"Beginn" und "beginnen" von Woertern

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"Beginn" und "beginnen" von Woertern

Beitragvon ille ego qui » Di 5. Apr 2011, 12:29

salvete, sodales,
das ende eines wortes heisst "exitus" oder "terminatio". "mit einer langen silbe enden" heisst "in longam syllabam cadere" oder "longa syllaba terminari". "mit dem buchstabend m enden" heisst "littera m cadere".
dies habe ich aus georges und meissner zusammengeglaubt. (ich weiss daher nicht, ob "cadere in + akk." sich auch auf buchstaben ausdehnt - oder ob da nur "cadere + abl." angewendet werden kann. "terminari" wird wohl kaum auf silben begrenzt sein ... wer hierzu mehr weiss, bitte sagen ;-))
was mich nun aber interessiert - und wozu ich nichts gefunden habe -:
was heisst, vom wort gesagt, "ANFANG" und was "ANFANGEN mit". ich kann mir natuerlich leicht etwas zusammenbasteln (initium - initium capere a etc.). aber sofern moeglich, suche ich antike termini technici ...
habt ihr eine ahnung? ;) danke im voraus.

bene valete.
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Re: "Beginn" und "beginnen" von Woertern

Beitragvon consus » Di 5. Apr 2011, 14:21

Equidem, amice, ut exemplum proferam, aptum puto esse "verbum ab A littera incipiens" (minus mihi "a littera A").
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Re: "Beginn" und "beginnen" von Woertern

Beitragvon Brakbekl » Mo 11. Apr 2011, 15:09

ille ego qui hat geschrieben:dies habe ich aus georges und meissner zusammengeglaubt.


... oder zusammengeklaubt?
fide et virtute famam quaere
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Re: "Beginn" und "beginnen" von Woertern

Beitragvon ille ego qui » Mi 20. Apr 2011, 11:47

sowohl als auch :D
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Re: "Beginn" und "beginnen" von Woertern

Beitragvon RM » Fr 29. Apr 2011, 20:36

Ich sag da nur: Servius Honoratus: Commentarius in Artem Donati, 422,15-17:
semivocales sunt septem, quae ita proferuntur, ut inchoent ab e littera et desinant in naturalem sonum, ut ef el em en er es ix; sed
x ab i inchoat et duarum consonantium fungitur loco.


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Re: "Beginn" und "beginnen" von Woertern

Beitragvon consus » Fr 29. Apr 2011, 21:08

RM hat geschrieben:...nur...
:?:

Zu incipio a/ab und desino in c. abl. u. a. Quint. inst. 9, 3, 30. Im Übrigen freut man sich immer über Synonyme.

:cool2:
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Re: "Beginn" und "beginnen" von Woertern

Beitragvon RM » Sa 30. Apr 2011, 12:36

Aber es läßt sich nicht leugnen, daß die Stelle bei Servius dem Gefragten noch eine Spur genauer entspricht ... :wink:
Und überhaupt: Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit! :hammer:

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Re: "Beginn" und "beginnen" von Woertern

Beitragvon consus » Sa 30. Apr 2011, 13:36

RM hat geschrieben:Aber es läßt sich nicht leugnen, ...
Es fehlt mir die Angabe nachvollziehbarer Argumente. Doch hier weiter zu streiten hieße unsinnige Haarspalterei zu betreiben. Nebenbei: Die Pfeife kann man leider aus dem verstärkten "cool"-Symbol nicht entfernen; man blende sie eben in Gedanken aus. Als völlig rauchfreie Alternative bietet sich, damit man auch in Bayern zufrieden ist, folgende Lösung an:
8) 8)
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Re: "Beginn" und "beginnen" von Woertern

Beitragvon RM » Sa 30. Apr 2011, 14:11

Die Argumente ergeben sich aus dem Kontext: Bei Servius geht es um Wörter, bei Quintilian um Sätze. :wink:
In diesem Sinne:
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Re: "Beginn" und "beginnen" von Woertern

Beitragvon Laptop » Sa 30. Apr 2011, 18:17

incipere = anfangen, inchoare = beginnen.
Begründung:
1. inchoare ist genauso wie „beginnen“ hochsprachlicher.
2. inchoare steht wie „beginnen“ der Vollendung (absolvere, perficere) ggü.,
incipere wie auch „anfangen“ hingegen dem Unterlassen (desinere).
Unter diesem Aspekt ist auch einleuchtend, daß Wörter nicht mit einem Buchstaben „anfangen“, sondern „beginnen“. Denn sie haben ein Ende, kein „Unterlassen“.
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Re: "Beginn" und "beginnen" von Woertern

Beitragvon Merkur » Sa 30. Apr 2011, 21:18

Laptop hat geschrieben:incipere = anfangen, inchoare = beginnen.
Begründung:
1. inchoare ist genauso wie „beginnen“ hochsprachlicher.
2. inchoare steht wie „beginnen“ der Vollendung (absolvere, perficere) ggü.,
incipere wie auch „anfangen“ hingegen dem Unterlassen (desinere).
Unter diesem Aspekt ist auch einleuchtend, daß Wörter nicht mit einem Buchstaben „anfangen“, sondern „beginnen“. Denn sie haben ein Ende, kein „Unterlassen“.


