*g*nomen?

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*g*nomen?

Beitragvon Domingo » Mi 8. Apr 2009, 04:11

Salvete,

Mit den mir im Augenblick zur Verfügung stehenden Mitteln kann ich nicht herausfinden, ob die vom Georges s.v. cognomen angegebene Form "gnomen" statt "nomen" irgendwo tatsächlich belegt ist.
Geht die Form "cognomen" vielleicht nur auf eine falsche Etymologie zurück? nomen, onoma, nâman, Name haben nicht oder nicht direkt mit der Wurzel *gnô- zu tun. Vielleicht liegt hier ein ähnlicher Fall vor wie bei der (falschen) Schreibweise, die ich mal im englischsprachigen Netz gefunden habe: "re*k*nowned" mit einem "k" zuviel...

"Renowned" kommt von Franz. "renommé", da steckt also im Endeffekt "nomen" drin und nicht *gnô- > know.

Könnte es aber vielleicht sein, dass "nomen" doch irgendwie auf *gnô- zurückgeht? Wenn ja, wie?

Valete

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Re: *g*nomen?

Beitragvon Platon » Mi 8. Apr 2009, 09:05

Mit den mir im Augenblick zur Verfügung stehenden Mitteln kann ich nicht herausfinden, ob die vom Georges s.v. cognomen angegebene Form "gnomen" statt "nomen" irgendwo tatsächlich belegt ist.


Ist nicht belegt. Vgl. aber gr. γνῶμα "Kennzeichen"
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Re: *g*nomen?

Beitragvon RM » Mi 8. Apr 2009, 09:10

Das hängt mit dem griech. γνῶσις zusammen, würde ich sagen. cognoscere wird entsprechend gebildet. Bei Georges ist das meines Wissens eine rein etymologische Bemerkung.

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Re: *g*nomen?

Beitragvon Domingo » Mi 8. Apr 2009, 11:25

Das Problem ist nur, dass dt. "Name", griech. ὄνομα u. skt. nâman keine Spur von einem anlautenden g- haben. Dabei kennen sowohl das Gemanische als auch das Gr. u. Altindische die Wurzel *gnô- durchaus: "to know", "kennen" (g > k wie *g(w)o- > "Kuh"), γιγνώσκω (eben) und jnâ-...

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Re: *g*nomen?

Beitragvon Platon » Mi 8. Apr 2009, 13:28

Wenn man das Griechische als Ausgangspunkt nimmt (ονομα vs. γνωμα), muss man zwei unterschiedliche Wurzeln annehmen, z.B. *(o)no-mn̥° "Name" vs. *g^nō-mn̥° "Kennzeichen", die im Idg. höchstwahrscheinlich nix miteinander zu tun haben.
Im Lat. würde man naiv von der Bedeutung als "Beiname" tatsächlich eher co-nomen von der ersten Wurzel erwarten, offenbar gab es aber so etwas wie lat. *gnomen "Kennzeichen" mal, was ja auch dazu passt, dass viele Cognomina (und auch Agnomina) tatsächlich bestimmte Kennzeichen ihrer (ersten) Träger (Crassus usw.) wiederzugeben scheinen und sich offenbar erst später zu tatsächlichen "Namen" entwickeln.
Zuletzt geändert von Platon am Mi 8. Apr 2009, 14:38, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: *g*nomen?

Beitragvon RM » Mi 8. Apr 2009, 14:15

Ich glaube schon, daß beide Wörter einiges miteinander zu tun haben, man hört ja die Verwandtschaft sowohl an der Lautfolge als auch an der Bedeutung einigermaßen deutlich. Wahrscheinlich haben sich eher einige Varianten zwischenzeitlich separat weiterentwickelt. Im Italienischen ist so etwas gelegentlich ebenfalls zu beobachten (z.B. bei Variationen von "servare", einmal mit "v", einmal mit "b").

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Re: *g*nomen?

Beitragvon Domingo » Mi 8. Apr 2009, 14:37

*gnô- ist ja auch eine sehr untypische Wurzel. Normalerweise bestehen ie. Wurzeln aus der Reiehnfolge K-v-K mit versch. Ablautstufen. gnô- könnte sehr wohl eine sekundäre Wurzel darstellen, die mit *nomen- verwandt ist. Die Abspaltung muss aber bereits im Indogermanischen selbst erfolgt sein.

