Vor- und Nachteile der verschieden Textausgaben

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Vor- und Nachteile der verschieden Textausgaben

Beitragvon Richard84 » Fr 11. Jul 2008, 08:26

Welche Textausgaben benutzt ihr im Seminar und zuhause?
Im ersten Semester habe ich mir Kopien aus der Institutsbib. gemacht und hatte zuhause die Reclam Ausgabe rumliegen...

Aus verschiedenen Gründen gefallen mir die Reclam Ausgaben jedoch nicht.
(An der Übersetzung liegt es - wie Viele vlt vermuten - jedoch nicht, die ist zwar sehr frei, aber das sind, soweit ich das überblicke, viele andere Übersetzungen auch).

Ins Auge gefasst habe ich die Teubner und die Oxford Ausgaben sowie die Tusculum (WBG) Ausgabe.
Obwohl die letztere keinen kritischen Apparat besitzt, werde ich mich wohl für die Tusculum Ausgaben entscheiden, auch wenn sich über den Nutzen einer dt./lat. Ausgabe diskutieren lässt.

Was ist denn eure Meinung dazu und welche Ausgaben benutzt ihr selbst?
Richard84
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Beitragvon Latein-Fan » Fr 11. Jul 2008, 13:32

Teubner und Oxford sind für wissenschaftliche Zwecke in der jeweils aktuellen Ausgabe unverzichtbar.

Leider ist es mir in meiner bisherigen Arbeit schon passiert, dass ein anderer Text außer Tusculum nicht vorhanden war.

Für schwierige Stellen ist aber ein Blick in den kritischen Apparat unverzichtbar! (zB fehlen im Original Stellen, die nur im kritischen Apparat überliefert sind, da sie bei anderen Autoren vorkommen, etc. etc.)

Sollte man nur einen inhaltlichen Überblick gewinnen wollen reichen wohl auch Tusculum und Reclam.
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Beitragvon Didymos » Fr 11. Jul 2008, 13:38

Hallo,

Von den bekannteren Autoren habe ich zu Hause die Reclam- Ausgaben. Wenn man eine Stelle wegen ihres Inhalts nachschlagen muß, sind die ausreichend. Natürlich fehlt die Textkritik...
Leider sind aber die textkritischen Ausgaben oft unerschwinglich.

Teubner : zB die 4 Reden Ciceros gegen Catilina kosten bei Teubner/Saur 71 EUR :shock:. Ich habe mir solchen Luxus bisher nur für Statius Thebais geleistet (auch 71 EUR). Das Minimum bei manchen Teubner-Ausgaben in Paperback -Form sind um die 25 EUR.

Die Oxford-Ausgaben sind ein wenig günstiger, meistens zwischen 20 und 30 EUR, einige aber auch wesentlich mehr.

Es gibt auch alte Teubner/ Oxford-Ausgaben von anderen Herausgebern (oft noch aus dem 19.Jahrhundert ), die man bei Ebay oder in Antiquariaten manchmal günstig erstehen kann. Allerdings wurde uns von diesen abgeraten, weil der Forschungsstand nicht mehr akzeptabel sei.

Bei den Tusculum- Bänden gibt es sogar einige, die einen kritischen Apparat haben, zB Petronius. Die anderen finde ich nicht gut, weil sie völlig überteuert sind und nicht mehr bieten als eine Reclamausgabe, nämlich Text und Übersetzung. Und das oft für 40 EUR und mehr :shock:

Ich habe es einmal so gemacht, daß ich mir den Latin Library-Text auf Papier gedruckt habe, zum Arbeiten. Das war eine Fehlentscheidung, weil ich bei der Arbeit mit diesem mehrere dumme Fehler bemerkt habe ( durch fehlerhaftes Scannen oder Abschreiben, vielleicht auch durch eine fehlerhafte Vorlage... ?). Und wenn ich als Student bereits so viele Fehler bemerke, dann würde ein Profi sicher noch viel mehr finden... :x Diese Internet- Texte kannst Du also vergessen. jeder Reclam-Text ist verläßlicher.

Ich halte es so daß ich zu Hause die Reclambändchen verwende und am Seminar dann wenn es nötig ist die Stelle anhand einer kritischen Ausgabe vergleiche...