Ich glaube, dass, um brauchbare Ergebnisse erlangen zu können, sauberer argumentiert werden müsste.

zu 1.: Ich denke, die Kategorisierung hochsprachlich vs. nicht-hochsprachlich von "beginnen" und "anfangen" lässt sich nicht einfach aufs Geratewohl zwei lateinischen Synonymen überstülpen. Wir müssen uns davor hüten, zwei (relativ schwer vereinbare) Systeme zu vermischen. Und woran misst sich die vermeintliche "Hochsprachlichkeit" von incohare?

Zum Problem selbst:

TLL 7,1,969,49-53 (s.v. incoho): "technice ap. Gramm. de littera in initio vocis posita (cf. p. 970, 63. 70): Vel. gramm. VII 53, 13 quae nomina cum ‘a’ sequente hanc litteram (sc. K) -ant. 64, 17 gemina enuntiatione litterae sequentem vocem -antis, ut est ‘succipere’ (81, 8). Ter. Mavr. 647 nominum multa -ta litteris vocalibus."

Offensichtlich ist auch der (technische) Gebrauch sehr dünn belegt. Wenn wir dagegen die von Consus angeführten Stellen und z.B. noch Quint. 9,4,92: "optime incipitur a longis [syllabis]" bedenken, können wir wohl incohare und incipere in der konkreten Wendung "mit einem Buchstaben beginnen" wirklich als Synoyme ansehen (hierbei ist auch zu bedenken, dass in der antiken Grammatik zwischen Buchstaben und Silben kein wesenhafter, sondern eher ein gradueller Unterschied bestand: zunächst wurden Buchstaben gelehrt, dann die Buchstaben zu Silben zusammengesetzt, diese dann zu Wörtern, Wörter dann zu syntaktisch zusammenhängenden Sätzen).

Belegt ist incipere a littera mindestens dreimal in Velius Longus’ "De orthographia" und einmal bei Terentius Scaurus, "De orthographia", belegt.


Zu "enden" zudem:
litterâ finiri (Varro LL 11,15)
in litteram exire (Quint. inst. 1,5,61)
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Re: "Beginn" und "beginnen" von Woertern

Beitragvon Laptop » So 1. Mai 2011, 05:18

woran misst sich die vermeintliche "Hochsprachlichkeit" von incohare
Man kann es anhand der Wortfrequenz und der Kontexte beobachten. Daß incipere der umgangssprachliche Ausdruck, ist wohl keine verborgene Weisheit. Isofern auch kein Geratewohl.

Zur Austauschbarkeit: natürlich sind diese Semisynonyme alle mehr oder weniger austauschbar. Das ist kein Vergehen, sondern als lockerer Sprachgebrauch zulässig, das geschieht im Lat. wie im Deut bei inchoare/incipere wie auch bei beginnen/anfangen. Dennoch ist es sinnvoll die feinen Unterschiede zu kennen. RM hat bereits darauf hingewiesen.
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Re: "Beginn" und "beginnen" von Woertern

Beitragvon Merkur » So 1. Mai 2011, 09:10

Laptop hat geschrieben:Daß incipere der umgangssprachliche Ausdruck, ist wohl keine verborgene Weisheit. Isofern auch kein Geratewohl.


Eine zumindest mir verborgene Weisheit aber. Ich kann das – auch angesichts der Kontexte – nicht nachvollziehen. Nur weil "incipere" ungleich häufiger begegnet als "incohare", ist es nicht "hochsprachlicher". In der Aeneis, dem Paradebeispiel des "genus grande" kommt "incohare" einmal, "incipere" viele Male vor. Ich bleibe dabei: die Kategorien "hochsprachlich" und "umgangssprachlich" sind fernzuhalten.

Laptop hat geschrieben:Das ist kein Vergehen, sondern als lockerer Sprachgebrauch zulässig, das geschieht im Lat. wie im Deut bei inchoare/incipere wie auch bei beginnen/anfangen. Dennoch ist es sinnvoll die feinen Unterschiede zu kennen.


In der Theorie natürlich lobenswert, dieser Gedanke. In der Praxis führt er aber nicht allzu weit. Beides, "incohare a # littera" und incipere a # littera", ist gleichermaßen belegt. Es bedürfte da schon mantischer Fähigkeiten, "die Feinheiten im Sprachgebrauch" zu erkennen.
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Re: "Beginn" und "beginnen" von Woertern

Beitragvon consus » So 1. Mai 2011, 09:50

Re diligentissime enodata Mercurius summa laude est dignus. Quid mirum, si omni ex parte ei assentior?
Cf. etiam Isid. orig. 1, 4, 4: Ab E quippe vocali incipiunt, et desinunt in naturalem sonum [ut F, L, M et ceterae].
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