Quellen zu Ovids Metamorphosen: Hesiods Frauenkatalog

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Quellen zu Ovids Metamorphosen: Hesiods Frauenkatalog

Beitragvon Noctua » Di 27. Jan 2009, 14:58

Hallo,
ich lese gerade "Das Buch der Verwandlungen" von Michael von Albrecht. Bei der Ausführungen über die Quellen der mythologischen Stoffe steht (S. 300): "Der zweite Teil (I. 452 - 2. 835) handelt von der Liebe der Götter zu sterblichen Frauen; die Reihenfolge entspricht derjenigen in antiken Hesiodausgaben: An die Theogonie schließen sich unmittelbar die Frauenkataloge an." Gemeint ist sicher das verlorene Werk (Ehoien) Hesiods. Leider kann ich darüber nichts finden. Kann mir bitte jemand bei folgenden Fragen weiterhelfen: Welche Frauen kommen darin vor? Gibt es eine (außer Ovids Metamorphosen) weitere Bearbeitung dieses Werk durch einen gr. oder röm. Autor?
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Hesiods Frauenkatalog

Beitragvon consus » Di 27. Jan 2009, 21:18

Consus Noctuae s. d. p.
In bibliotheca nostra tria exstant opera, quae ad mulierum catalogum pertinent; quorum unum Martina Hirschberger* composuit, alterum Paulus Dräger**, tertium Martinus L. West***.
Ceterum ingens numerus reperitur fragmentorum, quibus quid contineatur, hoc loco longum est explicare. Inspici etiam licet Ioannis Boccacci De claris mulieribus.
Bene et feliciter vale.
:book:

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* Gynaikon katalogos und Megalai Ehoiai, Mchn 2004.
** Untersuchungen zu den Frauenkatalogen Hesiods, Stgt 1997.
*** The Hesiodic Catalogue of Women, Oxf. 1985.
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Kallimachos

Beitragvon Noctua » Mi 28. Jan 2009, 14:22

Salvete,

@Consus: iterum gratias ago. Opera inspiciam.

Kann mir bitte jemand ein Buch oder einen Aufsatz über Kallimachos Einfluß auf Ovid Metamorphosen empfehlen? Es wird in der Sekundärliteratur immer wieder auf den Einfluß Kallimachos auf Ovid oder allgemein auf die röm. Dichtung aufmerksam gemacht, aber an diesen Stellen befinden sich i.d.R. leider keine Fußnoten. Es geht mir nicht um das kallimacheische Programm (Neoteriker und deren Einfluß auf Elegie etc.) allgemein, sondern speziell um die Aitia und das sog. kallimacheische Musengespräch. Würde mich über einen helfenden Wink freuen.

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Re: Quellen zu Ovids Metamorphosen: Hesiods Frauenkatalog

Beitragvon Princeps » Mi 28. Jan 2009, 16:52

Salve, Noctua!

Auszug aus N. HOLZBERG, Ovid, 2007:
3. Die literarische Tradition (S. 17-18)

Die bereits zitierte Vorrede zu den Metamorphosen ist zwar ungewöhnlich kurz, aber reich an Aussagen über die literarische Tradition, an die Ovid anknüpft. Zieht man die Prologe anderer berühmter Werke, die in Hexametern verfaßt sind, zum Vergleich heran, stellt man fest: Während Homers Ilias und Odyssee sowie Vergils Aeneis zu Beginn die Taten eines Helden ankündigen und sich somit eindeutig als heroische Epen ausgeben, verheißt der Erzähler der Metamorphosen, über Verwandlungen von Gestalten in neue Körper, also ein Sachthema, «singen» zu wollen, und deshalb erwartet man von ihm zunächst ein Lehrgedicht in der Art von De rerum natura (Die Natur der Dinge) des Lukrez.

Doch dann erfahren wir, daß dieses Sachthema nicht wie sonst in einem didaktischen Hexameteropus systematisch erörtert werden soll, sondern nach Art des narrativen Epos in einer fortlaufenden Erzählung und noch dazu im Rahmen einer Weltgeschichte. Ovid spricht hier von einem carmen perpetuum, und damit übernimmt er, wie die zeitgenössischen Leser bemerkt haben dürften, von dem hellenistischen Dichter Kallimachos (ca. 320–240 v. Chr.) einen Begriff, mit dem dieser einmal ein von Königen und Heroen handelndes poetisches Werk bezeichnet (Aitia Frg. 1.3–5). Andererseits spielt der römische Dichter, indem er die Götter bittet, sein carmen vom Ursprung der Welt in die eigene Zeit «herabzuführen» (deducere), auf einen von Vergil im sechsten Hirtengedicht verwendeten Terminus an: carmen deductum. Das bedeutet, da deducere vom «Herabführen » der Fäden am Webstuhl gebraucht werden kann, «fein gesponnenes Gedicht», und ein solches erzählt, wie der Dichtergott Apollo bei Vergil sagt, gerade nicht von Königen und Schlachten (Ecl. 6.3–5).

