mal wieder innerliche abhängigkeit und reflexivpronomina

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Re: mal wieder innerliche abhängigkeit und reflexivpronomina

Beitragvon ille ego qui » Do 6. Jan 2011, 22:41

... ut omnes se ament ist schon korrekt, da sich das indir. Reflexiv auch auf den Subjektsakk. des AcI beziehen kann.


aber eben nur dann, wenn der ut-satz final und nicht konsekutiv ist, wenn ich recht verstanden habe ...
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Re: mal wieder innerliche abhängigkeit und reflexivpronomina

Beitragvon Zythophilus » Do 6. Jan 2011, 22:50

Diese Einschränkung gilt natürlich. Ich ging von einem Finalsatz, also einer beabsichtigten Folge aus.
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Re: mal wieder innerliche abhängigkeit und reflexivpronomina

Beitragvon Laptop » Fr 7. Jan 2011, 00:38

ille ego qui hat geschrieben:"Reflexivpronomina beziehen sich auf das subjekt desselben TEILsatzes zurück, in bestimmten fällen (inn. abh.!) auch auf subjekte übergeordneter teilsätze" ... wärest du damit einverstanden, Laptopi?

Ich bin genaugenommen kein Freund abstrakter Lehrsätze ohne Beispiele. Ich würde eher Beispiele jeder couleur nennen. Wenn ich schon Lehrsätze formulieren würde, dann funktionale (was ist gemeint? was soll bezweckt werden? wie ist der typische Gebrauch?). „Subjekt“ ist eine grammatikalische Kategorie, hingegen „se“ ein syntaktisch-funktionales Element, daß der Logik des Sprechenden folgt, daher paßt m.E. beides nicht zusammen. Beispiel: bei „es regnet“ gibt es kein grammatikalisches Subjekt, dennoch ist „Regen“ das logische Subjekt im Kopf des Sprechers, denn er denkt „Regen geht vor sich“. Bei „se“ denke ich eher an ein handelndes Element, und zwar so, daß ich im schon genannten Beispiel „lingua latina dicitur“ „lingua latina“ zwar als grammatikalisches Subjekt aber logisches Objekt auffasse (Beispiel für die Inkompatibilität von Form/Grammatik und Funktion/Logik): ich würde lingua latina daher vom Sprachgefühl her mit eam / illam referenzieren, nicht mit „se“.
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Re: mal wieder innerliche abhängigkeit und reflexivpronomina

Beitragvon ille ego qui » Fr 7. Jan 2011, 18:22

salve laptopi,

dann in form von beispielen:

Clara se amat, quia omnes eam admirantur.

"se" steht im Satzteil 'Hauptsatz', bezieht sich also auf das Subjekt eben dieses Teilsatzes zurück.
aus dem Teilsatz 'Nebensatz 1. Ordnung' heraus kann (da dieser nich inn. abh.) kein Bezug auf das Subjekt des übergeordneten Teilsatzes (= Hauptsatz) hergestellt werden (daher eam). Ein Reflexivum im Nebensatz könnte nur referieren auf das Subjekt eben dieses Nebensatzes (omnes).

Aus diesem Grund meine ich aus
Reflexivpronomina beziehen sich auf das Subjekt desselben Satzes zurück

Reflexivpronomina beziehen sich auf das subjekt desselben TEILsatzes zurück.

machen zu sollen.

die inn. abh. ist hier ausgespart ebenso wie die "ea loquamur"-Sache.

[ inn. abh. als Ausnahme:
Clara se amat, quia omnes se admirentur.
wenn der nebensatz gedanke oder aussage von clara selbst ist (und nur dann!), kann ein reflexivum aus dem nebensatz heraus sich auf das übergeordnete subjekt zurück beziehen (kann aber natürlich auch aufs subjekt eben dieses nebensatzes bezogen sein (wäre hier omnes)). ]

vale.
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Re: mal wieder innerliche abhängigkeit und reflexivpronomina

Beitragvon Laptop » Fr 7. Jan 2011, 18:35

Salve Ille. Wie gesagt, was hilft der Lehrsatz, wenn man dann die Ausnahmen aufzählt. Das wirkt für mich gezwungen.
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Re: mal wieder innerliche abhängigkeit und reflexivpronomina

Beitragvon Medicus domesticus » Fr 7. Jan 2011, 18:48

Salve ille,
Mir wird zwar immer schwindlig, wenn ich §84/85 im Menge durchlese.. :lol:
Wenn Zweideutigkeiten entstehen könnten, dann Rückgriff auf is,ea,id...
Menge 2007 §85 6b
Vale :)
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Re: mal wieder innerliche abhängigkeit und reflexivpronomina

