Systematik bei der Verwendung von Siglen?

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Systematik bei der Verwendung von Siglen?

Beitragvon Didymos » Fr 30. Mai 2008, 16:22

Saluete,
ich würde Euch um Eure Hilfe bitten bei der Erstellung einer Systematik handschriftlicher Kurzbezeichnungen ( Siglen), zu meinem bescheidenen Lernzweck :
Ich bin unsicher, wie die allgemeine Konvention nun ist :?
Ich würde vermuten :
großer lateinischer Buchstabe = eine ( erhaltene ) Handschrift
kleiner lateinischer Buchstabe = auch eine Handschrift? mit welchem Unterschied ?
großer griechischer Buchstabe = ?
kleiner griechischer Buchstabe = Handschriftengruppe - Sammelbegriff einiger Handschriften
klein omega = Sammelbegriff aller Handschriften

Naja ich habe diese Vermutung am Seminar anhand von drei oder vier verschiedenen Ausgaben geprüft und sie scheint nicht haltbar zu sein... Aber ich gewinne auch keine andere Erkenntnis daraus...
Macht das JEDER, wie er will, oder gibt es eine Konvention / Systematik, von der dann ev. manche Herausgeber abweichen ? Ich erkenne leider nicht, was die Regel und was die Ausnahme ist...


( Consus, Du hast mich einmal auf eine Webpage mit einer Liste von verschiedenen Abkürzungen verwiesen... Ich weiß nicht ob das dort erklärt wäre, aber jedenfalls existiert diese Page nicht mehr oder sie ist zur Zeit offline... )

Als Beispiel meine Ausgabe Statius Thebais ( Klotz, Klinnert ) : D, N, S bezeichnen so wie r eine bestimmte und anscheinend erhaltene Handschrift.
Warum wird hier also zwischen Groß- und Kleinbuchstaben unterschieden?
Aber wenn die Ausgabe hier aus der Regel fällt, lassen wir das. Wonach ich suche ist eine Art allgemeine " Faustregel ", sodaß ich auch erkennen kann wenn jemand von dieser abweicht...

Ich freue mich auf Eure Antworten,

Grüße,
Didymos
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Beitragvon Princeps » Sa 31. Mai 2008, 14:53

Hallo, Didymos!

Kennst / Hast du eine Einführung in die Latinistik / lateinische / Klassische Philologie von Riemer / Weißenberger / Zimmermann oder Graf oder (älter) Jäger? Darin gibt es jeweils ein Kapitel zur Textkritik.
Wichtig ist die Kennzeichnung von Archetypus bzw. Hyparchetypus (kl. griech. Buchstaben) und davon abgeleitet die Handschriften mit Großbuchstaben - die Details verzeichnen die Editoren in der Praefatio zur jeweiligen Ausgabe.
Bei weiterem Interesse landest du bei dem bekannten Buch von M.L.West: Textual criticism and editorial technique, Stuttgart 1973 (Teubner Studienbücher, Einführung mit bes. griech. Beispielen) - weitere Literatur bei den oben genannten Einführungen.

Ausgaben mit wichtiger Praefatio und lehrreichem textkrit. App. sind etwa:
PFEIFFER, Callimachos; H. FRÄNKEL, Apollonios Rh. Argonautica; HOUSMAN, Lucan.

Gruß Princeps
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Beitragvon Didymos » So 1. Jun 2008, 11:19

Salue Princeps !

Danke für Deine Antwort und die Literaturempfehlungen!

Das Buch von Riemer, Weißenberger und Zimmermann habe ich sogar ( wurde mir zu Studienbeginn empfohlen) und auch darin nachgekuckt, ich wurde allerdings mit einigen Fragezeichen zurückgelassen:

Seite 68 : <<Die nicht erhaltene, aber sicher zu erschließende Hs. [a] nennt man den Archetypus (oft werden solche erschlossenen Vorlage-Hss. auch mit griechischen Minuskeln bezeichnet)>>

Seite 77: <<Mit lateinischen kleinen Buchstaben (r, m, g) bezeichnet der Herausgeber Korrekturen in älteren Hss., mit griechischen Buchstaben Korrekturen in jüngeren Hss.>>

Man fragt sich, welche von beiden Erklärungen man sich merken soll... Wenn Du auch sagst daß griechische Minuskeln einen Hyparchetypus bezeichnen, dann würde ich annehmen, daß das die konventionelle Verwendung ist? Warum die Autoren dann als Musterbeispiel ausgerechnet einen abweichenden Fall auswählen, verstehe ich nicht...

Wie ist es bei lateinischen Minuskeln, bezeichnen diese wie im Catull- Beispiel üblicherweise Korrekturen?

Grüße,
Didymos
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Re: Systematik bei der Verwendung von Siglen?

Beitragvon juergen » So 1. Jun 2008, 19:12

Didymos hat geschrieben:Aber ich gewinne auch keine andere Erkenntnis daraus...
Macht das JEDER, wie er will,

So ist es.

Ohne den entsprechenden Schlüssel bzw. die Erläuterung ist man aufgeschmissen.
Gruß Jürgen

Achja: meine Übersetzungen sind alle mit großer Vorsicht zu genießen
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Beitragvon Princeps » So 1. Jun 2008, 19:30

Lieber Didymos!

Ich fürchte, es bleibt dir kaum etwas anderes übrig, als in den jeweiligen Ausgaben die Praefatio zu lesen. Manche Editoren kennzeichnen den Archetypus mit kleinem griech. Omega, den Hyparchetypus mit kl. gr. Alpha / Beta und mit anderen kl. gr. Buchstaben Übereinstimmungen / Familien. Andere nennen den Archetypus X (gr. lat. Buchstabe), selbst die Großbuchstaben für einen Codex sind unterschiedlich (so etwa bei Caesar, BG, Ausgaben von R. du Pontet und W. Hering). Die Cicero-Ed. von Kumaniecki (De oratore) verzeichnet nur Großbuchstaben und gar keine kleinen, dafür gibt es Großbuchstaben mit hochgestellten Großbuchstaben.
Die Einführungen bieten nur ein oder zwei Beispiele, wie es manchmal gemacht wird / werden kann. Wenn bei Catull der Archtypus mit V bezeichnet wird, liegt es in dem Fall an dem früheren Vorhandensein der Handschrift in Verona. Verglichen mit Riemer-Weißenberger-Zimmermann - liebenswürdige, prächtige Philologen (Schwerpunkt Gräzistik) - gefällt mir das Kapitel bei ihrem Vorgänger JÄGER besser (vgl. auch die Einführung von GRAF). R-W-Z hat in manchen Bereichen den Vorzug der besseren 'Verdaulichkeit' für Studienanfänger.

Guten Wochbeginn! Princeps
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Re: Systematik bei der Verwendung von Siglen?

Beitragvon nighean_neonach » So 1. Jun 2008, 20:37

Didymos hat geschrieben:Macht das JEDER, wie er will,


*kicher* Na, das ist in der Wissenschaft halt so... Es gibt auch international oft ganz verschiedene Gepflogenheiten, gerade bei solchen technischen Kleinigkeiten. Da fragt man sich dann oft, warum die Leute sich eigentlich nicht einigen und einheitlich vorgehen könnten, aber oft liegt es einfach daran, dass jeder seine eigene Methode für die beste hält, bzw. daran gewöhnt ist und zu bequem, sich was anderes anzuschauen.
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Beitragvon Didymos » Mi 11. Jun 2008, 17:43

Noch einmal Danke an Princeps !

Grüße,
Didymos
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