dubium non est in relativer Verschränkung ?

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dubium non est in relativer Verschränkung ?

Beitragvon Didymos » Sa 10. Apr 2010, 17:05

Saluete,

ich hätte eine Frage zur relativen Verschränkung :

Nehmen wir beispielsweise den Satz:
Cicero, der in seinen philosophischen Werken ohne Zweifel Wörter verwendete, die es in der lateinischen Sprache bis dato nicht gegeben hatte, soll auch das Werk des Philosophen Lukrez herausgegeben haben.

Ich will jetzt bewußt nicht sine dubio oder haud dubie schreiben sondern versuchen, non dubium est in eine relative Verschränkung einzubauen :

Cicero, qui dubium non est, quin in operibus de philosophia scriptis verbis quibusdam usus sit, quae in lingua Latina adhuc non exstiterant, etiam opus Lucretii philosophi edidisse fertur.

Meine Frage bezieht sich v. a. auf die hervorgehobenen Ausdrücke : Kann man die Wendung "dubium non est" auf diese Weise in eine relative Verschränkung einbauen ? Gibt es dafür einen ( klassischen) Beleg? Ich habe schon diverse Grammatiken durchsucht, aber mir fehlt jeglicher Beleg für dubium non est in einer relativen Verschränkung...:?

Und die zweite (weniger wichtige ) Frage wäre wie das Tempus im Nebensatz lauten müßte: exstiterant oder aufgrund einer Modusattraktion ( zum übergeordneten quin-Satz) exstitissent oder exstiterunt (falls sich die Zeitenfolge nach dubium non est ausrichtet )?

Danke und Grüße,
Didymos
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Re: dubium non est in relativer Verschränkung ?

Beitragvon Zythophilus » Sa 10. Apr 2010, 17:34

Prinzipiell geht es so. Beispiele habe ich gerade keine zur Hand, doch ich würde den Ausdruck dubium non est an den Schluss stellen.
Cicero, qui, quin ... usus ist, dubium non est, ...
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Re: dubium non est in relativer Verschränkung ?

Beitragvon consus » Sa 10. Apr 2010, 17:49

Vielleicht auch die Formulierung: Cicero, de quo, quin...usus sit, dubium non est eqs. Einen klassischen Beleg auch dafür kann ich freilich nicht nennen.
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Re: dubium non est in relativer Verschränkung ?

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 10. Apr 2010, 18:05

Warum nicht einfach "sine dubio" und komplizierter machen?...(Petronius 30,6).
Bei der Modusattaktion würde ich immer mehr im Indikativ bleiben, um so realer das Ausgedrückte ist.

Gruß, Medicus
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Re: dubium non est in relativer Verschränkung ?

Beitragvon consus » Sa 10. Apr 2010, 18:23

Mein Favorit wäre die Wendung: Cicero, quem nemo est quin sciat ... usum esse eqs. :idea:
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Re: dubium non est in relativer Verschränkung ?

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 10. Apr 2010, 18:39

Vielleicht etwas modernes Latein:
Cicero, der in seinen philosophischen Werken ohne Zweifel Wörter verwendete
Cicero, qui in operibus suis philosophicis sine dubio verbis utebatur...
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Re: dubium non est in relativer Verschränkung ?

Beitragvon ille ego qui » Sa 10. Apr 2010, 20:03

salvete!

es geht didymos, scheint mir, nicht darum, andere oder bessere ausdrucksmöglichkeiten zu finden, um sein eigentliches problem (für das der satz lediglich ein beispiel bieten soll) zu umschiffen ;-)

zur "modusattraktion":
meines wissens gibt es unterschiedliche auffassungen darüber, ob es modusattraktion als rein formal-mechanisches phänomen überhaupt gibt oder ob in den fraglichen fällen nicht doch eine innerliche abhängigkeit den konjunktiv zeitigt. fest steht in jedem fall: wenn keine inhaltlichen gründe eine modus-angleichung nötig machen, dann ist es bestenfalls möglich (keinesfalls aber obligatorisch), dass der modus abfärbt!
allerdings neige (!) ich in besagtem fall durchaus zu einem konjunktiv, der wäre allerdings konsekutiv-explikativer art ...

was jedoch die wahl des tempus angeht, bin ich nicht ganz sicher. meine probleme bestünden schon im indikativ:
verbis quibusdam usus est, quae in lingua Latina adhuc non
+ fuerunt / erant? ("die es bisher nicht gab")
+ fuerant ("die es bisher noch nicht gegeben hatte")
ich weißt nicht, wie das lateinische hier "sieht", im deutschen schiene mir beides möglich. justament im augenblick des "uti" schlägt ja die nicht-existenz in existenz um ...

p.s.:
exstiterunt
meinst du vielleicht "exstiterint"?

p.p.s.: an alle: wisst ihr, ob adhuc (klassisch) auch einen zeitpunkt in der vergangenheit betreffen kann? habe leider gerade keine recherche-möglichkeit und auf mein "sprachgefühl" möchte ich mich lieber nicht verlassen.


