Vergil Ekloge 6

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Vergil Ekloge 6

Beitragvon Goetherianerin » Fr 13. Mär 2009, 12:21

Hallo an alle,

ich bin eigentlich sehr fit in Latein. Aber irgendwie doch verwirrt bei einer Stelle aus der 6. Ekloge von Vergil. :verwirrt:

und zwar V. 33

[Namque canebat] ut his ex omnia/exordia primis, omnia et ipse tener mundi concreverit orbis.

ex omnia/exordia - das sind je nach Ausgabe unterschiedliche Lesarten.

Sind also omnia (ex geht ja mit his primis zusammen) bzw. exordia parallel zu omnia und tener orbis?
:?
Dann würde sich ja omnia doppeln in Lesart 1, richtig?

Lesart 1 hieße dann also: [und so sang er] wie aus diesen Atomen (primis) alles, alles und selbst der junge Erdenkreis entstand.

Lesart 2: [und so sang er] wie durch diese Atome Anfänge (exordia), alles und selbst der junge Erdenkreis entstanden.

Bin ich richtig oder übersehe ich jetzt gerade total etwas?
:help:


Danke! :wink:
Goetherianerin
 

Re: Vergil Ekloge 6

Beitragvon RM » Fr 13. Mär 2009, 12:37

Um "exordia" plausibel zu machen, muß man wohl einen Blick in Lukrez werfen, von dem sich Vergil gelegentlich gerne inspirieren ließ, z.B. Lucr, DRN, 5, 677:
namque ubi sic fuerunt causarum exordia prima
atque ita res mundi cecidere ab origine prima,
conseque quoque iam redeunt ex ordine certo.


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Re: Vergil Ekloge 6

Beitragvon Goetherianerin » Fr 13. Mär 2009, 13:22

Danke, aber das Vergil sich viel bei Lukrez abgeguckt hat, weiß ich schon. Ich wollte bloß wissen, ob jetzt wirklich omnia/exordia parallel zu omnia und tener orbis sind.
Irgendwie kams mir komisch vor... :roll:

Aber eigentlich muss es ja richtig sein, kanns mir sonst nicht anders erklären.
Goetherianerin
 

Re: Vergil Ekloge 6

Beitragvon consus » Fr 13. Mär 2009, 13:48

Salve, Goetheana.
Eine Nebenbemerkung sei gestattet:
tener mundi ... orbis] Mit Bezug zu Verg. ecl. 4, 50 neige ich dazu mundi hier im Sinne von caeli aufzufassen: mundus = κόσμος.
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Re: Vergil Ekloge 6

Beitragvon RM » Fr 13. Mär 2009, 14:13

consus hat geschrieben:... neige ich dazu mundi hier im Sinne von caeli aufzufassen: mundus = κόσμος.

Irgendwie finde ich, daß das Verb "concreverit" zu einem caeli nicht ganz passt.

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Re: Vergil Ekloge 6

Beitragvon Goetherianerin » Fr 13. Mär 2009, 14:38

Danke, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht!
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Re: Vergil Ekloge 6

Beitragvon Goetherianerin » Fr 13. Mär 2009, 14:47

Also ich habe jetzt noch mal in der 4. Ekloge nachgelesen.

Da steht: Aspice convexo nutantem pondere mundum...

Das würde ich klar übersetzen mit: "Siehe die Welt, schwankend durch das gewölbte Gewicht bzw. eher durch das schwere Gewölbe (irgendein Stilmittel).

Das Gewölbe ist für mich der Himmel, und dann mundus die Welt.

Aber richtig ist, dass mundus auch im Sinne von Himmel oder kósmos aufgefasst werden kann.

Mmmmhhh... ich überlege weiter.
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Re: Vergil Ekloge 6

Beitragvon RM » Fr 13. Mär 2009, 15:32

Normalerweise ist mit mundus in diesen Zusammenhängen die "Welt" bzw. das "Universum" gemeint, also alles - naja, davon stellt der "Himmel" natürlich, astronomisch gesehen, den weitaus größten Teil dar. :wink:

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Re: Vergil Ekloge 6

Beitragvon consus » Fr 13. Mär 2009, 15:51

Man könnte auch an Lucr. 5, 510 denken.
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Re: Vergil Ekloge 6

Beitragvon Goetherianerin » Fr 13. Mär 2009, 15:52

Ja, das ist richtig.
Aber in Bezug auf die 4. Ekloge glaube ich, dass hier eher die Welt nur im Sinne des Planeten Erde, gemeint ist.
Denn in der Ekloge wird ja die Ankunft eines göttlichen Knaben prophezeit, vor dem die Erde erschauert, also Tier und Mensch, eben alles auf der Erde. Dass der Himmel erzittern sollte vor Ehrfurcht kann ich mir nicht vorstellen
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Re: Vergil Ekloge 6

Beitragvon consus » Fr 13. Mär 2009, 16:08

Goetherianerin hat geschrieben: ... Ankunft eines göttlichen Knaben prophezeit, vor dem die Erde erschauert, also Tier und Mensch, eben alles auf der Erde. Dass der Himmel erzittern sollte vor Ehrfurcht, kann ich mir nicht vorstellen

Nicht zu vergessen: Es handelt sich in ecl. 4 um ein Ereignis mit kosmischen Dimensionen, welches das Universum, d. h. die gesamte, umfassende Weltstruktur, die man sich als Kuppelbau vorzustellen hat, erschauern lässt.
Übrigens: Cic. Tim. 4: Omne igitur caelum sive mundus ...
:book:
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Re: Vergil Ekloge 6

Beitragvon Goetherianerin » Fr 13. Mär 2009, 16:43

Mmmhhh... stimmt auch wieder.

Naja, danke erst mal für eure Antworten. Ich denke das Wochenende noch mal darüber nach.
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Re: Vergil Ekloge 6

Beitragvon RM » Fr 13. Mär 2009, 17:44

Bei Lucr. 5,510 sind wir wieder bei Astronomie für Philologen angekommen:
Motibus astrorum nunc quae sit causa canamus.
principio magnus caeli si vortitur orbis,
ex utraque polum parti premere aëra nobis
dicendum est extraque tenere et claudere utrimque;
inde alium supra fluere atque intendere eodem
quo volvenda micant aeterni sidera mundi;
aut alium supter, contra qui subvehat orbem,
ut fluvios versare rotas atque austra videmus.

Mit magni caeli orbis ist hier wohl die (höchste) Sphäre gemeint, auf der die Sterne sitzen.

Goetherianerin hat geschrieben:Ja, das ist richtig.
Aber in Bezug auf die 4. Ekloge glaube ich, dass hier eher die Welt nur im Sinne des Planeten Erde, gemeint ist.

Nein, das glaube ich nicht. Ich meine nach wie vor, daß mit "mundus" die gesamte Welt, also das Universum gemeint ist (s. "aeterni sidera mundi" bei Lukrez), gerade weil diese Passage so eng an Lucretius anknüpft.

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