Ablativendung bei Partizipien

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Ablativendung bei Partizipien

Beitragvon Benedictus » Do 29. Nov 2007, 18:49

Salvete Amici,

ich bin seit diesem Semester Student der Lateinischen Philologie und besuche den Kurs "Lateinische Sprachübungen".
In der letzten Sitzung hat unsere Dozentin uns erklärt, dass manchmal bei Partizipien die Ablativendung "-i" vorkommen kann.
Nun meine Frage:
Wann trifft den solch ein Fall zu?
Ich habe versucht, der Frage im Rubenbauer-Hofmann auf den Grund zu gehen, aber keine Anmerkung gefunden...
Kann mir da irgendjemand weiterhelfen??
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Beitragvon romane » Do 29. Nov 2007, 19:55

der Gebrauch des PartPräs als Partizip hat -e

ist es aber (auch) ein Adjektiv, dann -i
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Beitragvon Tiberis » Do 29. Nov 2007, 20:04

Ich habe versucht, der Frage im Rubenbauer-Hofmann auf den Grund zu gehen, aber keine Anmerkung gefunden...

mußt halt genauer schauen: :)
> Rubenbauer § 44,4 ! (seite 44)
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Beitragvon Benedictus » Mi 5. Dez 2007, 17:21

Vielen Dank für eure schnellen Antworten!

@ Tiberis: Ich habe einfach an der falschen Stelle im Rubenbauer-Hofmann gesucht (nämlich im Partizipen-Kapitel)...


Nun habe ich aber doch noch eine Frage zu diesem Thema:

§44/4 steht: "Die Part. Präs. bilden den Ablativ Singular auf -e, ..., in adjektivischem Gebrauch haben sie -i."

So weit so gut!

Nun ist aber dort als Beispiel für ein adjektivisch gebrauchtes Part. Präs. im Ablativ folgender Satz angegeben:
"flagranti studio" - "mit glühendem Eifer"

Das leuchtet mir ein: Frage: "Wie?" Antwort: "Mit glühendem...."

Aber bei dem folgenden Beispiel verstehe ich nicht, warum dort das Partizip Präsens nicht als adjektivisch verwendet aufgefasst wird:

"liberi ex domo flagrante servantur" - "die Kinder werden aus dem Haus, das in Flammen steht, gerettet"

Frage: "Wie ist das Haus? bzw. In welchem Zustand ist das Haus?" Antwort: "Es steht in Flammen"


Kann mir das jemand erklären??
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Beitragvon romane » Mi 5. Dez 2007, 17:36

flagrante ist doch hier nicht als Attribut gebraucht

die Kinder..... weil das Haus brennt... z.B.
Zuletzt geändert von romane am Mi 5. Dez 2007, 17:37, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Prodikos » Mi 5. Dez 2007, 17:36

Aber bei dem folgenden Beispiel verstehe ich nicht, warum dort das Partizip Präsens nicht als adjektivisch verwendet aufgefasst wird:

"liberi ex domo flagrante servantur" - "die Kinder werden aus dem Haus, das in Flammen steht, gerettet"


romane hat geschrieben:flagrante ist doch hier nicht als Attribut gebraucht


Grundsätzlich unterscheidet man zwischen attributivem und prädikativem Gebrauch eines Partizips beim pc.
Die attributive Variante kann in der deutschen Übersetzung sowohl adjektivisch als auch durch einen Relativsatz ausgedrückt werden.
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Beitragvon Christophorus » Mi 5. Dez 2007, 20:17

romane hat geschrieben:flagrante ist doch hier nicht als Attribut gebraucht

die Kinder..... weil das Haus brennt... z.B.