Doch solange niemand eine genauere Theorie hat, wie sich aus *noH- o.ä. *gnô- entwickelt haben sollte, bleibt das nichts weiter als reine Spekulation ;)

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Re: *g*nomen?

Beitragvon RM » Mi 8. Apr 2009, 17:20

Ich glaube eher, daß die ursprüngliche Wurzel so etwas wie -nam- -nom- oder -num- war. Das g ist evtl. ein Präfix, das einmal eine spezielle Bedeutung oder Funktion repräsentierte.

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Re: *g*nomen?

Beitragvon Domingo » Mi 8. Apr 2009, 20:48

Zu ersterem: das Suffix im Skt., Gr. und Lat. ist aber *-m(e)n, so dass die Wurzel logischerweise *no/ô- sein müsste.

Zu letzterem: Daran habe auch ich gedacht, ich bin aber der Meinung, bevor man keine genauere Erklärung für die Wurzelgestalt findet, ist u. bleibt es Spekulation.

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Re: *g*nomen?

Beitragvon Domingo » Mi 8. Apr 2009, 20:50

Domingo hat geschrieben:Zu ersterem: das Suffix im Skt., Gr. und Lat. ist aber *-m(e)n, so dass die Wurzel logischerweise *no/ô- sein müsste.


Da bin ich micr doch wieder nicht sicher. E gibt auch ein Suffix -en, -men könnte auf falscher Trennung beruhen.
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Re: *g*nomen?

Beitragvon RM » Mi 8. Apr 2009, 22:54

Wie kommst du darauf, daß das 'm' zum Suffix gehört? :? Ich glaube schon, daß es sich hier um eine Art Bedeutungs- bzw. Funktionsträger handelt (s. z.B. "nam").
Die Erklärung hast du übrigens vorher durch Aufzählen verschiedener Beispiele selbst geliefert. Wir haben das 'g' als Präfix ja auch bei anderen Wörtern (z.B. gnarus). Bei der Wurzel ist es sicherlich nicht so wesentlich, ob da ein 'u', ein 'o' oder ein 'a' steht, da diese sich von Sprache zu Sprache ändern können.

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Re: *g*nomen?

Beitragvon Platon » Mi 8. Apr 2009, 23:10

Wie kommst du darauf, daß das 'm' zum Suffix gehört?


agmen, carmen, certamen, discrimen, examen, flumen, fulmen, germen, lumen, numen, regimen, semen, volumen; reicht das? :D
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Re: *g*nomen?

Beitragvon Domingo » Do 9. Apr 2009, 09:53

kar- man, jan-man, shar-man, dhar-man :D

om-ma, lem-ma, threm-ma, the-ma :D

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Re: *g*nomen?

Beitragvon RM » Do 9. Apr 2009, 11:21

Hübsch! Das heißt also, daß nomen auf ein virtuelles Protonominale no- oder na- zurückgeht (ursprünglich wohl aus der Babysprache entlehnt ... :wink: ), aus dem sich dann Wörter wie nomen, noscere, nam etc. gebildet haben ...

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Re: *g*nomen?

Beitragvon Pyrrha » Sa 11. Apr 2009, 12:32

Salvete,

Das tschechische Wort für "Name" ist "jmeno" (soweit ich grob sehe, ist dies auch in den meisten anderen slavischen Sprachen ähnlich), und das dem lateinischen (cog-)novisse estsprechende Verb "znát". Diese haben ja beide einen Konsonanten vor dem m/n. Daraufhin habe ich einmal bei Grimms nachgeschlagen, und ecce:

NAME,NAMEN, m. nomen (appellativum, proprium).

