Gräzismen bei Sallust

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Re: Gräzismen bei Sallust

Beitragvon Procopius » So 3. Mai 2009, 11:29

An Zythophilus:

Ich wollte mit meiner Frage, ob der Stowasser vielleicht ein kleiner ζυθοφίλος sei, andeuten, daß er einen Druckfehler übersehen haben könnte, berauscht von jener Erfindung des Dionysos. Aber darüber ist ja inzwischen eingehend diskutiert worden.

Im übrigen merke ich an:

In der Tat haben wir die Übersetzungsalternativen:
a) alles andere, was im Zorn zu geschehen pflegt,
oder
b), alles andere, von dem der Zorn will (es gerne hat), daß es geschieht.

Beide Alternativen ergeben sich aus der Annahme von Gräzismen. Wenn Catilina nicht wahrhaben will, daß amare cum a.c.i. im Lat. ungewöhnlich ist, was auch immer sonst bei 'Verben des Gefühls' gelten mag, kann ich ihm nicht helfen.
Die Alternative a) ist die naheliegende, ungezwungene - weil keine weiteren Voraussetzungen erfordernde - Übersetzung.
Die Alternative b) ist dagegen die weitergehende. Das heißt: Wer sie vertreten will, trägt dafür die Darlegungs- und Beweislast. Die personificatio ira wäre sonach zu untersuchen: ihr Vorkommen bei Sallust im allgemeinen und, falls sie danach in Betracht zu ziehen ist, die Denkbarkeit ihres Vorliegens im näheren Textzusammenhang der hier zu erklärenden Stelle.
Dazu fehlt leider jedweder Vortrag mit der Folge, daß - methodisch zwingend - die Alternative b) gegenwärtig ausscheidet. Auf das "Gefühl" des einen oder anderen kommt es nicht an.
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Re: Gräzismen bei Sallust

Beitragvon Domingo » So 3. Mai 2009, 11:56

Procopius hat geschrieben:A
Die Alternative a) ist die naheliegende, ungezwungene - weil keine weiteren Voraussetzungen erfordernde - Übersetzung.


So ist es naheliegend und ungezwungen, in einem einzigen kurzen Satz zwei Gräzismen anzunehmen? amare = pflegen und das Verb im Singular mit einem Subjekt im Neutrum Plural? Und man beachte, dass nach unseren Belegen Letzteres vor der Spätantike völlig unerhört war.

Valete

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Re: Gräzismen bei Sallust

Beitragvon Procopius » So 3. Mai 2009, 12:00

Ja, weil diese Version den griechischen Vorbildern genau entspricht. Zu Deinem weiteren Einwand habe ich mich oben bereits geäußert. Maßgeblich ist die Interpretation im einzelnen Fall.
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Re: Gräzismen bei Sallust

Beitragvon Domingo » So 3. Mai 2009, 12:28

Welchen gr. Vorbildern eigentlich? Sind wir sicher, dass es welche gibt? Ich sag nur: petitio principii...

Es sind zahlreiche Einflüsse des Griechischen auf das klassische Latein feststellbar, zB "videri" mit der ganzen Palette von Bedeutungen, die dokeo hat, oder eben "amare" + Inf. im S. v. "pflegen". Die Konstruktion des Neutr. Pl. mit einem Verb im Singular gehört nicht dazu, und einfach zu behaupten, Sallust hätte es doch so geschrieben, um gr. Vorbildern zu entsprechen, scheint mir sehr weit hergeholt. Mit demselben Recht könnte man dann einen Dativ als instumental deuten, weil in den gr. Vorlagen ja der Dativ auch instrumentale Bedeutung haben kann :nixweiss:
Zuletzt geändert von Domingo am So 3. Mai 2009, 14:27, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gräzismen bei Sallust

Beitragvon Catilina coniuratus » So 3. Mai 2009, 12:49

Es haben sich schon andere erhellend mit dem Thema beschäftigt. Hier ein sehr interessanter Beitrag:

KRITZ

Gruß,
Catilina
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Re: Gräzismen bei Sallust

Beitragvon Zythophilus » So 3. Mai 2009, 15:58

SALVETE
Die personifizierte Ira mit dem Verb amare gibt's auch in der Dichtung:
Iam reuoluta iacent uexilla rubentia; multos
iam caupona tenet uel requieta domus.
Num dat pace frui bacchans nunc turba uirorum,
larua quibus facies celat, et arma gerens?
Incendit carros et seditione per urbem
facta cuncta ruit proelia saeua serens.
Delendo gaudet sine causa turba rebellis,
namque amat ira furens haec fierique iubet.


Gut, ich gebe zu, dass die Verse nachantik sind.
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Re: Gräzismen bei Sallust

Beitragvon consus » Mo 4. Mai 2009, 21:57

Salvete, amici.
Habe heute einmal schnell einen Blick in den Kommentar zu Sall. Iug. von Koestermann (Heidelbg. 1971) geworfen. Zur ira-Stelle schreibt er (S. 145): "atque aliis omnibus (ohne rebus), quae ira (Subjekt) fieri amat. Die Konstruktion ist ein ausgesprochener Gräzismus (vgl. Quint. inst. 9, 3, 17). S. dazu Thuk. 2, 65, 4; 3, 81, 5 etc. ... bei Sallust Iug. 41, 3 quae res secundae amant. Sallust ist halt der römische Thukydides. Haec hactenus.
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Re: Gräzismen bei Sallust

Beitragvon Domingo » Sa 9. Mai 2009, 16:30

Man könnte natülich auch "amat" zu "amant" ändern, dann hätten wir überhaupt kein Problem mehr. Anscheinend bin ich der Einzige, der bisher darauf gekommen ist...

Valete

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Re: Gräzismen bei Sallust

Beitragvon Procopius » Sa 9. Mai 2009, 20:32

Versus mihi in mentem veniunt praeclarissimi illius poetae hi:

Enfin Malherbe vint, et, le premier en France,
...


Tandem venit Domingo et primus in re publica litteratorum ...
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