In den Reclambänden findest Du übrigens am Ende ein Verzeichnis mit Abweichungen von der zugrunde gelegten Ausgabe. Diese Stellen sollte man mindestens prüfen, weil es dort meistens große textkritische Probleme gibt...

Mich interessiert jetzt auch sehr wie andere hier verfahren ?

Grüße,
Didymos
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Beitragvon juergen » Fr 11. Jul 2008, 13:59

Von welchen Texten wird hier eigentlich geredet :roll:

Als Faustregel kann man vielleicht sagen: Benutze immer die neueste, textkritische Ausgabe.
Gruß Jürgen

Achja: meine Übersetzungen sind alle mit großer Vorsicht zu genießen
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Beitragvon Stentor » Fr 11. Jul 2008, 20:04

juergen hat geschrieben:Benutze immer die neueste, textkritische Ausgabe [...]


... aber auch die mit einem gerüttelt Maß an Vorsicht. Ich empfehle, sich in der Bibliothek die verschiedenen Ausgaben durchzusehen. Kritische Ausgaben sind, wenn man sich - wie das ja unsere Aufgabe sein sollte - mit einem Text eingehend beschäftigt, unerläßlich. Und selbst wenn man dafür tiefer in die Tasche greifen muß, lohnt sich das investierte Geld.
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Re: Vor- und Nachteile der verschieden Textausgaben

Beitragvon nighean_neonach » Fr 11. Jul 2008, 21:32

Richard84 hat geschrieben:Was ist denn eure Meinung dazu und welche Ausgaben benutzt ihr selbst?


Ich würde das nie verallgemeinern, sondern es kommt ja immer darauf an, welchen Text man zu welchem Zweck liest.
Um irgendetwas mal gemütlich nebenbei zu lesen, mag ich die zweisprachigen Reclam-Bändchen sehr gern. Die passen in jede Tasche, und man kann bequem zwischen beiden Sprachen hin und her schauen.

Wenn ich mit einem Text wissenschaftlich arbeite, würde ich mich ganz einfach schlau machen, was für diesen bestimmten Text aktuell als beste kritische Ausgabe gilt.
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Beitragvon Richard84 » Sa 12. Jul 2008, 09:16

Es geht mir darum, welche Ausgaben andere Studierende benutzen :-)
Welcher Autor, welches Werk dabei als Beispiel dient ist eigentlich nicht ganz so wichtig.
Natürlich sehe ich auch in meinen Seminaren viele verschiedene Textausgaben, aber ich denke, hier im forum kann man vielleicht ein wenig entspannter darüber reden.

Die ideale Situation sieht wahrscheinlich so aus, auch wenn sie für den "armen Studenten" nicht erschwinglich ist:
Neuste Teubner/ Oxford Ausgabe (mit Textkritik)
lat./dt. Tusculum Ausgabe (um seine Übersetzung zu prüfen, den Text auf deutsch zu lesen etc.?).

Ich selbst verfahre oft so, dass ich mir die Teubnerausgaben für das Seminar kopiere und viele Reclam Ausgaben zuhause habe.

Allerdings rechnet sich m. E. die Reclamausgabe nicht immer.
Bsp.: Aeneis
Reclam: 6 Heftchen = ca. 36€
Tusculum (WBG) = 50€

Naja, wahrscheinlich ist die Diskusion sowieso müßig, da man auf jeden Fall für das Seminar eine Textkritische Ausgabe benutzen sollte.
Schade dass die Tusculumausgabe keinen Textkritischen Apparat besitzt.
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Beitragvon Pyrrha » Sa 12. Jul 2008, 10:44

Aeneis - in Neapel, zweisprachig (Lat.-It.) - 3€.
- Um den Text zu haben, reicht's. Zu ähnlichen Preisen habe ich dort Ilias, Odyssee, Trost der Philosophie, griechische Lyrikanthologie erstanden, dann wollte ich nichts mehr tragen...
Im Übrigen haben die Reclam-Ausgaben oft mehr Kommentar als die von Tusculum. Bei Tusculum kannst du versuchen, ob es die Bücher als Studienausgabe gibt, die sind dann auch noch bezahlbar.
Ich würde nicht sagen, dass die Reclam-Übersetzungen in der Regel zu frei seien: Das hängt ganz vom Übersetzer ab, es gibt auch recht wörtliche Übersetzungen, zum Beispiel bei den Horazoden (3. Aufl./Bernhard Kytzler). Unangenehm fand ich die Übersetzung bei Lukrez, in Versen und trotzdem möglichst textnah, so dass er tlw. Lateinische Satzkonstruktionen ins Deutsche übertragen hat, die so gar nicht zulässig sind.
Gruß, Pyrrha
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Beitragvon nighean_neonach » Sa 12. Jul 2008, 11:12

