historische Beweisbarkeit" ja auch gar nicht unbedingt«

Was meinst du denn mit „Beweisbarkeit“? Mir scheint, du bist da ein wenig der Methode der modernen Bibelexegese aufgesessen, die alles in Frage stellt, was sich nicht gleichsam positivistisch-naturwissenschaftlich „beweisen“ läßt. In der Geschichtswissenschaft – und nebenbei bemerkt auch in der Altphilologie – nimmt man die Quellen, die man hat, als solche etwas ernster. Sonst könnte man die gesamte Historiographie nämlich in die Tonne kloppen.

Ich mache dir mal einen Vorschlag: „Beweise“ doch mal – in jenem positivistischen Sinne – die „historische Existenz“ Plotins. Würde mich interessieren, wie du das anstellst. Falls das zu schwer ist, fang erst mal mit Plato an. Ich bin gespannt.

Abgesehen davon ist die historische Existenz Jesu selbstverständlich absolut unabdingbares Fundament des christlichen Glaubens. Freilich auch ein ganz sicheres, jedoch aufgrund der Quellen christlicher Provenienz, namentlich der Schriften des Neuen Testaments, die natürlich historische Quellen ersten Ranges sind.

Chrysostomus hat geschrieben:»… schon in den Evangelien erkennbar, die man eindeutig NICHT als historischen BEricht oder als "Biographie Jesu" verstehen darf«

Nein, offensichtlich keine Biographien. Vielmehr Zeugnisse der urkirchlichen Katechese, die allerdings sehr stark mit historischen Berichten arbeitet. Die Evangelisten haben den Stoff mit Rücksicht auf die Chronologie angeordnet, jedoch nicht immer konsequent und erst recht nicht vollständig. Aber was schadet das ihrem Quellenwert?

Noch zu zwei Einzelfragen:

Chrysostomus hat geschrieben:»…dann wäre mindestens die Amtsbezeichnung "procurator" völlig anachronistisch (Pilatus war praefectus Iudaeae).«

Das hatte ich doch oben schon angedeutet. Gewiß war „Präfekt“ zur Zeit des Pilatus der Titel von Statthaltern kleinerer kaiserlicher Provinzen wie Judæa. Nicht unmittelbar durch Erlaß des Claudius, wohl aber unter dem Einfluß seiner Entscheidung, den bisherigen (Fiskal-)Prokuratoren judikative Kompetenzen zuzusprechen, ging der Begriff des Prokurators allmählich auch auf die Provinzpräfekten über. Weshalb aber hätte Tacitus nicht den zu seiner Zeit üblichen Begriff verwenden sollen?

Die Institutionen, um die es geht, bestanden ja fort. Wenn man Jahrtausende später schreibt, dann benutzt man als Historiker gern die exakten historischen Begriffe. Wenn man aber als Zeitgeschichtler über Dinge schreibt, die keine hundert Jahre zurückliegen, dann ist es gewiß nicht „anachronistisch“, wenn ich eine fortbestehende Institution mit dem heute geläufigen Namen bezeichne, auch wenn vor zwei Menschenaltern offiziell noch ein anderer, ähnlicher Titel galt.

Chrysostomus hat geschrieben:»Josephus ist ernster zu nehmen, allerdings sprach ich in meinem Thread auch zunächst nur von "heidnischen" Zeugnissen, nicht von jüdischen. Bezeugt wird von ihm die HInrichtung des Jakobus, des (Halb?)Bruders Jesu, des sog. Christus. Damit haben wir in der Tat ein nicht-christliches Zeugnis für die Existenz Jesu, aber eben nicht mehr. Das andere "Zeugnis", Ant. 18,63 f., das sog. "Testimonium Flavianum" ist Interpolation bzw. Fälschung - offenbar christlicher Provenienz - und kann somit keinen Quellenwert beanspruchen; (vgl. dazu Chr. Burchard, s. v. "Jesus", in: Der Kleine Pauly Bd. 2, Sp. 1344)«

Richtig ist, daß heute ein breiter Konsens darüber besteht, daß bestimmte Formulierungen im zweitgenannten Abschnitt bei Flavius Josephus schwerlich von einem Juden stammen können, also nachträgliche Einschübe eines christlichen Bearbeiters oder Kopisten sein müssen. Diese Annahme hat in der Tat alle Wahrscheinlichkeit für sich. Von einer „Fälschung“ sollte man – nebenbei bemerkt – dennoch nicht sprechen, das wäre anachronistisch. Der Urheber der Einschübe dürfte dieselben als korrigierende Ergänzungen empfunden haben.

