Übersetzungshilfe zu Statius, Silvae, 1,2,1-10

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Übersetzungshilfe zu Statius, Silvae, 1,2,1-10

Beitragvon Katarina » So 26. Nov 2006, 18:58

Hallo an alle!
Meine Frage richtet sich an alle, die etwas erfahrener in Lateinübersetzungen sind. Und zwar habe ich als Proseminararbeit zehn Zeilen aus den Silven des Statius (das zweite Gedicht des ersten Buches, ein Hochzeitsgedicht) zum Analysieren bekommen.
Im Laufe der Übersetzung bin ich auf eine besonders schwierige Stelle gestossen, und zwar (ich poste mal den gesamten Satz):
"Quas inter vultu petulans Elegea propinquat celsior assueto divasque hortatur et ambit alternum futura/fultura pedem, decimamque videri se cupit et mediis fallit permixta sorores."
Mit dem Satz an sich, habe ich keine besonderen Probleme, die unterstrichene Konstruktion ist für mich extrem verwirrend. Ich führe mal meine Übersetzung an:
"Unter ihnen, frech im Gesicht, eilt die Elegie schneller als gewohnt und ermahnt die Göttinnen und wandert herum [und jetzt kommt diese furchtbare Stelle] wechselnden Fusses ????? :sad: ...." (der Rest ist mir klar).
Der Ausdruck "alternum pedem" kommt bereits bei Ovid vor. Statius gebraucht ihn als eine Anspielung auf das wechselnde Versmass der Elegie. So weit so gut.
Wie aber lässt sich diese grammatikalische Konstruktion erklären?
Eindeutig ist, dass "futura" sich auf Elegea bezieht.
Es lässt sich aber nur unter Verrenckung als ein Nebensatz übersetzen: "Elegie, die im Begriff ist, wechselnden Fusses zu sein" :shock: . Na ja. Ausserdem: Welche Kasusfunktion des Akkusativ liegt hier vor?

Wenn man allerdings auch noch die textkritische Variante mitübersetzt, wird es für mich absolut undurchsichtig.
"alternum fultura pedem", also "fultura" statt "futura". Durch Stütze wechselnden Fusses? "Fultura" muss ein Nomen sein, denn es gibt kein entprechendes Adjektiv, ausserdem behauptet Herr Vollmer in seinem ausführlichen Kommentar, dass es an dieser Stelle NUR "fultura" heissen kann.
Also, bitte, wenn jemand mich über die erste ("alternum futura pedem") oder die zweite ("alternum furata pedem") Variante aufklären kann, und zwar über die grammatikalischen Konstrukte, dann bitte, bitte, bitte helft mir! :-D
Katarina
 

Beitragvon romane » So 26. Nov 2006, 19:18

fultura = PFA zu fulcio also PFA + Akkusativ-Objekt alternum pedem

fulcio, fulsi, fultum, ire (vgl. ahd. balcho, der Balken), durch Streben, Pfeiler usw. stützen, I) im allg.: 1) eig.: porticum, Cic.: vitis fulta, Cic.: caelum vertice, poet. = tragen, Verg.: caput Pallantis fultum, Verg.: pravis fultus male talis, Hor. - 2) übtr., stützen, unterstützen, aufrecht erhalten, bestärken, nicht sinken lassen, amicum, Cic.: rem publicam, Cic.: imperium, Cic.: serie genus (Familie), fortpflanzen, Prop.: Thermum litteris, in der Gesinnung bestärken, Cic.: aerumnis cor fulta, das Gemüt auf Trübsal gebettet, Pers.: priusquam totis viribus fulta constaret acies, auf alle ihre Streitkräfte gestützt, Liv. 3, 60, 9. - II) prägn.: A) befestigen, verwahren, postes, Verg.: ianuam sera, Ov. - B) festtreten, pedibus positas fulcire pruinas (vgl. ereidein ton gnn posi), Prop. 1, 8, 7. - C) stärken, durch Essen und Trinken, stomachum frequenti cibo, Sen.: vino venas cadentes, Sen.: infantem solidioribus cibis, Arnob.: cibis fulta, Col. - Perf. fulcivi, Prisc. 4, 15 (ohne Beleg): fulcivit, Corp. inscr. Lat. 6, 1703: Partiz. fulcitus, a, um, Cael. Aur. de morb. chron. 2, 1, 46.
[Lateinisch-deutsches Handwörterbuch: fulcio, S. 1. Digitale Bibliothek Band 69: Georges: Lateinisch-deutsches Wörterbuch, S. 24262 (vgl. Georges-LDHW Bd. 1, S. 2866)]
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Beitragvon Katarina » So 26. Nov 2006, 19:26

Romane, vielen Dank fuer deinen Tip :-D *Blume*!
Ich werde deine Antwort ausdrucken und versuchen, mit Hilfe deiner Angabe zumindest die "Vollmer-Variante" überzeugend zu übersetzen.
Was interessant ist, ist dass es ja die gleiche gramm. Konstr. ist wir bei "futura". Das ist fuer meine Textkritik ziemlich wichtig.
Danke noch mals!