I. Form und verwandtschaft.

1) das durch alle germanischen dialekte verbreitet wort hat nur im goth. und altn. sein ursprüngliches neutrales geschlecht bewahrt, sonst ist es zum mascul. (mndl. im dat. sing. auch femin., s. gramm. 1, 693. 3, 486 anm.) geworden. goth. namô (stamm naman), altn. nafn (aus namn, schwed. namn, dän. navn), alts. namo, ags. nama, engl. name, altfries. noma, nama, nema (neufries. namme), mnd. name, nd. name, nam, naam. -- ahd. namo, name (namme Tatian 88, 13), mhd. name, nam (alem. auch namme), nhd. name und (wie balken, garten, graben u. s. w.) namen, früher auch mit dehnungs-h nahme, nahmen: name voc. 1482 X 2b, nam, namen DASYPODIUS k 6d, schweiz. namm, nammen MAALER 302bc, nahm, nahme, nahmen STIELER 1325, name, namen FRISCH 2, 7b (»es wird besser ohne h geschrieben damit es nicht mit nahmen, accipiebant, vermengt werde«), nahme ALER, STEINBACH, ADELUNG, name CAMPE, namen HEYSE; kärnt. tirol. mit verdumpfung des a zu u: nume LEXER 196. SCHÖPF 458. HINTNER 178. WEINH. bair. gr. § 28.

2) zur declination. goth. namô n., plur. namna (verkürzt aus namôna), ahd. namo m., im gen. und dat. sing. auch mit umlaut nemin (aus namin Murb. hymnen 7, 9, 3) ISIDOR. 29, 5. 7, 5. 15. mhd. und md. entstehen durch verschweigung des auslautenden n oder en scheinbar starke formen name, nam (s. WEINH. mhd. gr. § 441), die auch nhd. noch zu beobachten sind: mit name österreich. weisth. 6, 226, 38 (v. j. 1494); dat. und acc. nam AVENTIN. 4, 90, 12. 194, 28. 211, 13. 22. H. SACHS 1, 98, 27. 2, 20, 17. 7, 18, 27. FISCHART gl. schiff 104. AYRER 52, 35. 92, 16 u. s. w. GESZNER 3, 126, den name LAVATER nachgel. schriften 3, 8, name (accus.) für name GÖTHE 43, 405. aus dem nom. sing. namen hat sich (wie bei balken, garten u. s. w.) ein starker genetiv namens (verkürzt nams AVENTIN. 4, 233, 22) gebildet, der schon im 16. jahrh. anfängt die richtige genetivform namen (AVENTIN. 4, 205, 24. SCHWARZENBERG 151a. LOHENSTEIN Armin. 2, 364a) zu verdrängen. plur. namen, bei AVENTIN. fast regelmäszig umgelautet nämen (verkürzt näm), wie noch in bairisch-österreichischer mundart s. SCHM. 1, 1738 Fromm. LEXER 196. SCHÖPF 458; die näme ALBRECHT Leipziger mundart 174a.

3) gramm. 2, 30 und gesch. der deutschen spr. 153 wird name von nëmen (nehmen) abgeleitet: »name ist das was man nimmt, zur gabe empfängt«. dieser ansicht stimmt auch W. WACKERNAGEL bei im altd. handw. 209a (»zu nëmen wie griech. ονομα zu νεμειν «) und LEO im ags. glossar 138 (»acceptum, sumptum«). vom sprachvergleichenden standpunkt aus ist diese (schon von STEINBACH 2, 105 gemutmaszte) ableitung unhaltbar, denn name läszt sich nicht trennen vom lat. nômen, gnômen, (in co-gnômen), das auf ein arisches gnâ-man zurückführt, dessen g schon im sanskr. (nâman für jñâman) geschwunden war, von der wurzel gnâ, sanskr. jñâ, griech. γνω (γι - γνω - σκω, ε - γνω - ν), lat. gnô (co-gnô-sco, co-gnô-vi, i-gnô-ro), ahd. chnâ (chnâ-an kennen, s. th. 5, 1720), so dasz name ursprünglich das (unterscheidende) kennzeichen, merkmal bedeutet. da der zusammenhang mit der wurzel schon früh nicht mehr gefühlt worden sein mag, so trat entstellung des anlautes und auch kürzung des wurzelvocals ein, der sich im germanischen zu a, im griech. zu o (ονομα, wahrscheinlich aus ο - γνο - μα; die wurzel γνω erscheint auch in γνο - ντ - ες mit kurzem vocal, s. CURTIUS grundzüge nr. 446), im altslavischen zu i (i-meÌœ, plur. imene) erleichtert hat. BOPP glossar 193b. POTT 1, 33. CURTIUS3 299. FICK2 66. 112. 782. MEYER goth. spr. 199. MIKLOSICH 256b.


(http://germazope.uni-trier.de/Projects/DWB)

Gruß, Pyrrha
Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn nicht unergründlich nennen?
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