Ovid betreibt also in doppelter Hinsicht das, was die Philologen Gattungskreuzung nennen: Er kombiniert sowohl Lehrgedicht und Epos als auch «fortlaufendes» und «fein gesponnenes Gedicht». Soweit es sich bei den Metamorphosen um ein carmen deductum handelt, setzt Ovid in gewisser Weise die Art seines bisherigen Dichtens fort. Denn als «fein gesponnen» galt seit Kallimachos die sogenannte «Kleinpoesie», in der es nicht wie im Epos um Haupt- und Staatsaktionen, sondern um alltägliche Begebenheiten wie die Romanze von zwei unheroischen Liebenden geht und deren Verfasser nicht pathetisch, sondern in schlichter Diktion, mit Liebe zum Detail, anspielungsfreudig und humorvoll schreiben. Ebendies ist charakteristisch für sämtliche erhaltenen Werke Ovids von den Amores bis zu den Remedia amoris und wird nun auch zu einem wichtigen Element der Metamorphosen, die in Stoffwahl und Stil zumindest teilweise der Kleinpoesie gleichen.

Und noch eines haben sie mit diesem Genre gemeinsam: Wie schon Kallimachos und andere Verfasser von Kleinpoesie spricht auch Ovid in seiner elegischen Liebesdichtung und dann wieder in dem Hexameteropus als poeta doctus (gelehrter Dichter). Er stellt subtile intertextuelle Bezüge zu den verschiedensten literarischen Werken her und verrät dabei zum Beispiel seine Vertrautheit mit entlegenen Mythen oder philologischen Kommentaren zu den von ihm «zitierten» Autoren, insbesondere zu Homer. Im Bereich der Sprache gibt er sich dadurch «wissenschaftlich», daß er Wortwitz unter anderem durch Anspielung auf etymologische Bedeutungen erzeugt, die zeitgenössische Linguisten herausgefunden zu haben glauben.


Es sind schon einige Jährchen her, dass ich W. WIMMEL, Kallimachos in Rom, in Händen hatte: dort dürftest du fündig werden. Wimmel beschäftigt sich freilich besonders mit der Recusatio - der Weigerung, ein Epos zu schreiben.
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Re: Quellen zu Ovids Metamorphosen: Hesiods Frauenkatalog

Beitragvon Platon » Do 29. Jan 2009, 09:06

Heather Van Tress: Poetic Memory. Allusion in the Poetry of Callimachus and the Metamorphoses of Ovid, Leiden 2004. (bes. Kap. 2)
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Re: Quellen zu Ovids Metamorphosen: Hesiods Frauenkatalog

Beitragvon Noctua » Do 29. Jan 2009, 11:43

Salvete amicis

et gratiam habeo.

@Princeps: Vielen Dank für deine ausführliche Auskunft. Zwar hatte ich über das von Dir hier aufgeführte einen recht guten Überblick (Holzberg hatte ich mit zuerst gelesen), aber das Kallimachos den Begriff carmen perpetuum prägte, habe ich in bisher noch keinen Ausführungen gelesen oder ich habe es überlesen, was an der Fülle des Materials auch mal vorkommen kann. Dasgleiche gilt für den Begriff poeta doctus. Aber jetzt fällt mir auch wieder ein, dass es ein typischer Begriff für die Neoteriker war und die hatte ja Kallimachos, bzw. die hellenistische Poesie, entscheidend beeinflußt und geprägt und die Neoteriker ihrerseits ja wieder die Augusteer.

Meine Frage drehte sich speziell um das 5. Metamorphosenbuch und das Musengespräch, welches in der Sekundärliteratur immer als kallimacheisch bezeichnet wird. Ich habe gestern noch eine Weile gesucht und auch noch gefunden, das in den Aitia ein Musengespräch stattfindet. Ich bin dann noch auf einen Aufsatz* gestoßen, den ich mir die Tage auch mal heraussuchen werde, vielleicht finde ich dort etwas, was die Stelle und das Musenproblem näher beleuchten.

Ich werde aber auch eure vorgeschlagene Literatur einsehen, Siganturen sind schon herausgesucht :book:

Ich muss jedoch zugeben, dass es nicht immer leicht fällt in der erschlagenen Fülle über Ovids Metamorphosen das Passende herauszusuchen. Bereits gelesen habe ich Harzer (Ovid), von Albrecht (Ovid. Eine Einführung und Das Buch der Verwandlungen), Schmitzer (Ovid 2001 und in Auszügen Zeitgeschichte in den Metamorphosen), Holzberg (Ovid). Habe ich etwas wichtiges vergessen?

Was mir auch schwer fällt ist, zu der politischen Diskussion eine Position zu finden. Einen Mittelweg scheint Albrecht zu gehen (ich zitiere mal aus dem Gedächtnis: Nur weil er die Vorzüge seiner Zeit zu schätzen wußte, heißt das noch lange nicht, dass er nichts dazu sagte; und an anderer Stelle: die Darstellung in den Metamorphosen sei kritsch, aber keine Auflehnung), wohingegen ja Schmitzer in allem etwas Politisches sieht. Nur kann man bei einem Autor wie Ovid, der sich in der subjektiven Dichtung so heimisch fühlte, so dass sein ganzes Werk davon durchdrungen ist, in seinen Versen auf Schritt und Tritt politsche Andeutungen hineininterpretieren? So ganz überzeugt bin ich nicht.

Valete

Noctua




*J. Loehr: Ovids Mehrfacherklärungen in der Tradition des aitiologischen Dichtens, Stuttgart 1996 (Beiträge zur Altertumskunde 74)
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