Obszönes: cum me - cunne

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Obszönes: cum me - cunne

Beitragvon CP » Do 14. Jun 2007, 15:05

Salve,

vor Urzeiten berichtete mir mal jemand, mutmaßlich eine Kneipenbekanntschaft 8), Cicero habe davon abgeraten "cum me" als Form zu benutzen, da hierbei die Gefahr eines Versprechers, des Vokativs "cunne" nämlich, bestehe. Also "mecum" und als Analogiebildungen "tecum" &c.

Gibt es irgendwo bei Cicero eine solche Aussage?

Außerdem habe Plautus in einem Schauspiel die Form "cum me" an einer Stelle benutzt, an der der Schauspieler wohl absichtlich etwas undeutlich sprach und damit den beabsichtigten Erfolg erzielte. Ist hierzu etwas bekannt?


Claus Peter
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Beitragvon consus » Do 14. Jun 2007, 15:45

Consus Nicolao Petro sal.
Man lese Cicero, Orator 154:
Quid, illud non olet unde sit, quod dicitur cum illis, cum autem nobis non dicitur, sed nobiscum? Quia si ita diceretur, obscaenius concurrerent litterae, ut etiam modo, nisi autem interposuissem, concurrissent. Ex eo est mecum et tecum, non cum me et cum te, ut esset simile illis nobiscum atque vobiscum.

Bei der Aussprache „cum me“ wäre, hier vereinfacht gesagt, etwa „cunne“ (Vokativ von cunnus, i m.) zu hören gewesen; deshalb sagt Cicero: „obscaenius concurrerent litterae“, d. h. „ziemlich obszön stießen dann die Buchstaben zusammen“. Vergleichbare Ausführungen in Ciceros Brief Ad familiares 9, 22.
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Beitragvon CP » Do 14. Jun 2007, 16:22

Vielen Dank für den Hinweis!


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Beitragvon Sokrates Palaios » Do 14. Jun 2007, 21:42

Wer jetzt den Brief an der von Consus angegebenen Stelle nicht gefunden hat, sollte weiterblättern; es gibt nämlich zwei verschiedene Zählungen. In meiner Ausgabe (Tusculum/Heimeran, München 1976, 2. Aufl.) erscheint der erwähnte Brief an Paetus unter Nr. 25.
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Beitragvon Ketelhohn » Mo 2. Jul 2007, 22:27

consus hat geschrieben:Consus Nicolao Petro sal.
Man lese Cicero, Orator 154:
Quid, illud non olet unde sit, quod dicitur cum illis, cum autem nobis non dicitur, sed nobiscum? Quia si ita diceretur, obscaenius concurrerent litterae, ut etiam modo, nisi autem interposuissem, concurrissent. Ex eo est mecum et tecum, non cum me et cum te, ut esset simile illis nobiscum atque vobiscum.

Bei der Aussprache „cum me“ wäre, hier vereinfacht gesagt, etwa „cunne“ (Vokativ von cunnus, i m.) zu hören gewesen; deshalb sagt Cicero: „obscaenius concurrerent litterae“, d. h. „ziemlich obszön stießen dann die Buchstaben zusammen“. Vergleichbare Ausführungen in Ciceros Brief Ad familiares 9, 22.
Servus.


Wenn ich Cicero recht verstehe, läge das „obszöne Zusammentreffen“ nur bei cum nobis vor, mecum und tecum erklärt er für Analogiebildungen. Das ist ja auch plausibel, denn die phonetische Assimilation von cum zu cun (also des bilabialen Nasals zum dentalen) findet nur vor Dental statt, hier also im Falle cun nobis oder cun te, wobei die „obszöne“ Lautfolge nur in cunno(bis) erscheint.

Cum me bleibt auch lautlich cum me, wobei wegen der Länge des Vokals von me der Gedanke an den (mutmaßlich wohl eher selten belegten) Vokativ von cunnus ohnehin ausscheidet. Bei cum vobis (das Cicero etwas nachlässig behandelt) würde der auslautende Nasal von cum wohl labiodental gesprochen werden.
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Beitragvon consus » Mo 2. Jul 2007, 23:07

Wenn man die Sache genau sieht, liegt die Anstößigkeit, das wird richtig gesehen, deutlich in der Wortfolge cum nobis vor. Man setze Cic. or. 154 in Beziehung zu fam. 9, 22, 2, wo u. a. der Ausdruck ‘cum nos te voluimus convenire’ genannt wird.
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Beitragvon Ketelhohn » Di 3. Jul 2007, 13:18

Bei der Gelegenheit noch eine Anmerkung zur Aussprache der Nasale. In der Schule lernen wir eine sozusagen „normalisierte“ lateinische Orthographie, die aber oft ganz willkürlich ist und jedenfalls über die vielfältige orthographische Überlieferung hinwegtäuscht.

So lernen wir etwa, eandem oder tandem zu schreiben, aber dumtaxat und tamquam. Als brave Schwarz-auf-Weiß-Positivisten sprechen wir das dann auch exakt so aus, wie’s dasteht, also ein -m- als bilabialen, -n- als dentalen Nasal.

Tatsächlich richtet sich der Verschluß bei der Bildung des Nasals nach dem Verschlußort des folgenden Lauts. Eandem und tandem sind darum tatsächlich so zu sprechen, wie wir sie schreiben, also mit dentalem Nasal (während sich historisch, unbeschadet der dentalen Aussprache, auch die etymologischen Schreibweise mit -m- findet).

In Fällen wie dumtaxat oder tamquam schreiben wir heute etymologisch, sprechen muß man den Nasal aber im ersten Fall dental, im zweiten guttural, was wir konventionell eigentlich beides mit -n- wiedergeben. Sinnvoller wäre darum, duntaxat, tanquam etc. zu schreiben (wie wir es in der handschriftlichen Überlieferung, aber auch noch Jahrhunderte später in gedruckten Texten, häufig finden).
Zuletzt geändert von Ketelhohn am Sa 7. Jul 2007, 21:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon consus » Di 3. Jul 2007, 13:36

Zur Aussprache des Lateinischen, die immer wieder Gegenstand von nicht enden wollenden Diskussionen ist, jüngst Wilfried Stroh in seinem, allerdings nicht primär für Fachphilologen geschriebenen Buch „Latein ist tot, es lebe Latein“ (Bln 2007): „Appendix: Tsäsar oder Käsar? Kleines lateinisches Phoneticum für Deutsche“ (S. 316ff.) mit Literaturangaben dazu auf S. 379f.
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Re: Obszönes: cum me - cunne

Beitragvon Milo » Mi 11. Jul 2007, 18:29

CP hat geschrieben:

Außerdem habe Plautus in einem Schauspiel die Form "cum me" an einer Stelle benutzt, an der der Schauspieler wohl absichtlich etwas undeutlich sprach und damit den beabsichtigten Erfolg erzielte. Ist hierzu etwas bekannt?


Also das würde mich jetzt doch noch interessieren...
gruß milo
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Beitragvon consus » Mi 11. Jul 2007, 22:52

Mit einem Hinweis auf Wilfried Strohs Abhandlung Sexualität und Obszönität in römischer "Lyrik", im Netz:
http://www.klassphil.uni-muenchen.de/~stroh/resvenereae.htm
sollte m. E. dieses Thema hier in diesem Forum geschlossen werden.
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