Interessant ist nun aber, daß eine zweite Fassung des Textes existiert, in der diese christlichen Einschübe fehlen, die wesentlichen Fakten des Wirkens und des Todes Jesu aber gleichwohl geboten werden: nämlich ein Josephus-Exzerpt im arabischen Kitab el-’Unwan [Weltgeschichte] des Agapius Hierapolitanus [arab. Mahbub, aus Hierapolis/el-Menbidsch im heutigen Irak] . Hier liegt offensichtlich die ursprüngliche Fassung des Josephus zugrunde. Dies Exzerpt enthält nicht die „unjüdischen“ Formulierungen, wohl aber nennt es nüchterne Fakten über Jesus Christus. Umgekehrt enthält aber auch die mutmaßlich von christlicher Hand bearbeitete Fassung Wendungen, die man von keinem Christen erwarten kann.

Zudem gibt es weitere Stellen bei Josephus, christliche Zusammenhänge referieren: so den von dir bereits erwähnten Abschnitt, der – im Zusammenhang mit der Hinrichtung des Jacobus – auch Jesus Christus erwähnt, und zwar ohne verdächtige, auf Manipulation deutende Formulierungen. Ferner berichtet Flavius Josephus über Johannes den Täufer – und zwar nach der inkriminierten Stelle über Christus, und ohne irgendeine Verbindung zwischen beiden erkennen zu lassen.

Wäre die Stelle also komplett von einem christlichen Schreiber eingefügt worden, so hätte der Mann jedenfalls einen denkbar ungeeigneten Zusammenhang ausgewählt. Sinnvoller wäre nach dem Vorläufer und Wegbereiter über Christus zu reden gewesen, nicht aber umgekehrt. Diese kompositorische Sonderbarkeit bleibt aber nur so lange sonderbar, wie man sie einem Christen zuschreibt. Daß der Jude Josephus es nicht besser weiß, darüber braucht man sich nicht zu wundern.

Kurz, daß Flavius Josephus über Jesus Christus als historische Person berichtet hat, ist nach der Quellenlage hinreichend gesichert. Daß die Stelle ant. XVIII,3,3 in der Form, die die Handschriften seit dem 11. Jahrhundert überliefern, originär flavianisch ist, das darf man als ziemlich unwahrscheinlich ansehen.

Auf Burchardts Artikel im Kleinen Pauly würde ich mich übrigens eher nicht stützen. Wer wissenschaftliche Arbeit an den Quellen so beschreibt: »Materialkriterium ist, daß echt bzw. geschehen nur sein kann, was nicht Glaubenspostulat ist«, der treibt nicht Wissenschaft, sondern den treibt die Ideologie. Das ist die Nachgeburt der Bultmann-Exegese. Ich bevorzuge denn doch den gesunden Menschenverstand.
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Beitragvon Chrysostomus » Mo 1. Dez 2003, 17:00

"Spieglein, Spieglein an der Wand ..."

:?

Meine Bemerkung bzgl. der Beweisbarkeit bezog sich darauf, dass es mir als Christ völlig gleich sein kann, ob aus nicht-christlichen Zeugnissen "BEweise" für die Existenz Christi gewonnen werden können. Denn diese Zeugnisse waren ja Ausgangspunkt der Diskussion. Spätestens bei der Auferstehung oder bei den "Wundern" käme man hier denn doch in arge Schwierigkeiten. Auferstehung als "historisches Faktum"? - abstrus!