Wenn mir vielleicht jemand noch mit der Variante "futura" helfen könnte, wäre es toll! :-D
Katarina
 

Beitragvon Latein-Fan » So 26. Nov 2006, 19:33

Jetzt weiß ich, warum ich Statius ad acta gelegt habe........ :D
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Beitragvon romane » So 26. Nov 2006, 19:49

futura - kann ich mir nicht erklären

würde im einige Ecken an einen Akk. Graecus denken = in Bezug auf

obwohl das auch Quatsch sein kann.
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Beitragvon Tiberis » So 26. Nov 2006, 19:49

übrigens: celsior, nicht celerior ! :)

"futura" ist keine variante, weil metrisch nicht möglich !
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Beitragvon Katarina » Mi 29. Nov 2006, 23:49

Hallo! Erstmal danke an alle, die auf diesem unterbesuchten Forum :lol: - ich kann durchaus nachvollziehen, wieso es unterbesucht ist :lol: - gepostet haben.

Die metrisch unkorrekte "futura" (habe es noch nicht ueberprueft, trau Tiberis mal aufs Wort) steht als VORGABE!!! :shock: in der Harvard Ausgabe, editiert von Shakelton Bailey, der gibt allerdings das "fultura" gar nicht als Variante an! Wenn es aber - so leid es mir tut - bei Bailey, von dem ich ausgehe, dass der wissenschaftlich auf dem neuesten Stande ist, in der edierten Ausgabe steht, dann muss ich es wohl oder uebel behandeln :?

Zu "celsior" - klar, die "gewöhnlichere" Form wäre "celerior". Aber der Statius hat es leider net so mit gewöhnlichen Formen. Dennoch hast du recht, ich werde es noch mal überprüfen.

So weit, dass ich zu meiner griechischen Grammatik gegriffen habe, war ich auch schon, das wäre mehr denn logisch, da Statius ja ziemlich "graecophil" war. Danke fuer den Tipp. Wer in der Runde glaubt denn auch, dass dies ein Akkusativus Graecus sein koennte?

Ich danke euch allen nochmal, auch wenn ich einigen (ich will hier keine Namen nennen, ne Latein-Fan? :lol: ) dazu "verholfen" die wunderbar vielschichtige und kunstvolle Statius-Dichtung endgültig "ad acta" zu legen :-D :D
Katarina
 

Beitragvon Tiberis » Do 30. Nov 2006, 00:43

Die metrisch unkorrekte "futura" (habe es noch nicht ueberprueft, trau Tiberis mal aufs Wort) steht als VORGABE!!! in der Harvard Ausgabe, editiert von Shakelton Bailey, der gibt allerdings das "fultura" gar nicht als Variante an! Wenn es aber - so leid es mir tut - bei Bailey, von dem ich ausgehe, dass der wissenschaftlich auf dem neuesten Stande ist, in der edierten Ausgabe steht, dann muss ich es wohl oder uebel behandeln

selbst wenn es in der harvard-ausgabe steht, kann es immer noch ein druckfehler sein, aber noch einmal : futura ließe sich weder vom inhalt noch von der metrik her rechtfertigen!

Zu "celsior" - klar, die "gewöhnlichere" Form wäre "celerior". Aber der Statius hat es leider net so mit gewöhnlichen Formen. Dennoch hast du recht, ich werde es noch mal überprüfen.

:?
celsior steht ja unbestritten im text. und das heißt ja "höher emporragend", "erhabener" usw. , hat also mit "schnell" nix zu tun :D
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Beitragvon consus » Fr 1. Dez 2006, 01:06

Salve, Katarina!

Denken wir einmal über folgende Deutung nach, die von einem doch ziemlich sicheren, weil metrisch geforderten „fultura“ ausgeht (nebenbei gesagt: es gibt sogar die Lesart „factura“!):

alternum fultura pedem] PFA zum Ausdruck des Gewilltseins, der Absicht; der Akk. wäre dann als Akk.-Obj. zu fultura erklärbar, wie es romane schon vorschlug. Somit ergäbe sich folgender Sinn:

Die Elegie inszeniert ihren Auftritt, „um den wechselnden Fuß (d.h. den dichterischen Ausdruck mit Hilfe von Distichen) zu stärken, zu unterstützen, kräftig zur Geltung zu bringen...“

Hier einen sog. Akkusativ der Beziehung (acc. Graec.) zu sehen ist m.E. nicht notwendig. Ein solcher Akk. liegt aber z. B. in Vers 12 vor: "lumina demissam".

Tu quid sentis?
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