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Re: dubium non est in relativer Verschränkung ?

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 10. Apr 2010, 20:13

Zur Modusattraktion ...Neuer Menge §456.
Mir geht es eher darum, warum komplizieren? Es gibt ja auch Beispiele, die den Sachverhalt viel einfacher ausdrücken. Wir machen das doch in unserer Muttersprache auch und um Latein besser zu verstehen sollten wir da auch einfacher denken, oder ?
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Re: dubium non est in relativer Verschränkung ?

Beitragvon Zythophilus » Sa 10. Apr 2010, 20:31

SALVE, Medice!
Dein Vorschlag für modernes Latein in Ehren, aber bloß weil die relative Verschränkung etwas kompliziert zu verstehen ist, braucht man nicht darauf zu verzichten. Wirklich kompliziert ist sie doch nur vom Blickpunkt einer Person, die Latein nicht so beherrscht und deren Muttersprache das Phänomen so nicht kennt. Hätten wir im Deutschen kein Passiv - wie es moderne roman. Sprachen de facto kaum haben - dann wäre ein Vorschlag für ein "modernes" Latein der Verzicht aufs Passiv?
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Re: dubium non est in relativer Verschränkung ?

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 10. Apr 2010, 20:37

Nein, Zythophilus, das meine ich nicht....man könnte auch eine Konstruktion mit dubitatur machen, aber mir geht es eher darum, dass wir Latein mehr als gesprochene Sprache sehen und nicht nur als Konstrukt....
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Re: dubium non est in relativer Verschränkung ?

Beitragvon Zythophilus » Sa 10. Apr 2010, 20:52

Was jeweils gesprochene Sprache, was Konstrukt ist, hängt sehr vom Sprecher ab. Ein Cicero konnte wohl auch in solchen kompliziert konstruierten Perioden sprechen.
Dass die rel. Verschränkung in der Alltagssprache üblich war, dachte ich ohnedies nicht.
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Re: dubium non est in relativer Verschränkung ?

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 10. Apr 2010, 20:57

Dass die rel. Verschränkung in der Alltagssprache üblich war, dachte ich ohnedies nicht.

Eigentlich sollten wir darauf unser Augenmerk legen....Leider haben wir dazu zu wenig Belege. Ciceros ausgearbeitete und nachbearbeitete Reden und auch die uns erhaltenen Schriften, so wenig wie sie leider sind, sagen über die gesamte Sprache Latein leider wenig aus. Und das ist unser Problem.....wie ich darüber mit einem Lateinprofessor vor kurzem erst sprach, wir haben nur schriftliche rudimentäre Quellen, aber was war wirklich mit der Sprache Latein los?....Er sagte: da müssen wir eher die nachklassischen Quellen auswerten...
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Re: dubium non est in relativer Verschränkung ?

Beitragvon Zythophilus » Sa 10. Apr 2010, 21:11

Wie es um die Sprachkenntnisse des "normalen" Römers bestellt, verrät uns eine Cicero-Rede natürlich kaum.
War es so erschreckend wie heutzutage bei der Deutschen Sprache, wo junge Erwachsene mit Matura (Abitur) von Grammatik und einfachen Phänomen wie den Kasus in der Theorie keine Ahnung haben?
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Re: dubium non est in relativer Verschränkung ?

Beitragvon ille ego qui » Sa 10. Apr 2010, 21:13

wer sich fürs umgangslatein interessiert, kann das tun. in jedem fall ist es sinnvoller und wissenschaftlich vertretbarer zu fragen, was cicero in seinen wie sehr auch immer (von der umgangssprache weg-) stilisierten geschriebenen texten gemacht hat (oder gemacht haben könnte), als, vom deutschen oder einer anderen modernen sprache herkommendend, durch (subjektiv als solche empfundene) Vereinfachungen ein leichter handhabbares "sprechlatein" zu erfinden

;-)
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Re: dubium non est in relativer Verschränkung ?

Beitragvon Zythophilus » Sa 10. Apr 2010, 21:15

Recte dixisti!
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