Fehler im Georges?

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Fehler im Georges?

Beitragvon Sophokles » Sa 21. Apr 2007, 23:10

Guten Abend!

Nachdem ich hier im Forum die Mitteilung zum Artikel zu "resecro" im Georges gelesen hatte, stellte sich mir die Frage, ob in diesem Mammutwerk wirklich alles exakt stimmt?!
Kann jemand falsche oder zumindest fragwürdige Stellen nennen?
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Beitragvon consus » So 22. Apr 2007, 12:37

Salve, Sophocles!
Die verdienstvolle Erörterung aus Apollodorus' Feder macht wieder einmal bewusst, dass in der wissenschaftlichen Arbeit auch allgemein anerkannte Werke kritisch benutzt werden müssen. Man wird immer wieder auf Fehler stoßen: quid mirum! Machen wir aber nicht Jagd darauf! Sie werden uns bei Gelegenheit schon auffallen. Servus.
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Beitragvon dideldum » Di 24. Apr 2007, 21:56

Der Deutsch-Lateinische Teil ist generell mit außerordentlicher Vorsicht zu genießen; was man dort findet, muss man unbedingt auch von der anderen Seite aus überprüfen.

Der elektronische Georges steckt ziemlich voller Fehler, die typisch für eine Texterkennungs-Software sind, aber damit lässt sich umgehen. Ich habe auch mal den Fall gehabt, dass ein Wort schlicht fehlte, weiß aber nicht mehr, welches das war.
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Beitragvon Clemens » Di 24. Apr 2007, 21:59

tamen fehlt in einer Version...
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Beitragvon RM » Di 1. Mai 2007, 15:57

Tja, der beste Georges ist immer noch der mit meinen handschriftlichen Anmerkungen :D ...

Besonders bei entlegeneren Schriftstellern und seltenen Wörtern sollte man die Originalstellen ansehen. Leider gibt's kaum ein besseres und umfassenderes lateinisches Wörterbuch im deutschen Sprachraum. Zur Not kann man noch den Lewis&Short konsultieren (z.B. online unter: http://www.perseus.tufts.edu/cgi-bin/ptext?doc=Perseus%3Atext%3A1999.04.0059) - oder man legt sich den Forcellini zu ... :shock:

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Beitragvon Laptop » Mo 14. Mai 2007, 23:22

Ich finde schon, daß man Jagd darauf machen sollte. Es tut ja niemandem weh und kann nur vorteilhaft für alle sein.

Ich habe eine ganze Liste von Falschangaben im Georges.

Hier ein Beispiel:

Google-Suche mit tarandrus reindeer: 44 Treffer.
Google-Suche mit tarandus reindeer: 98600 Treffer.

Im Georges steht "tarandrus". Nun kann man sich denken, daß Georges wieder falsch liegt.

Postscriptum:
Tamen ist drin, allerdings als tame. Finde ich aber auch nicht berauschend, zumal tamen ja viel häufiger vorkommt als tame.
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Beitragvon consus » Di 15. Mai 2007, 09:19

Salvete, amici!

Das Wort „tarandrus“ kann wohl kaum als überzeugendes Beispiel für eine Falschangabe im Georges angesehen werden.
Plin. nat. 8, 123 (ed. Mayhoff): „Mutat colores et Scytharum tarandrus“. Im textkritischen Apparat dazu: „-dus v e Theophr. et Ael. cfr. Sol.“
Bei diesem Solinus heißt es (30, 25; ed. Mommsen, 2. Aufl.): „hunc parandrum adfirmant habitum metu vertere“. Im Apparat dazu: „“tarandrus Plinii libri“.
Schauen wir in den Liddell & Scott (S. 1757): „τάρανδος.... Theoph. Fr. 172, 1; Ael. NA 2, 16; τάρανδρος is better attested in Ph. 1.384“ (dann werden Plinius und Solinus erwähnt, s.o.).
Befolgen wir also bei seltenen Wörtern den Rat von RM.

