pronomina in der innerlichen abhängigkeit

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pronomina in der innerlichen abhängigkeit

Beitragvon ille ego qui » Di 12. Okt 2010, 21:18

salvete sodales,
ich habe mal wieder einen grammatischen zweifel! ;-)

dazu ein erster beispielsatz:

der herr ließ den sklaven bestrafen, damit dieser (sklave) ihm (herr) von nun an gehorche.
= dominus servum punivit (puniri iussit / puniendum curavit), ut inde sibi pareret.


der herr ist subjekt des hauptsatzes. da der nebensatz innerlich abhängig ist (herr beabsichtigt das, was im nebensatz ausgedrückt ist), kann auch vom nebensatz her mit einem reflexivpronomen ein bezug zum herrn aus dem hauptsatz hergestellt werden. bis hierhin keine zweifel meinerseits.
wie ist es aber in folgendem satz:

der sklave wurde von dem herrn bestraft, damit die gäste ihn (den sklaven? den herrn?) bewunderten.
= servus a domino punitus est, ne hospites se admirarentur.


auf welche konstituente des hauptsatzes könnte man nun hier mit einem reflexivum vom nebensatz her einen rückbezug herstellen - auf den sklaven, der subjekt des hauptsatzes ist (was vollkommen gegen mein sprachgefühl wäre), oder auf den herrn, der die handlung des finalsatzes beabsichtigt?

ich bin sehr, sehr gespannt ...

valete!
ille
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Re: pronomina in der innerlichen abhängigkeit

Beitragvon Medicus domesticus » Di 12. Okt 2010, 21:43

Salve ille,
servus a domino punitus est, ne hospites se admirarentur.

Wenn dominus im Prinzip das "logische Subjekt" ist, kann im ut-Satz se stehen.

Im Neuen Menge kannst du das nachlesen im Paragraph §85.

Gruß, Medicus
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Re: pronomina in der innerlichen abhängigkeit

Beitragvon Zythophilus » Di 12. Okt 2010, 22:03

Beim zuletzt genannten Beispiel kann's unklar werden, denn dass se kann sich auf a) das Subjekt des Gliedsatzes b) das Subjekt des Hauptsatzes c) das logische Subjekt des Hauptsatzes beziehen.
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Re: pronomina in der innerlichen abhängigkeit

Beitragvon Medicus domesticus » Di 12. Okt 2010, 22:08

Diese Triplizität stimmt schon, aber bei solchen Sätzen zählt auch die Logik, auf wen es sich beziehen kann in der damaligen Gesellschaft: dominus<->servus, so dass andere Varianten oft ausscheiden.
Zuletzt geändert von Medicus domesticus am Di 12. Okt 2010, 22:39, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: pronomina in der innerlichen abhängigkeit

Beitragvon ille ego qui » Di 12. Okt 2010, 22:17

dubiis grammaticis, mi medice, quis te prudentius medetur? ;)
vale.
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Re: pronomina in der innerlichen abhängigkeit

Beitragvon Medicus domesticus » Di 12. Okt 2010, 22:27

Medicus est non solum homo, qui iterum cras homines sanabit, sed etiam cogitat de Lingua Latina!
Optime vale!
:lol:
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Re: pronomina in der innerlichen abhängigkeit

Beitragvon Tiberis » Di 12. Okt 2010, 23:19

der sklave wurde von dem herrn bestraft, damit die gäste ihn (den sklaven? den herrn?) bewunderten.
= servus a domino punitus est, ne hospites se admirarentur.


warum eigentlich "ne" ??
aber abgesehen davon: von einem logischen subjekt (a domino) kann hier doch keine rede sein.
subj. = der sklave , daher ist m.e. se eindeutig identifizierbar (se> servus)
natürlich: vom inhalt her gibt das keinen sinn.
daher müsste man - wenn der herr gegenstand der bewunderung sein soll - besser schreiben:
..., quem hospites admirarentur bzw. ut..eum...
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Re: pronomina in der innerlichen abhängigkeit

Beitragvon Medicus domesticus » Di 12. Okt 2010, 23:54

Salve Tiberis,
Da habe ich zu später Stunde auch nicht richtig geschaut: "ne" nach Verben des Fürchtens, Hinderns...aber nicht hier....und was du geschrieben hast...du hast recht :)
Aber da lobe ich mir wieder, dass es hier immer wieder ein Korrektiv von den Latinisten gibt....
Danke Tiberis :)
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Re: pronomina in der innerlichen abhängigkeit

Beitragvon Laptop » Mi 13. Okt 2010, 00:07

Pater filio suo auxilio erat, ne … willst du im Nebensatz auf eine der beiden erwähnten Personen Bezug nehmen, dann nimmst du se, sibi, etc. wenn du das Subjekt des Hauptsatzes meinst (den Vater), und eum, ei, etc. wenn du den Sohn meinst.
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Re: pronomina in der innerlichen abhängigkeit