Beitragvon ille ego qui » Fr 7. Jan 2011, 20:37

@laptop
anders wird es kaum gehen in der grammatikschreibung
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Re: mal wieder innerliche abhängigkeit und reflexivpronomina

Beitragvon Laptop » Sa 8. Jan 2011, 02:03

ille ego qui hat geschrieben:@laptop anders wird es kaum gehen in der grammatikschreibung

Ich habe nie aus einer Grammatik gelernt. Ich denke Sprachgefühl oder Sprachfreude (Stichwort „Schreckensbild Latein“) kann man so nicht vermitteln.
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Re: mal wieder innerliche abhängigkeit und reflexivpronomina

Beitragvon ille ego qui » Sa 8. Jan 2011, 03:16

suum cuique :-)
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Re: mal wieder innerliche abhängigkeit und reflexivpronomina

Beitragvon ille ego qui » Mo 7. Feb 2011, 01:35

... wir hatten uns darauf geeinigt, dass sich aus innerlich abhängigen nebensätzen heraus aufs subjekt des übergeordneten satzes nur dann mittels reflexivum ein bezug herstellen lässt, wenn eben dieses subjekt auch die instanz ist, die den nebensatz denkt bzw. sagt bzw. beabsichtigt (und also die innerl. abh. überhaupt erst konstituiert). es sei also korrekt zu sagen: "lingua latina non discitur, ut ea (nicht se) loquamur" - abgesehen vllt von einem unnötigen subjektwechsel und dem klassisch offenbar gemiedenen passiv von "discere".
nun sehe ich aber, dass zwar nicht cicero, aber doch prof. stroh (^^) sich genau nicht an unsere modifzierte, sondern an die ursprüngliche regel hält (die oben ein "se loquamur" produziert hätte):

in scholarum de eloquentia capite duodetricesimo:
(2a) “Cum enim Lysias", inquit, "demonstrare uelit pueros magis obsequi debere eis amicis qui se non ament quam eis qui ament - quod est contra exspectationem -, neque a definitione amoris orditur neque dispositionem certam sequitur.“
Hic enim in enuntiato relativo, quod non a pueris, sed a Lysia cogitetur, tamen pueri reflexivo pronomine revocantur.

hier nur fällt es, scheint mir, weniger auf, da Lysias zumindest ein Mensch und somit grundsätzlich fähig ist, innerl. abhängigkeit zu erzeugen. quid plura? haud mora ad Valahfridum scripsi - ac permagna nunc teneo exspectatione, quid mihi responsurus sit ...

valete.
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Re: mal wieder innerliche abhängigkeit und reflexivpronomina

Beitragvon Zythophilus » Mo 7. Feb 2011, 15:08

Einen Beleg für ein indir. Reflexivum, das vom logischen Subjekt abhängt, findet sich relativ leicht, e.g. bei Hygin (fab. 35)
Nessus ... rogatus ab Deianira, ut se flumen Euhenum transferret.

Natürlich ist Hygin kein Musterbeispiel für einen Autor, wenn es sich überhaupt um einen Autor im strengen Sinn handelt, aber die Stelle war der erste Treffer bei "google", als ich nach der Kombination "ut se" suchte.
Ich hätte gerne eine Stelle eines röm. Schriftstellers, die belegt, dass in einem finalen ut-Satz oder Begehrsatz auch das Demonstrativpronomen is, ea, id finden kann, obwohl es sich auf das Subjekt des übergeordneten Satzes bezieht, also den Fall lingua, ut ea loquamur.
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Re: mal wieder innerliche abhängigkeit und reflexivpronomina

Beitragvon consus » Mo 7. Feb 2011, 15:49

Hier eine Stelle: Bell. Hisp. 22, 5:
Ita vix periculo liberatus petiit ab oppidanis, ut ei liceret legatum ad Caesarem proficisci: illi se satis facturum.
Nicht gerade klassisch, aber immerhin...
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Re: mal wieder innerliche abhängigkeit und reflexivpronomina

Beitragvon ille ego qui » Mo 7. Feb 2011, 20:38

salve Conse!
quid hoc?!
da kann ich mir das "ei" nun überhaupt nicht erklären! es bezieht sich auf das subjekt zurück, dass zugleich die wünschende instanz ist.
habt ihr ein erklärung?
valete.
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Re: mal wieder innerliche abhängigkeit und reflexivpronomina

Beitragvon consus » Mo 7. Feb 2011, 20:46

Vgl. KSt 1, S. 610f., Anm. 5.
:book:
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Re: mal wieder innerliche abhängigkeit und reflexivpronomina

Beitragvon Zythophilus » Mo 7. Feb 2011, 20:57

Manchmal war offenbar den Römern selber ihre Grammatik zu kompliziert.
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