Perf. Konj. u. Fut. Perf.

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Perf. Konj. u. Fut. Perf.

Beitragvon Laptop » Mo 17. Dez 2007, 01:49

Mit feceris, dixeris, laudaveris, u. dgl. haben das Perfekt Konjunktiv und das Futur Perfekt ja gleichaussehende Formen. Gibt es einen Unterschied in der Aussprache? Ich habe gelesen, daß die Futur-Form auf dem e betont wird: fec_é_ris, vgl. currit mit curret, wo das e das Futur signalisiert. Die Perfekt-Form dagegen auf dem i: fecer_í_s. Letzteres klingt mir allerdings seltsam, vor allem weil es gg. die Paenult-Regel verstößt ...
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Re: Perf. Konj. u. Fut. Perf.

Beitragvon consus » Mo 17. Dez 2007, 14:35

Laptop hat geschrieben: Ich habe gelesen, daß die Futur-Form auf dem e betont wird: fec_é_ris, ...

Quonam in libro, virorum optime?
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Beitragvon Zythophilus » Mo 17. Dez 2007, 16:57

Hier scheint eine Verwechslung vorzuliegen: Bei der 2.P.Sg.pass. der kons. Konj. entscheidet die Betonung über Präsens oder Futur. ágeris ist Präsens, das gleich geschriebene agéris Furtur.
Perf. Konj. und Futur II werden gleich betont, mag. sein, dass es in der Umgangssprache von der klass. Nom abweichende Betonungen gab (cf. Catull, c. V 10 fecerímus).

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Beitragvon Laptop » Di 18. Dez 2007, 00:51

@consus Hier der entsprechende Abschnitt aus Insula Thesauraria ab auctore Roberto Ludovico Stevenson. Latine interpretatus est Arcadius Avellanus, New York 1922.

Quidnam volunt igitur Germani demonstrare?
Quidnam nos docere volunt? Novum dogma est:
Tempus Præteritum Perfectum Coniunctivi in -erim,
-eris, erit, formá idem esse atque Tempus Futurum
Exactum Indicativi, præter personam primam; ergo:
-eris, -erit. At in Plurali, Personæ primæ et secundæ
Futuri Exacti habent i breve, Præteritum autem lon-
gum; sic:

Futurum exactum, amavérimus, amavéritis;
Præt. Perf. Coni. amaverímus, amaverítis
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Beitragvon consus » Di 18. Dez 2007, 10:56

Servus, Laptop!
In aller vertretbaren Kürze ein Erklärungsversuch:
Dass Fut. II und Konj. Perf. Akt. bis auf die 1. Pers. Sg. gleiche Formen zeigen, war nicht von Anfang an so.
Der Konjunktiv hatte ursprünglich, aus dem Optativ herkommend, ein langes -ī-, wie es z. B. noch in vel-ī-mus erhalten ist, das Futur II aber ein kurzes -ĭ- .
Vor allem bei älteren Dichtern finden wir noch Reste dieser alten Konjunktiv-Perfekt-Formen, und zwar in der 1. und 2. Pers. Plur.
Zwei Beispiele aus Plautus:
Cist. 11: meminerīmus,
Mil. 862: dixerītis.
Und bei Ennius (Cic. off. 1, 12, 38 ):
Nec mi aurum posco nec mi pretium dederitis.
Möglicherweise kam es zu einer Angleichung über die Kürzung des -ī- in der 3. Pers. Sg. Konj. Perf. Akt.: *dixer-ī-t (erschlossene Form) > dixer-ĭ-t. Das konnte sich auf die übrigen Formen auswirken.
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Beitragvon Laptop » Mi 19. Dez 2007, 03:16

Danke consus, das hilft mir schon einmal weiter. Allerdings habe ich das Prinzip dahinter noch nicht ganz verstanden ... kann man vielleicht sagen man betont das Futur prinzipiell auf dem -e-, etwa so:

currét (Fut.) ggü. cúrrit (Präs.)
agéris (Fut.) ggü. ágeris (Präs.)
dixéris (Fut.) ggü. díxeris (Perf.) (1)

(1) wenn ich Deine Aussage richtig verstanden habe betonte man das Perfekt urspr. auf dem -i- der Endung: dixerís, was aber mit der Zeit ungebräuchlich geworden ist, so daß man in späterer (bereits klassischer?) Zeit díxeris betont, weil es einem in der Aussprache leichter fällt.