Ich habe nicht die historische Existenz Jesu in Frage gestellt, sondern nur den Wert der "heidnischen Belege" als unabhängige Quellenzeugnisse. Dies war Ausgangspunkt dieser Diskussion. Wenn wir nur die christliche Überlieferung hätten, dann wäre unser Glaube doch nicht minder da. Nähmen wir die Evangelien nur als "historische" Quelle für das Leben Jesu, was bliebe uns dann: Ein jüdischer Rabbiner, der einige Jahre in Galiläa/Judäa gepredigt hat, offenbar eine gewisse Massenwirkung erzielt hat und dann unter Pilatus wegen Aufruhr auf Anstiften bestimmter jüdischer Führungsgruppen gekreuzigt wurde. Schon bei den "Wundern" fängt es an: Wer wollte ernsthaft glauben, dass tatsächlich - also als historisches Faktum - aus fünf Broten und zwei Fischen Tausende von Menschen gespeist wurden? Besitzt somit diese Evangelienstelle "Quellenwert" für ein historisches Ereignis einer Massenspeisung? Ganz zu schweigen von der Auferstehung. Welcher Theologe glaubt heute noch ernsthaft an das "leere" Grab im Sinne eines "historischen" Faktums?

Die zentralen christlichen Botschaften fangen denn doch jenseits dieser "historischen Fakten" an. Glaubensaussagen sind nicht "beweisbar", das Wirken des Geistes findet im ahistorischen Raum statt. Und so sind die Evangelien abgesehen von wenigen Rahmenfakten, die ja auch von Nicht-Christen konzediert werden, keine reale Vita Jesu, häufig auch keine Wiedergabe realer Ereignisse (z. B. die Erweckung des Lazarus von den Toten als Extrembeispiel) sondern hier arbeiten die Evangelisten mit Metaphern, häufig auch mit versteckten, aber immer vorhandenen Anspielungen auf die Texte des AT, die zu deuten und entsprechend zu interpretieren sind.

Mir scheint im Ganzen, du fühlst dich hier persönlich angegriffen, was überhaupt nicht meine Absicht war.

Dass man in der Geschichtswissenschaft Quellen ernst nimmt, ist mir als studiertem Historiker übrigens auch nicht so ganz neu. :) Aber vor einem möglichen Erkenntnisgewinn aus den Quellen (hier die Frage: Gibt es völlig unabhängige, selbstständige "heidnische" Zeugnisse für das Leben und den Tod JEsu"?) steht eben die Quellenkritik. Ich habe versucht, mit Verweisen auf die Forschung eben die genannten Quellenstellen ein wenig zu hinterfragen, nicht mehr und nicht weniger. Bzgl. Josephus habe ich ja in meinem Beitrag auch nicht in Frage gestellt, dass er ein nichtbiblisches/nichtchristliches Zeugnis für die Existenz Jesu bietet. Der Verweis auf die Bewertung des TEstimonium Flavianum im KLeinen Pauly (Burchard) gibt ja nun übrigens nicht nur die Meinung eben dieses Verfassers wieder, sondern den entsprechenden Forschungsstand, wie es ein Lexikonartikel ja i.d.R. tun sollte.

Wenn Tacitus tatsächlich Archivmaterial für die "Christus"-Stelle verwendet hätte, dann hätte er ja wohl auch den korrekten Amtstitel benutzt, da er diesen so in dem Archiveintrag gefunden hätte. Warum sollte er aus einem praefectus einen procurator machen, zumal das Wort "praefectus" bei Tacitus häufig benutzt wird? Bleibt die Skepsis, ob es überhaupt einen Eintrag mit Namensnennung über die Hinrichtung im römischen Archiv gegeben hat, sowie die Frage, ob die antiken Geschichtsschreiber - hier Tacitus - wirklich so akribische Archivforscher waren wie unsere modernen Doktoranden - häufig muss man dies denn doch wohl verneinen, man schrieb denn doch lieber von anderen früheren Historikern ab oder inserierte Einiges (z. B. Reden) nach eigenem Gusto; vgl. zu den Quellen des Tacitus z. B. Michael VON ALBRECHT, Geschichte der röm. Literatur, München 1994 (dtv-Ausgabe), Band 2, S. 878f. Wenn Tacitus bzgl. der Tiberius-Zeit wirklich solide historisch gearbeitet hätte - was er nicht getan hat -, dann hätten wir ein objektiveres (historisch korrekteres) Tiberius-Bild als wir es nun besitzen. Nein: Der "gesunde Menschenverstand" rät mir, die naheliegendere Möglichkeit zu wählen: Auswertung von (über Christen gewonnene) Informationen aus erster (eigene Verwaltungstätigkeit im Osten) oder zweiter Hand (Plinius d. J.).