IMHO doch! :eek:
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Beitragvon Tiberis » Mi 5. Dez 2007, 21:07

flagrante ist in dem genannten beispiel sehr wohl attribut, aber entscheidend ist: es ist ein partizip, hinter dem die aussage steht: "das haus brennt". also steht hier der verbale charakter im vordergrund , denn "brennend" im gegenständlichen sinn ist ja keine eigenschaft !
ein haus kann (als eigenschaft)groß, klein, alt , neu usw. sein , aber nicht brennend.
anders sieht es aus, wenn "brennend" ; im übertragenen sinn ( also als metapher) soviel bedeutet wie " heftig, leidenschaftlich" : daher
> studio flagranti = mit leidenschaftlichem bemühen.
hier ist flagranti die bezeichnung einer eigenschaft des bemühens (genauso wie das bemühen z.b. auch groß, gering, intensiv usw. sein kann).
daher steht hier der adjektivische charakter im vordergrund, somit -i.
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Beitragvon Zythophilus » Mi 5. Dez 2007, 21:36

Die Regel klingt auf den ersten Blick plausibel, doch frage ich mich, ob sie nicht erst später aufgestellt wurde. Wie hielten es die Römer? Ob ein unbetontes i oder e an den Schluss gehört, lässt sich vermutlich in keiner Hs. endgültig bestimmen.
Wieso überwiegt der adjektivische Charakter bei der metaphorischen Bedeutung eines Verbs? Wie verhält es sich dann bei flagrat sitis, wohl eindeutig als Verb verwendet?
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Beitragvon romane » Mi 5. Dez 2007, 21:39

also sollten wir unbedingt unterscheiden

- Adjektivattribut
- Partizipattribut

etc.
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Beitragvon Tiberis » Mi 5. Dez 2007, 22:38

doch frage ich mich, ob sie nicht erst später aufgestellt wurde.

das haben regeln in der regel so an sich. :D
aber - ioco remoto :
bezügl. der abl.endung (-i oder -e) gibt es soviele abweichungen von dieser "regel", dass man vielleicht eher von einer statistischen häufung sprechen sollte.
siehe dazu auch Kühner-Holzweissig,Ausführliche Grammatik der lat. Sprache, Teil 1,§77,2,Anm.8 (S.351)
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Beitragvon nighean_neonach » Mi 5. Dez 2007, 23:24

Zythophilus hat geschrieben:Wie hielten es die Römer? Ob ein unbetontes i oder e an den Schluss gehört, lässt sich vermutlich in keiner Hs. endgültig bestimmen.


Zumal das beim Sprechen wirklich keinen großen Unterschied macht - zwar kann man wohl davon ausgehen, dass die Römer die Endsilben etwas deutlicher aussprachen als wir nuschelnden Germanen und Kelten, aber die beiden Laute liegen trotzdem recht nah beieinander.
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Beitragvon Tiberis » Do 6. Dez 2007, 00:24

aber die beiden Laute liegen trotzdem recht nah beieinander.

unterscheiden sich aber doch in ihrer quantität, was in korrekter aussprache sicher zu hören war.
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Abl. des Präsenspartizips

Beitragvon Zythophilus » Do 6. Dez 2007, 07:59

Dass der durchschnittliche Römer beim Sprechen bzw. Schreiben eine Regel befolgte, die dem Abl. des Präsenspartizips bei metaphor. Verwendung ein i, sonst ein e verordnete, kann ich mir kaum vorstellen. Eher ist für mich denkbar, dass manche Partizipien eben kaum mehr als Verbformen bewusst waren und daher wie Adjektive der i-Dekl. behandelt wurden, e.g. constans oder sapiens. Bei letzterem gibt es freilich den Abl. sapiente, wenn es als Substantiv verwendet wird. Man müsste also cum sapiente constanti sagen ...
In der klassischen Zeit war der Unterschied zu hören, aber eine gewisse Unsicherheit gab's wohl doch.
Valete!
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Beitragvon Zythophilus » Do 6. Dez 2007, 09:25

Ich will einmal eine Erklärung versuchen, bin mir aber bewusst, dass sie sich vermutlich auch nicht endgültig beweisen lässt.
Hat der Sprecher/Schreiber noch die verbale Bedeutung eines Präsenspartizips vor Augen, nimmt der den Abl. e. Beim Abl.abs. ist dies ja ganz deutlich. Dann sieht er beim Beispiel ira flagrans das Feuer des Zorns vor seinem geistigen Auge brennen; es kommt nicht darauf ob das Verb im eigentlichen oder metaphorischen Sinn verwendet wird.
Ist beim einem Partizip - was eher bei metaphor. Bedeutung vorkommt - der verbale Charakter in den Hintergrund getreten, ist flagrans nicht viel mehr als ein Synonym für "groß" oder "stark". In diesem Falle wird es auch wie ein Adjektiv dekliniert.
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