Beitragvon ille ego qui » Mi 13. Okt 2010, 09:40

Pater filio suo auxilio erat, ne … willst du im Nebensatz auf eine der beiden erwähnten Personen Bezug nehmen, dann nimmst du se, sibi, etc. wenn du das Subjekt des Hauptsatzes meinst (den Vater), und eum, ei, etc. wenn du den Sohn meinst.

das ist doch, glaube ich, der ganz herkömmliche fall, bei dem ich ohnehin keine probleme hatte. denn hier ist das subjekt zugleich die person, die den nebensatz "beabsichtigt" ...
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Re: pronomina in der innerlichen abhängigkeit

Beitragvon Laptop » Mi 13. Okt 2010, 14:26

ille ego qui hat geschrieben:das ist doch, glaube ich, der ganz herkömmliche fall, bei dem ich ohnehin keine probleme hatte. denn hier ist das subjekt zugleich die person, die den nebensatz "beabsichtigt" ...
Meine Aussage trifft aber auch auf “servus a domino punitus est” zu. Servus ist das Subjekt und so gilt das gleichermaßen.
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Re: pronomina in der innerlichen abhängigkeit

Beitragvon consus » Do 14. Okt 2010, 13:45

der sklave wurde von dem herrn bestraft, damit die gäste ihn (den sklaven? den herrn?) bewunderten.
Illi amico disertissimo sal.
Propositio Theodisca - quod pace dixerim tua - perspecuitate caret et evidentia. Nonne semper dilicude planeque (Cic. or. 23) oportet dici? Qua de causa in periodis, quae ex primaria propositione et secundariis constant, curandum est, ut non modo certum sit, sed etiam planum, quo singula referantur verba. Imprimis sit nobis curae, ne subiecta propositionum, quantum fieri potest, inter se discrepare videantur. Quam ob rem, ut exemplum proferam, hoc scribendum esse censeo (paene dixi ‘nihil aliud nisi hoc’): Dominus servum punivit, ut convivis se praeberet admirandum (Sen. dial. 5, 40, 2sq.?). Patiendi modus (id est Servus a domino, ut eqs.) hoc loco parum aptus videtur esse, quippe qui ambiguitatis causa sit secundariae propositionis. Vale.
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Re: pronomina in der innerlichen abhängigkeit

Beitragvon ille ego qui » Do 14. Okt 2010, 19:44

Zitat:
Propositio Theodisca - quod pace dixerim tua - perspecuitate caret et evidentia.

das habe ich ja ganz absichtlich so konstruiert - und zwar, weil ich wissen wollte, ob in diesem falle die grammatik die sache eindeutig machen würde, wo der sinn allein es einigermaßen offen lässt (bewunderswerter strenger herr, bewunderswerter im nehmen harter sklave ^^).
oder noch mal, unabhängig vom beispiel: ob sich reflexivpronomina im innerlich abhängigen nebensatz auf das subjekt des hauptsatzes zurückbeziehen (können/müssen) - ganz unabhängig davon, ob das subjekt zugleich diejenige person ist, die den nebensatz denkt/will/... und damit die inn. abh. erzeugt, oder eben (wie in meinem bewusst so konstruierten beispiel) nicht ...

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Re: pronomina in der innerlichen abhängigkeit

Beitragvon Laptop » Do 14. Okt 2010, 21:24

Es gibt kein Subjekt dem Sinn nach, ein Subjekt ist immer der Form nach (*). Im Grunde ist das genauso wie im Deutschen, und so gibt es das gleiche Problem im Deutschen: “Der Sklave wurde vom Herren bestraft, damit ...” will man nun mit einem Pronomen einen Bezug zum Objekt “Herr” herstellen, dann erzeugt man zwangläufig Mißverständnisse, da der Leser das Pronomen gedanklich dem Naheliegendsten zuordnet, und das ist das Subjekt.

(*) Grammatik und grammatikalische Fachbezeichnungen sind immer Form. Will man Sinn, Funktion, Semantik diskutieren, dann bräuchte man eigene Fachbezeichnungen, die es aber so nicht gibt. Du hast es mit “Subjekt dem Sinn nach” umschrieben, was aber auch eher eine Notlösung ist.
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Re: pronomina in der innerlichen abhängigkeit

Beitragvon ille ego qui » Do 14. Okt 2010, 21:48

ich habe doch gar nichts von "subjekt dem sinn nach" gesagt.
aber in der tat, hier und da behandelt das lateinische nicht-form-subjekte wie form-subjekte! ;-)

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