Ich bin übrigens im Gegensatz zu dir (wie mir scheint) nicht von missionarischem Eifer geprägt und jeder mag es so nehmen, wie er denn möchte. Die Interessierten mögen die Argumente prüfen und sich selbst ihr Bild davon machen. schließlich werden in unseren Wissenschaften etliche Grabenkämpfe dieser Art ausgefochten und da sind noch ganz andere Experten am Werk, als wir es sind (NB: Welche Fächer hast du studiert?) Allerdings muss in einem Forum der Grundsatz "audiatur et altera pars" stets Gültigkeit behalten, die Diskussion stets auf sachlich-wissenschaftlicher Ebene "sine ira et studio" geführt werden und arrogant-anmaßende Formulierungen wie "si tacuisses usw." sollten denn doch besser unterbleiben! In einem nicht fundamentalistischen Umfeld lässt man sich nämlich nicht so leicht das Wort verbieten...
Chrysostomus
 

"Das Grab war voll" ?????

Beitragvon Mordicius » Mi 3. Dez 2003, 19:38

Ein kleiner Anstoß:
Meiner Meinung nach führt es unweigerlich zur Auflösung des christlichen Glaubens, wenn man die Auferstehung Jesu nicht als historisches Faktum annimmt. Ob diese Annahme vernünftig ist oder nicht, entscheidet sich aber an der Frage, ob man bereit ist ein historisch singuläres Ereignis (als das die Auferstehung immer gesehen wurde!) hinzunehmen. Selbstverständlich erscheint es uns als Leute nach der Aufklärung als völlig unmöglich, aber traut man Gott dieses Zeichen wirklich nicht zu? War Jesus jetzt der inkarnierte Messias und hat ihn Gott als diesen letzlich durch die Auferstehung offenbart? Oder sagen wir lieber "Naja, Jesus ist zwar gestorben aber irgendwie lebt er ja weiter - in unseren Herzen." Damit nimmt man der Religion jegliche Verbindlichkeit, und diese Einstellung kann eigentlich nicht mehr als christlich, vielleicht "Jesuanisch" oder so genannt werden.

Quid vos censetis?
Mordicius
 

Beitragvon Didymos » Sa 26. Jan 2008, 18:42

Kann man eigentlich annehmen, daß Tacitus im verlorenen Teil seiner Annales über Jesus Christus geschrieben hat?

Grüße,
Euer Didymos
Didymos
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Beitragvon Latein-Fan » Sa 26. Jan 2008, 19:33

Vgl. das Vorwort zum Kommentar von KOESTERMANN (Bücher 14 - 16)
Multo maxumum bonum patriae, civibus, tibi, liberis, postremo humanae genti pepereris, si studium pecuniae aut sustuleris aut, quoad res feret, minueris. (Sallust in seinem 2. Brief)
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Beitragvon Didymos » Sa 26. Jan 2008, 19:54

Danke Latein-Fan, ich werde demnächst am Seminar nachkucken
Jetzt abgesehen von Nero, könnte nicht im verlorenen Teil der Tiberiusbücher etwas gestanden haben?

Grüße,
Euer Didymos
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Beitragvon Latein-Fan » Sa 26. Jan 2008, 20:08

Genau das steht in diesem Vorwort zu den Büchern 14 - 16 (mir war schon klar, dass du auf die Tiberiusbücher anspielst).
Multo maxumum bonum patriae, civibus, tibi, liberis, postremo humanae genti pepereris, si studium pecuniae aut sustuleris aut, quoad res feret, minueris. (Sallust in seinem 2. Brief)
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