salvete sodales,
ich habe vier klitzekleine fragen zu einer caesar-passage (Bellum Gallicum I,17):
(1) Tum demum Liscus oratione Caesaris adductus, quod antea tacuerat, proponit: esse nonnullos quorum auctoritas apud plebem plurimum valeat, qui privatim plus possint quam ipsi magistratus. (2) hos seditiosa atque improba oratione multitudinem deterrere, ne frumentum conferant, quod debeant: (3) praestare, si iam principatum Galliae obtinere non possent, Gallorum quam Romanorum imperia perferre; (4) neque dubitare debeant, quin si Helvetios superaverint, Romani una cum reliqua Gallia Haeduis libertatem sint erepturi.
mein übersetzungsversuch:
dann erst zeigt liscus, von caesars Rede veranlasst, das, wovon er zuvor geschwiegen hatte, auf: durchaus einige seien es (respektive: es gebe einige), deren Ansehen beim volke am meisten gelte, die im privaten Bereich mehr vermöchten als die beamten selbst. diese hielten mittels aufrührerischer und schädlicher rede die menge davon ab, das getreide zu bringen, das sie schuldeten. es sei besser, wenn sie schon die herrschaft über gallien nicht zu halten im stande seien, die Herrschaft der Gallier zu erdulden als die der römer; und sie dürften nicht daran zweifeln, dass, wenn sie die helvetier besiegt hätten, die römer zusammen mit dem restlichen gallien den haeduern die freiheit nehmen würden.
so, meine fragen wären die folgenden:
1. liegt hier nicht ein verstoß gegen die "regeln" der consecutio temporum vor? es richten sich alle konjunktive nach dem historischen präsens des proponit als einem gegenwartstempus (kleine nebenfrage, soz. 1b: ist das immer so - dass ein historisches präsens grammatisch wie ein echtes präsens behandelt wird?). ausnahme aber: (3) praestare, si iam principatum Galliae obtinere non POSSENT, Gallorum quam Romanorum imperia perferre; - nun habe ich mir überlegt, ob sich hinter dem "praestare, sie possent" ein irrealis verbergen könnte ... aber ist nicht bei einem im deutschen irrealen verhältnis zwischen "besser sein" und "können" im lateinischen ein REalis zu erwarten.
eine von beiden grundsätzen - realis in solchen fällen; regeln der consecutio temporum - sind hier wohl gebrochen ... oder was meint ihr?
2. unschlüssig bin ich auch bei: (4) neque dubitare DEBEANT, quin si Helvetios superaverint, Romani una cum reliqua Gallia Haeduis libertatem sint erepturi.
sind hier vielleicht, so zu sagen, ein dem Müssen entsprechender jussiv und eben eine debere-konstruktion miteinander verschränkt?
3. esse nonnullos quorum auctoritas apud plebem plurimum valeat, qui privatim plus possint quam ipsi magistratus.
zunächst hätte ich hier die beiden relativsätze in jeweils gleicher weise auf nonnullos bezogen.
wäre es aber auch möglich (und für wie wahrscheinlich wäre es anzusehen), nur den ersten relativsatz attributiv auf nonnullos zu beziehen, den zweiten aber für ein prädikatsnomen zu esse zu nehmen; also: "es seien einige, deren ansehen beim volk am schwersten wiege, [leute, die] / [von der art, dass sie] privat mehr vermöchten als beamte selbst.
und selbst wenn der sinn euch komisch erscheint: kann es vorkommen, dass
a) sowohl subjekt wie auch prädikatsnomen jeweils von einem relativsatzgebildet werden und dass dann noch
b) das esse nicht einmal daZWISCHEN zu stehen kommt?
4. und last not least (danke an alle, die bis hier hin gelesen haben ...ähm... werden): (2) hos seditiosa atque improba oratione multitudinem deterrere, ne FRUMENTUM conferant, QUOD debeant
in meinen stilübungen (und da ging's auch noch um einen caesar-text ^^) glaube ich einmal gehört zu haben, dass bei solchen fällen von relativsätzen - wo ein substantiv durch den relativsatz erst bestimmt und verortet wird - etwas wie is, ea, id zum substantiv zu setzen sei. gilt diese regel vielleicht nicht so unumstößlich?
ansonsten wüsste ich mir nicht anders zu helfen, als dass ich den quod-satz als einen adverbial gefärbten relativsatz auffasste: etwa "dass sie es nicht bringen, OBWOHL sie es doch müssen/schulden"
Summas gratias vobis ago!
curate ut valeatis
ille ego qui