Darüberhinaus fällt mir auf, daß die 1. Pers. Fut. was die Endung betrifft aus der Reihe tanzt: könnte es sein, daß agam (Fut.) aus *agém entstanden ist, also mit dem für das Fut. so typischen -e-? Betont / betonte man es dementsprechend auch agám ggü. ágam (Präs.)?

Es grüßt, Laptop
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Beitragvon consus » Fr 21. Dez 2007, 13:04

Servus, laptop.

Die Formen ageris und dixeris dürfen nicht in einen Topf geworfen werden:
ag-ĕ-ris: 2. Pers. Sg. Ind. Prs. Pass. Das ĕ ist Themavokal.
ag-ē-ris: 2. Pers. Sg. Fut. I Pass. Das ē ist Tempuszeichen.
Aber:
dix-ĕris: 2. Pers. Sg. Konj. Perf. Akt. bzw. Fut II Akt.

Die Betonung richtet sich bei allen Verbformen nach dem Dreisilbenakzentgesetz (s. Gram.), und zwar ohne Rücksicht darauf, welche Quantität die Endsilbe hat (also cúrrit, cúrret , ágeris bzw. agéris, díxeris usw.).

Zum Futur I ag-a-m, ag-e-s usw. vgl. Rubenbauer-Hofmann § 76 (bzw. eine historische Formenlehre). Nebenbei gesagt: In Plautushandschriften findet sich, um ein Beispiel zu nennen, accipi-e-m statt accipi-a-m: Most. 914, der textkritische Apparat (ed. Lindsay) dazu allerdings sehr zurückhaltend:
accipiem P, A n. l. (vix antiqua forma)


----------------------
Heri pro appendice subiunxisti clarissimum illud Thucydidis (2, 43; Theodisce scilicet redditum):
τό εύδαιμον τό ελεύθερον τό δ’ ελεύθερον τό εύψυχον

Cur, pro Iuppiter, divina ea verba delevisti, amice?
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Beitragvon Laptop » Sa 22. Dez 2007, 04:47

Erst einmal Dank an consus für die ausführliche Antwort. Ich merke, daß sich mir bei jeder Beantwortung einer meiner Fragen drei neue Fragen aufstellen, wie Köpfe, die der Hydra nachwachsen. Insofern ist die lateinische Aussprache für mich noch ein Buch mit sieben Siegeln, vor allem, weil man es so wenig hört, und wenn man es mal hört, dann spricht der eine so, der andere so, und man ist orientierungslos. Der Hinweis auf Plautus ist höchst interessant, vielleicht ist es nur ein Dialekt, vielleicht der ursprüngliche Vokal (e statt a). Gibt es eventuell dazu entsprechende Fachliteratur, die sich mit solchen entwicklungsgeschichtlichen Fragen der Aussprache beschäftigt? Es grüßt, Laptop

Bzgl. der Signatur: es gibt Scherze und Sprüche aus der Antike, die wir zwar vom Sinn her verstehen, aber deren Witz wir nicht recht begreifen können, oft weil sie etwas nur implizit andeuten, sich auf etwas in der damaligen Zeit "selbstverständliches" beziehen, das wir nicht kennen. Man kann es ganz gut vergleichen mit unserem "Hier könnte ihre Werbung stehen". Wir wissen was damit gemeint ist, nämlich etwa "Wir bieten ihnen diesen Platz gg. Gebühr für jedwege Werbung an." Einem Römer würde der Spruch vielleicht so viel sagen wie "Am Sonntag könnte der Hund bellen".
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Beitragvon romane » Sa 22. Dez 2007, 10:23

hoc
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Beitragvon consus » Sa 22. Dez 2007, 10:51

Salve, laptop.

Zur Aussprache des Lateinischen u. a.:

W. Sidney Allen, Vox Latina, A Guide to the Pronunciation of Classical Latin, 2nd ed., Cambridge 1978, pp.132.
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Beitragvon Laptop » Di 25. Dez 2007, 09:09

Es sei bedankt. Gratias tibi ago.
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