Sapienti sat.
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Beitragvon RM » Di 15. Mai 2007, 09:36

... und wir könnten jetzt eine Wette darauf abschließen, ob der ThLL (Thesaurus Linguae Latinae) jemals fertig wird :D Bei Brepols gibt's übrigens ein großes Wörterbuchprojekt (Database of Latin Dictionaries), mehr unter: http://www.brepolis.net/info/info_dld_en.html
Wenn also jemand wild nach Wörterbüchern ist ... ;-)

Und wenn wir uns alle zusammentäten, würden wir ein umfassendes lateinisch-deutsches Wörterbuch wahrscheinlich bis 2025 auf die Beine stellen können. Wer macht mit?

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Beitragvon Laptop » Di 15. Mai 2007, 16:24

Was ist so schwer es so anzugeben:

tarandus (auch tarandrus) (v. gr. τάρανδος)

Rentier,

Quellen ...

Da steht aber nur "tarandrus", ist vielleicht nicht ganz falsch aber unvollständig, und alle Welt schreibt nur "tarandus".
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Beitragvon consus » Di 15. Mai 2007, 16:53

alle Welt schreibt nur "tarandus".


Eben nicht, amice! Vermutlich haben sich nur die Zoologen (nicht die Philologen!) auf die Bezeichnung Rangifer tarandus geeinigt. Doch selbst im Zoologischen Wörterbuch von Hentschel / Wagner (Jena 1990) ist auf S. 435 von tarandRos die Rede. Sed iam satis de hoc.
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Beitragvon Laptop » Mi 16. Mai 2007, 02:32

Du hast meinen Beitrag nicht richtig gelesen, amice. In ein umfassendes lat. Wörterbuch gehört die Angabe "tarandus", zumal diese Schreibung häufiger verwendet wird. "Tarandros" ist kein Latein, genauso wenig wie Helios oder Topos.
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Beitragvon consus » Mi 16. Mai 2007, 09:18

"tarandus", zumal diese Schreibung häufiger verwendet wird

"Häufiger": es mag so sein, wenn man der Sache gugulando nachgeht. Jeder möge da selbst sein Urteil bilden.
"Tarandros" ist kein Latein

Praeclare dictum! Das gilt dann aber auch für „tarandos“. Plinius d. Ä. übernahm ein Fremdwort mit der im Lat. üblichen Schreibweise „-us". Gegen eine Übernahme von "tarandus" als Ergänzung des Lemmas "tarandrus" habe ich nichts einzuwenden. Philologis sat. Nonne rixari videmur de lana caprina, amice? Maiora videamus!
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Beitragvon Laptop » Mi 16. Mai 2007, 15:07

Bellum proverbium, ac mihi adhuc non notum.

Vale, Laptop
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Beitragvon RM » Do 17. Mai 2007, 22:37

Laptop hat geschrieben:Quellen ...

Genau! Das ist beim Georges nämlich der springende Punkt: Er berücksichtigt nur das, was bei antiken Schriftstellern bis ca. zum 6. Jhdt. zu finden ist - so etwa bis Isidor von Sevilla. Alles Spätere sollte man z.B. im Du Cange suchen oder - noch besser - man ruft gleich bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften an ;-) : http://www.badw.de/

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Beitragvon consus » Di 22. Mai 2007, 06:41

Danken wir RM für seinen Hinweis! Wenn man es z. B. mit einem obskuren Text wie Anth. Lat. 19 Riese (= 6 Sh.B.), der in diesen Tagen in einem anderen Forum präsentiert wurde, zu tun hat, wird man mit dem Georges nicht in allen Fällen weiterkommen und auch noch auf andere Hilfsmittel zurückgreifen müssen: „Hactenus me intra bulgam animi litescentis inipitum tua [h]eritudo...“.
Was übrigens die obscuritas angeht, so lese man Quint. inst. 8, 12:
"At obscuritas fit verbis iam ab usu remotis, ut si commentarios quis pontificum et vetustissima foedera et exoletos scrutatus auctores id ipsum petat ex iis quae inde contraxerit, quod non intelleguntur. Hinc enim aliqui famam eruditionis adfectant, ut quaedam soli scire videantur."
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