Richard84 hat geschrieben:Es geht mir darum, welche Ausgaben andere Studierende benutzen :-)


Wenn man in einem Seminar mit einem Text arbeitet, gibt der Dozent doch sowieso an, welche Ausgabe zu benutzen ist, oder? (Kenne ich jedenfalls nur so, bin allerdings in der klass.Phil. nur als Gast unterwegs, aber in meinen anderen Fächern ist es genau so.)
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Beitragvon Richard84 » Sa 12. Jul 2008, 12:02

@ nighean_neonach

Ja, das wird auch schonmal vom Dozenten angegeben, ist aber meistens immer dasselbe (Teubner/ Oxford).
Meine Frage ist jetzt nicht direkt, welche Ausgabe in den Seminaren benutzt wird - das wird dann meistens eine textkritische Ausgabe oder eben eine Kopie eben dieser sein (man kann sie sich ja auch aus der Bib. ausleihen) -
sondern welche Ausgabe man am besten verwenden kann - vielleicht auch über das Studium hinaus.
Und da brauche ich eigentlich nicht unbedingt einen textkritischen Apparat, wohl wäre mir aber eine zweisprachige Ausgabe lieb.
Ich wollte einfach mal hören, was verschiedene Forumteilnehmer so in ihrem Regal stehen haben...
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Beitragvon Didymos » Sa 12. Jul 2008, 12:43

Ich wollte einfach mal hören, was verschiedene Forumteilnehmer so in ihrem Regal stehen haben...

also bei mir wäre das :

Reclam:
diverse philosophische/rhetorische Schriften & Reden von Cicero
Seneca-Briefe & Apocol.
Caesar, Sallust, Tacitus
Vergil Georgica
Properz, Tibull, Catull, Ovid,Horaz, Lukrez,Terenz

Tusculum :
Vergil Aeneis
Petronius

Oxford:
Statius, Silvae
Lukrez

Teubner :
Statius,Thebais
Horaz
Ovid Metamorphosen

Grüße,
Didymos
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Beitragvon nighean_neonach » Sa 12. Jul 2008, 13:10

Richard84 hat geschrieben:Ich wollte einfach mal hören, was verschiedene Forumteilnehmer so in ihrem Regal stehen haben...


Joa, im Regal habe ich ganz viele Reclam-Ausgaben, und einiges von Tusculum, aber letztere habe ich mir zumeist schenken lassen ;)
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Beitragvon Tiberis » Sa 12. Jul 2008, 15:08

neben den bisher genannten ausgaben (oxford, teubner, etc.) sind - als preiswertere alternativen - auch zu empfehlen:
- die texte der reihe "les belles lettres" (lat.-franz., mit textkritik),
- die Heidelberger texte (kerle-verlag), lat.,teilw. mit textkritik
- texte zur forschung (wiss.buchges.darmstadt), textkritische, kommentierte ausgaben, lat.-dt.
- editiones Helveticae (Orell Füssli) , (ohne krit. apparat)
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stringentem ripas et pinguia culta secantem,
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Beitragvon Marcus » So 13. Jul 2008, 01:42

LOEB wurde noch nicht genannt, oder? ;)

http://web.fu-berlin.de/klassphi/philol ... ien/hb.pdf
ist uebrigens sehr nett
οἱ γὰρ ῾Ελλήνων λόγοι πολλοί τε καὶ γελοῖοι, ὡς ἐμοὶ φαίνονται, εἰσίν
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Beitragvon Richard84 » So 13. Jul 2008, 12:29

Dieses "Hilfsbuch" ist wirklich - unglaublich -
Vielen lieben Dank dafür!
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